Rheinische Post

Mit viel Geduld zum Lernerfolg

An der Maria-Montessori-Gesamtschu­le begleiten Integratio­nshelferin­nen Kinder mit erhöhtem Förderbeda­rf durch den Schulallta­g. Aktuell machen 933 Frauen und Männer in Düsseldorf einen solchen Job.

- VON RALPH KOHKEMPER

Der Spanisch-Unterricht fällt Claudia relativ leicht. Nicht verwunderl­ich, könnte man sagen, schließlic­h ist Claudia Spanierin. Und trotzdem hat es die 13-Jährige manchmal schwer. Sie ist von Geburt an körperlich und geistig behindert, hat das Down-Syndrom. Dennoch besucht Claudia Ochoa de Echagüen eine Regelschul­e, geht in eine 6. Klasse an der Maria-Montessori­Gesamtschu­le in Flingern. Das kann sie aber nur, weil sie jeden Tag und in jeder Schulstund­e jemanden neben sich sitzen hat, der ihr hilft: die 28-jährige Kassandra Rubio Corchado. Die beiden verstehen sich gut, schon rein sprachlich, denn Rubio Corchado, der Name lässt es erahnen, kommt ebenfalls aus Spanien. Und doch ist es das nicht alleine. Zu Kassandra – die beiden duzen sich – hat Claudia inzwischen ein Verhältnis entwickelt wie zu einer großen Schwester. An ihrer Seite traut sie sich einfach mehr zu.

„Das Miteinande­r, das Reden, alles ist wichtig“, beschreibt es Rubio Corchado. Und ihre Kollegin Angelika Langen sagt: „Vertrauen. Es geht immer um Vertrauen.“Die 53-Jährige ist neben Rubio Corchado eine von zehn Integratio­nshelferin­nen – manche sprechen auch von Inklusions­helfern – an der Lindenstra­ße. Und wie ihre jüngere Kollegin betreut sie ebenfalls eine Schülerin den kompletten Schultag lang. Sie geht in die gleiche Klasse wie Claudia. Von „meinem Kind“spricht Langen immer, meint damit aber nicht ihre längst erwachsene Tochter, sondern die 13-Jährige, die sie seit geraumer Zeit begleitet.

Mathematik, die an diesem Vormittag auf dem Stundenpla­n steht, ist für das Verhältnis aber immer eine kleine Herausford­erung. Denn Sina (Name geändert) mag das Fach nicht besonders. Die 13-Jährige hat ebenfalls körperlich­e wie geistige Einschränk­ungen. Wie ihre Mitschüler­in Claudia erhält sie deshalb auch vereinfach­te Arbeitsblä­tter. Statt Bruchrechn­en geht es um Multiplika­tion. Sina hangelt sich von Aufgabe zu Aufgabe. Wenn sie stockt, weist Langen auf den Fehler hin oder gibt einen Tipp. Sie tut dies stets leise, ruhig, besonnen.

„Geduld“wird Angelika Langen später sagen, sei der Schlüssel zum Erfolg. Mit Sina sei das letztlich einfach, die sei immer gut gelaunt, nie wirklich schwierig. Aber es gebe auch andere Schüler, die ebenfalls einen speziellen Förderbeda­rf haben, auch wenn der zunächst nicht so offensicht­lich sei wie bei den bei- den 13-Jährigen: Jungen, aber auch Mädchen, die sozial auffällig sind, schnell reizbar, sich schnell provoziert fühlen oder ihrerseits oft provoziere­n. „Da ist dann natürlich viel Fingerspit­zengefühl gefragt.“Zumal es manchmal um Schüler geht, die rein fachlich zu den Besten ihres Jahrgangs gehören. Das mache es nicht einfacher. Claudia und Sina gehören zu der 6. Klasse wie alle anderen auch. „Selbstvers­tändlich, im besten Sinne, so soll es sein“, sagt Schulleite­rin Brigit Planken. Sie hat an ihrer Schule 60 Kinder und Jugendlich­e mit sonderpäda­gogi- schem Förderbeda­rf. Die meisten benötigten aber keine komplette Begleitung, sondern nur stundenwei­se Unterstütz­ung. „Es entspricht dem Menschenbi­ld unserer Schule, sie zu fördern.“Umsetzen ließe sich alles aber nur durch die engagierte Mitarbeit der Lehrer. Eine solche Pädagogin ist Christina Schleußer, die Klassenleh­rerin von Sina und Claudia. Sie empfindet die Integratio­n aber nicht als Belastung. Ganz im Gegenteil. Die Integratio­nshelferin­nen seien im Unterricht für alle Schüler zusätzlich­e Ansprechpa­rtner und sorgten dadurch auch für mehr Ruhe.

Der Weg in den Helferberu­f ist sehr unterschie­dlich. Angelika Langen und Kassandra Rubio Corchado sind eigentlich fachfremd. Langen war kaufmännis­che Angestellt­e, Rubio Corchado arbeitete in ihrer baskischen Heimat hauptberuf­lich als Bergführer­in und trainierte ehrenamtli­ch eine Fußballman­nschaft, bevor sie vor drei Jahren als Au-Pair nach Deutschlan­d kam. Beide hatten sich bei der Graf-Recke-Stiftung, über die alle Integratio­nshelfer für Düsseldorf­er Schulen rekrutiert werden, beworben. Dann folgte das übliche Prozedere: Vorstellun­gsgespräch, Schulung, Hospitatio­nen. Entscheide­nd aber bliebe, so Langen, „dass es einen Draht gibt. Manches kann man lernen, vieles muss man aber einfach auch mitbringen“.

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Die 13-jährige Claudia Ochoa de Echagüen (l.) traut sich viel mehr zu, wenn Schulbegle­iterin Kassandra Rubio Corchado an ihrer Seite sitzt.

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