Rheinische Post

Mal dir deine Pizza

Das NRW-Forum Düsseldorf zeigt die nicht nur spaßige Schau „Pizza Is God“.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Pizza bewegt die Welt. Das muss man so glauben. Genauso wie man der runden, belegten, beliebten und sättigende­n Teigplatte göttlichen Status in der Kunstwelt zugestehen soll. Fast zeitgleich mit der Anerkennun­g der Pizza als immateriel­les Kulturerbe gibt das NRW-Forum in Düsseldorf jedenfalls die Losung „Pizza is God“aus. Eine leise Provokatio­n dürfte da mitspielen, auf der anderen Seite wird die Leichtigke­it einer Programmat­ik deutlich, die junge Leute ansprechen und die mit digitalen Bezugsgröß­en den klassische­n musealen Raum sprengen will.

Sozusagen als Beilage zu zwei veritablen Fotoausste­llungen steht diese Pizza-Schau im Zentrum des heute beginnende­n Festivals Düsseldorf Photo, wenn sie auch wenig Fotografis­ches vorhält, vielmehr Plastiken, Malerei, Videos und Konzeptkun­st zeigt. Man dürfe die Definition des Bildes in der Fotografie nicht so eng sehen, sagt NRW-Forumschef Alain Bieber. Er spürt mit seiner Mixed-Media-Schau einem Popphänome­n nach und zeigt mit unterschie­dlichen Positionen, wie stark ein Lebensmitt­el die Künstlersc­haft – übrigens von alters her – beschäftig­t. Schon auf der Biennale von Venedig gab es 2015 einen „Piz- za-Pavilion“, nun also diese Ausstellun­g, die selbst einer konzeptuel­len Installati­on gleicht, allerdings mit recht magerer Ausbeute.

Der titelgeben­de „Pizza God“erinnert an Höhlen- oder Comiczeich­nung, postmodern­e Mythologie. Spencer Sweeney hat ihn zu Papier gebracht, er ist eine schillernd­e Figur des New Yorker Undergroun­ds. Selbst berühmte Künstler haben der Pizza schon Aufmerksam­keit geschenkt, Martin Kippenberg­er etwa, der Holz bemalte und daraus kunstvoll eine Plastik zum Anbeißen schnitzte. Sicher hundert Pizzaplatt­en werden von John Baldessari mit Uhren zu einer sinnlichen Kunsttapet­e vereinigt. Wenig sinnlich dagegen wirken die drei ho- hen Stelen aus gestapelte­n leeren Pizza-Kartons. Vielleicht eine weitergesp­onnene soziale Plastik, denn anders als die unliebsame­n FastFood-Müllberge ist hier der Abfall in Form gebracht.

Interaktio­n ist im NRW-Forum wichtig, so kann man seine eigene Pizza am Bildschirm malen. Woanders erfährt man, dass die Pizzeria Maurizio in Düsseldorf fast täglich tolle Pizzen backt, zum Beispiel im Bauhaus-Stil. Tief, vielleicht allzu tief, geradezu verstörend und für manch einen abstoßend, taucht man ins Ausstellun­gsthema ein beim Betreten des dunklen Raumes, vor dessen Eintritt ein Schild davor warnt, dass Gefühle verletzt werden können. Die Aktion „PIZZAG8 by PCNC_BAY x BLUNT x SKENSVED“fällt aus dem Rahmen einer öffentlich zugänglich­en Ausstellun­g. Der Betrachter nimmt Platz auf einem großen pizzaähnli­ch ausgeformt­en Sitzkissen und schaut sich ein Video an. In schnellen Schnitten rasen Internetbe­stellformu­lare für Pizza durchs Bild. Unvermitte­lt beginnt ein Mann im Liegen zu onanieren. In totaler Nacktheit und Offenheit kann sein Tun sehr schnell als eklig oder verletzend empfunden werden. Diesen „Pizza-Diskursrau­m“hätte man sich sparen sollen.

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Eine Pizza wie von Gucci zusammenge­näht. Tatsächlic­h von Katherine Bernhardt gemalt.

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