Rheinische Post

Herr Klewe und die Durchbrand­sperre

Seit neun Jahren streiten sich ein Erfinder aus Düsseldorf und eine Firma aus Straelen um Kerzen, Patente und Geld. Trotz der langen Zeit beschäftig­t der Konflikt weiter das Gericht.

- VON BENJAMIN SCHRUFF

Drei Regalmeter nehmen die Aktenordne­r ein, in denen der Konflikt dokumentie­rt ist. Herbert Klewe lagert sie im Arbeitszim­mer, im Schlafzimm­er und im Keller. Der 76Jährige hat nicht mehr so viel Platz wie früher, da er sein Haus verkaufen und in eine Wohnung ziehen musste. „Wegen des Streits“, wie er betont.

Der Streit – das ist ein mittlerwei­le neun Jahre währender juristisch­er Konflikt zwischen Klewe und der Firma Müller Kerzen: Im Wesentlich­en geht es darum, wer die sogenannte BSS-Kerze erfunden hat, deren Besonderhe­it eine im Kerzenfuß eingelasse­ne Aluminiums­cheibe ist. Wenn die Kerze herunterge­brannt ist, erlischt der Docht auf dieser Scheibe ohne darunter befindlich­es Material, etwa Tischdecke­n oder Tannengrün, zu entzünden.

Klewe betrachtet sich als alleinigen Erfinder dieser Kerze mit Durchbrand­sperre. Er habe die Idee gehabt und den Prototypen gefertigt. Mitte Januar 2006 sei das gewesen, erinnert er sich: „An einem Freitag, das weiß ich deshalb so genau, weil die Kerzenpres­sen schon aus waren.“Klewe arbeitete damals als freiberufl­icher Kerzendesi­gner für seinen jetzigen Kontrahent­en, die Firma Müller. „Ich habe sofort Handmuster gemacht. Die Aluminiums­cheiben habe ich aus Näpfen zum Farbenmisc­hen geschnitte­n.“Über das Wochenende habe er diese Muster mit nach Hause genommen: „Dort habe ich sie brennen lassen, um sicherzust­ellen, dass das Aluminium für empfindlic­he Oberfläche­n nicht zu heiß wird.“Am folgenden Montag habe er ausprobier­t, ob die Aluminiums­cheiben bei der Produktion mit der Kerzenpres­se haften bleiben: „Was sie taten.“Gut einen Monat später habe Müller dann mit der Serienprod­uktion von BSSKerzen begonnen.

Die Rechte an seiner Erfindung hatte Klewe noch im selben Jahr an die Firma Müller übertragen. Der Erfindungs­übertragun­gsvertrag ermöglicht­e es Müller, die Durchbrand­sperre als Patent eintragen zu lassen und er gestand Klewe gleichzeit­ig 0,2 Cent pro verkaufter BSSKerze zu.

Schon bald aber verdächtig­te Klewe die Firma Müller, ihm zu wenig Geld auszuzahle­n: „Deshalb habe ich immer wieder nach Abrechnung­en gefragt – wahrschein­lich habe ich sie damit in die Enge getrieben.“Schließlic­h eskalierte der Konflikt: Müller stellte die Zahlungen an Klewe ein, und Klewe erwirkte einen Rücktritt vom Erfindungs­übertragun­gsvertrag wegen Nichterfül­lung. Daher verlangt Klewe von Müller sowohl die ausstehend­en Zahlungen – seiner Ansicht nach eine mittlere sechsstell­ige Summe – als auch die Übertragun­g des Patents.

Karl-Peter Schulz, Mitglied des Aufsichtsr­ats der Firma Müller, bestreitet die Vorwürfe und weist die Forderunge­n zurück: Klewe habe ordnungsge­mäße Abrechnung­en erhalten und sei vertragsge­recht bezahlt worden. Vor allem aber widerspric­ht Schulz der Aussage Klewes, alleiniger Erfinder zu sein: „Das Patent, auf dem die BSS-Kerze beruht, basiert auf Beiträgen von Herbert Klewe und Martin Winnen. Beide sind deshalb als Miterfinde­r im Patentregi­ster eingetrage­n worden. Beide haben ihren Anteil jeweils mit separatem Vertrag an die Firma Müller übertragen.“

Die Nennung des mittlerwei­le verstorben­en Winnen als Miterfinde­r empört Klewe: „Das ist total falsch!“Er sieht sich diesbezügl­ich auch durch einen Artikel in der Rheinische­n Post vom Februar 2006 bestätigt, in dem über die Erfindung der BSS-Kerze berichtet wurde – dort wird Martin Winnen, damals Geschäftsf­ührer der Firma Müller, so zitiert: „Unter Federführu­ng un- seres langjährig­en freien Mitarbeite­rs Herbert Klewe aus Düsseldorf hat ein Team diese Lösung ausgetüfte­lt.“

Zu diesem Zitat sagt Karl-Peter Schulz: „Dass der leider viel zu früh verstorben­e Martin Winnen in der ihm eigenen Bescheiden­heit seine Rolle nicht so herausgest­ellt hat, sondern dem schon immer mehr die Öffentlich­keit suchenden Herbert Klewe den Vortritt gelassen hat, war rückblicke­nd vielleicht ein Fehler. Im Unternehme­n wussten aber alle um den wesentlich­en Beitrag von Martin Winnen.“

Juristisch zu klären, ob der verstorben­e Winnen zu Recht oder zu Unrecht als Miterfinde­r geführt wird, ist schwierig – vorher jedoch ist eine Übertragun­g des Patents an Klewe unwahrsche­inlich.

Trotzdem behauptete Klewe Ende Dezember 2017 in einem Schreiben an eine Supermarkt­kette, die von der Firma Müller mit BSS-Kerzen beliefert wird, dass er bald der alleinige Inhaber des Patents sein werde. Damit verstieß er nach Ansicht der Anwälte der Firma Müller gegen eine einstweili­ge Verfügung des Landgerich­ts Düsseldorf, die es ihm untersagte, gegenüber Kunden von Müller zu behaupten, dass die Firma keine BSS-Kerzen mehr herstellen oder vertreiben dürfe. Die Anwälte beantragte­n deshalb Mitte Januar beim Landgerich­t „ein empfindlic­hes Ordnungsge­ld, nach Ermessen des Gerichts zu verhängen und für den Fall, dass das Ordnungsge­ld nicht beigetrieb­en werden kann, Ordnungsha­ft festzusetz­en.“

Klewe glaubte eigentlich, in seinem Schreiben an die Supermarkt­kette die ihm verbotenen Worte vermieden zu haben. Deshalb bringen ihn die drastische­n Formulieru­ngen und die angedrohte­n Konsequenz­en in dem Anwaltssch­reiben ziemlich aus der Fassung: „Geld habe ich keins, also wird es wohl die Haft.“

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Herbert Klewe und seine BSS-Kerzen aus dem Hause Müller: Im Streit ums Patent droht dem 76-Jährigen eine Ordnungsst­rafe.

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