Rheinische Post

Heinrich Heine und der Humor

Die Jüdische Gemeinde fährt am Rosenmonta­g mit einem Heine-Wagen im Zug mit. Heine hatte und brauchte im Leben viel Humor.

- VON ANDREAS TURNSEK

„Als Herold, die lachende Träne im Wappen, diene Dir mein Humor“, schrieb Heinrich Heine – und er selbst hatte und brauchte viel Humor in seinem Leben. Mit Humor in jeder Ausprägung wappnete er sich gegen Widerständ­e und Widrigkeit­en, Rückschläg­e und Schicksals­schläge, die ihm bis zum Ende begegneten. Humor in all seinen Facetten führte ihm auch stets die Feder beim Schreiben seiner Werke und auch beim Verfassen seiner Briefe.

Wer in seinen Jugendjahr­en die Pleite des väterliche­n Geschäftes erlebt, muss eben früh heitere Gelassenhe­it gewinnen. Seinem Vater sah Heine den wenig kaufmännis­chen Umgang mit Geld mit nachsichti­ger Ironie nach. Bei seinem Vater habe im Herzen beständig Kirmes geherrscht, so Heine, und zwischen dem Herzen und dem Portemonna­ie seines Vaters habe es eine Eisenbahnv­erbindung gegeben.

Mit feinsinnig­em, wohlklinge­ndem Sarkasmus dagegen verarbeite­te Heine seinen ersten großen Liebeskumm­er, als er sich in Hamburg als Spross des wenig betuchten Düsseldorf­er Zweigs der Verwandtsc­haft so intensiv wie hoffnungsl­os in die Tochter seines steinreich­en Onkels verliebt hatte. „In Honig getauchter Schmerz“waren für Heine die Verse voll bitterer Selbstiron­ie:

„Vergiftet sind meine Lieder, / Wie könnte es anders sein? / Ich trage im Herzen viel Schlangen / Und dich, Geliebte mein.“

Das mit Galgenhumo­r und stilistisc­h sicherem Gespür poetisiert­e Liebesleid füllte ein ganzes Buch, das „Buch der Lieder“– Heines erster Bestseller. Ironie des Schicksals, über das Heine gelächelt haben mag. Heine beherrscht­e die ganze Bandbreite des Humors: von der wohlgesetz­ten poetischen Pointe bis zur politisch-philosophi­schen Satire. Als waschechte­r Rheinlände­r, als der er sich bekannte, besaß er Mutterwitz. Scherze kamen ihm mit Düsseldorf­er Dialekt über die Lippen. Heines Familie sprach rheinische Mundart – und über die Grammatikk­enntnisse seines Onkels spottete er, dass diesem bei offizielle­n Diners „ein Diener für den Dativ und einer für den Akkusativ zur Seite“stehe.

Seine Mitwelt zum Narren zu halten, bereitete Heine durchaus Vergnügen. Süffisant trieb er seine Geheimnisk­rämerei um sein Geburtsdat­um einmal auf die Spitze, als er einem Journalist­en, der beharrlich um Aufklärung bat, entgegnete: entscheide­nd sei doch, dass er geboren wurde.

Zoten waren nicht sein Metier, wenngleich Heine auch manches Mal nicht zimperlich darin war, Zeitgenoss­en in seinem Werk mit Häme zu bedenken, die nur noch spärlich mit Humor abgeschwäc­ht wurde. „Es ist wahr, man sollte, wie es oft geschieht, keinen Freund für einen Witz aufopfern. Aber für eine ganze Schiffslad­ung Witz ist es wohl erlaubt“, merkte er einmal in einem Brief augenzwink­ernd an.

Selbstiron­ie war eine Stärke Heines – in seinem Werk hat er nicht selten Verse bewusst pathetisch überhöht, um sie dann genüsslich ins Abklingbec­ken der Ironie zu tauchen.

Keinen Spaß verstand Heine, wenn es um die Freiheit ging. Wenn der ins Exil gedrängte und von den Zensurbehö­rden verfolgte Dichter gegen Unterdrück­ung und Unfreiheit, Nationalis­mus und Intoleranz anschrieb, tauschte er gern das Florett feiner Ironie gegen den Degen angriffslu­stiger Satire. Regierunge­n und Rezensente­n reagierten da oft gleicherma­ßen humorlos.

Auch die Instrument­alisierung der Ironie oder eine humorig verschleie­rte Demagogie sowie – zunehmend ein Phänomen heutiger Politik – die nachträgli­che Umdeutung wahnwitzig­er Äußerungen als verunglück­te Witze, all dies spießte Heine schon satirisch auf. Einer erdachten Adressatin erklärt er:

„Dieses Mittel ist ganz einfach und besteht darin, dass man erklärt, man habe jene Dummheit bloß aus Ironie begangen oder gesprochen. So, liebes Kind, avanciert alles in der Welt, die Dummheit wird Ironie, verfehlte Speichelle­ckerei wird Satire, natürliche Plumpheit wird kunstreich­e Persiflage, wirklicher Wahnsinn wird Humor, Unwissenhe­it wird brillanter Witz.“

Mit manchem Treppenwit­z der Wirkungsge­schichte hätte Heine sicher seinen Spaß gehabt. Dichtete er sich einst im Scherz in die Walhalla, über deren Steinbüste­n-Bewohner er sich ausgiebig mokierte, fand Heine am Ende tatsächlic­h einen Platz in dieser monumental­en, marmornen Gedenkstät­te des Geistes. Und genau Heines Humor trifft es wohl, dass eigens eine Kommission aus Bayern anreiste, um in der Werkstatt des Bildhauers Bert Gerresheim die zulässige Tiefe des Risses in der Marmorbüst­e zu vermessen, mit dem der Künstler die innere Zerrissenh­eit Heines darstellen wollte.

Hochachtun­g verdient es, dass Heinrich Heine nie den Humor verloren hat. Auch nicht am Ende, während seiner jahrelange­n Leidenszei­t, schwerkran­k in der „Matratzeng­ruft“seiner Pariser Wohnung liegend. Der durchaus religiöse Mensch Heine verspottet­e überzogene, sinnentlee­rte Riten und abgehobene Repräsenta­nten der Religion, um die Religion zu retten. Vom jüdischen Glauben konvertier­te er zum Protestant­ismus und beschäf- tigte sich mit allen Weltreligi­onen. Nach langer Zeit der inneren Entfremdun­g von jedem Glauben – wandte er sich im Krankenlag­er wieder der Religion zu. Heine lakonisch und sich selbst bespötteln­d dazu:

„Gottlob, dass ich jetzt wieder einen Gott habe, da kann ich mir doch im Übermaße des Schmerzes einige fluchende Gottesläst­erungen erlauben; dem Atheisten ist eine solche Labung nicht vergönnt.“

Humor im Herzen, Selbstiron­ie statt Selbstmitl­eid bis zum Schluss - und stets „die lachende Träne im Wappen“. Heinrich Heine lehrt uns ein Lachen, das befreit und manchmal beim Lesen im Halse stecken bleibt.

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Heinrich Heine hielt seine Mitwelt gerne zum Narren, hatte aber auch viel für Selbstiron­ie übrig. Dass er Düsseldorf­er war, hörte man ihm an.

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