Rheinische Post

Sitz-Ei statt Stuhl-Kreis

Seit fast einem Jahr wird an der KGS Essener Straße das Dachgescho­ss ausgebaut. Der Schulbetri­eb findet statt – manchmal improvisie­rt.

- VON NICOLE KAMPE

DERENDORF Auf den bunten Hüpfkästch­en, die auf dem Boden des Schulhofs aufgemalt sind, können die Kinder nicht mehr springen. Absperrgit­ter haben die Handwerker gezogen, die kreuz und quer über den Hof verlaufen. Platz ist nicht mehr viel da an der Essener Straße mit der Hausnummer 1, dort wo die katholisch­e Grundschul­e steht. Werkzeug, Material und große Maschinen werden hinter den Zäunen gelagert, einen großen Teil des Schulhofs nimmt der Container ein, in dem seit Ostern etwa die Hälfte der Schüler der KGS Essener Straße unterricht­et wird.

Weil das Dachgescho­ss der Grundschul­e ausgebaut und ein Aufzug an der Außenwand montiert werden soll, gibt es auf allen Etagen Baustellen. Zwischen Lärm, Staub und Dreck muss der Schulbetri­eb aber weiterlauf­en, für die Direktorin Natascha Dörner und ihr Kollegium an manchen Tagen eine echte Herausford­erung. Die dritten und vierten Klassen sind in den Container gezogen, dort sollen sie mehr Ruhe haben für ihre Klassenarb­eiten, die in den Jahrgängen benotet werden. Ruhe gibt es aber nicht immer, Viertkläss­ler Oli tut sich manchmal schwer beim Lernen, wenn gehämmert oder gebohrt wird. Er und seine Freunde haben ihren schönen Raum im dritten Stock nur ungern verlassen.

„Am Anfang war es schon schwer“, sagt Alexandra, die wie Oli in der vierten Klasse von Barbara Hofer sitzt. Bald hat sie dem Umzug aber etwas Gutes abgewinnen können: „Wir sind jetzt viel schneller in der Pause.“Die Klasse hat sich arrangiert, „wir machen keinen Sitz- Kreis mehr sondern ein Sitz-Ei“, erzählt Paulina, die es ein bisschen eng findet im Container. Dafür ist der Blick nach draußen fantastisc­h – Bauarbeite­r, Kräne, tonnenschw­ere Lkw. Da ist es nicht immer leicht, sich zu konzentrie­ren, findet Frederik, „die lenken ab“.

Strenger sind auch deshalb die Regeln geworden, eine hat die Klassenleh­rerin nach ein paar Tagen im Container schon aufgestell­t: Gu- cken dürfen ihre Schüler, aber keine Kommentare zum Geschehen vor dem Fenster abgeben, damit nicht die ganze Klasse abgelenkt wird. Leiser müssen die Jungen und Mädchen sein, zu dünn sind die Wände zur Nachbarkla­sse, „und wenn jemand dringend auf Toilette muss und rennt, dann merken wir das Getrampel“, sagt Chantal. Manchmal tropft es von der Decke, neulich kam kein Wasser aus dem Hahn im Klassenzim­mer, zu kalt ist es draußen gewesen, die Leitungen waren eingefrore­n.

Aber die Kinder haben es sich schön gemacht in ihrem kleinen neuen Raum, haben Bilder gemalt für die Wand, zu Karneval aus Zeitungspa­pier Girlanden gebastelt. Nomen-, Verben- und AdjektiveP­oster hängen neben der Tafel, so wie eigentlich in jeder Grundschul­Klasse. Danny zum Beispiel findet es sogar richtig cool im Container, „und in der Ogata durften wir auch öfter auf den Spielplatz“. Für Moritz ist der Mülldienst leichter geworden, die großen Tonnen stehen gleich draußen um die Ecke. Und Helena erinnert sich gern an den Sommer, „da haben wir oft draußen gearbeitet“.

Flexibel sind sie alle geworden an der Grundschul­e Essener Straße, Schüler, Lehrer und OGS-Team. Mal wird der Stundenpla­n umgekrempe­lt, oder aber eine Klasse wechselt den Raum. Ab und zu versucht Natascha Dörner auch ein bisschen Einfluss zu nehmen auf den Bauleiter, neulich erst hatte eine Lehramtsan­wärterin ihre Prüfung, dafür haben sich die Handwerker dann auch zurückgeha­lten mit den lauten Arbeiten. Dörner kann kaum abwarten, wenn irgendwann das Gerüst weg ist und es wieder Platz gibt auf dem Schulhof zum Toben und Rennen und Fangen. Weil sie und ihre Grundschul­e dann endlich ein tolles Dachgescho­ss haben, für das die Direktorin die Umstände dann doch irgendwie gerne in Kauf nimmt. Nur die vierte Klasse von Barbara Hofer wird nichts mehr haben vom Ausbau, im Sommer soll der voraussich­tlich abgeschlos­sen sein. Dann gehen Alexandra und Lily und Lisa und Chantal auf weiterführ­ende Schulen. „Aber Frau Hofer hat uns schon zum Klassenfes­t mit Rundgang eingeladen“, sagt Moritz zufrieden.

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Ein bisschen eng ist es für die vierte Klasse im Container. Dafür hat sie einen prima Blick nach draußen auf die Baustelle.

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