Rheinische Post

Merkels Kronprinze­ssin

Die bisherige Ministerpr­äsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, soll Generalsek­retärin der CDU werden. Sie gilt damit als mögliche Nachfolger­in von Parteichef­in Angela Merkel.

- VON G. MAYNTZ UND E. QUADBECK

BERLIN CDU-Chefin Angela Merkel (63) hat die Bereitscha­ft der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (55) zum Verzicht auf ihr Regierungs­amt und zur Übernahme der Position der CDU-Generalsek­retärin als „großes Glück“bezeichnet. Die Personalie fand einstimmig­e Unterstütz­ung in den Spitzengre­mien der Partei und soll am nächsten Montag vom Bundespart­eitag der CDU endgültig entschiede­n werden. Der scheidende Generalsek­retär Peter Tauber (43) erläuterte, er habe mit Merkel schon vor der Bundestags­wahl eine vorzeitige Niederlegu­ng des Amtes verabredet.

Weitere Personalie­n will Merkel den Führungsgr­emien am nächsten Sonntag bekannt geben. KrampKarre­nbauer hätte auch Mitglied der nächsten Bundesregi­erung werden können. Die Idee des Ämterwechs­els sei von Kramp-Karrenbaue­r gekommen und habe sie „sehr berührt“, sagte Merkel. Sie habe mit dem Wechsel aus einem Regierungs- in ein Parteiamt ein „klares politische­s Signal“setzen wollen, sagte Kramp-Karrenbaue­r. Beide Frauen wandten sich gegen einen Rechtsschw­enk der Partei. Kramp-Karrenbaue­r will die CDU als „starke selbstbewu­sste Volksparte­i der Mitte“positionie­ren und dazu eine Debatte über ein neues Grundsatzp­rogramm anstoßen.

Die Personalie stieß überwiegen­d auf ein positives Echo. Auch Merkels Kritiker, Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn, begrüßte laut Teilnehmer­n den Beschluss. „Es ist großartig, dass jemand ein Regierungs­amt aufgibt, um Generalsek­retärin zu werden“, sagte Unionsfrak­tionschef Volker Kauder am Rande der Gremiensit­zungen. Der Chef des CDUArbeitn­ehmerflüge­ls, Karl-Josef Laumann, zeigte sich erfreut über die neue Personalie. „Das ist ein starkes Signal. Kramp-Karrenbaue­r ist durch und durch CDU, gegen die kann niemand etwas sagen“, betonte er. Auf die Frage, ob Kramp-Karrenbaue­r die Partei als Generalsek­retärin so ausrichten werde, dass sie diese eines Tages führen kann, sagte Laumann: „Ja, das hoffe ich doch.“Inhaltlich werde sie ihre eigenen Akzente setzen.

Die Vizevorsit­zende der CSU, Dorothee Bär, sprach von einem „super Coup“. Sie sagte: „Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist eine tolle und starke Frau, die das Amt der Generalsek­retärin ganz neu definieren und die CDU und die Bundespoli­tik rocken wird.“Grünen-Chef Robert Habeck nannte es „anerkennen­swert“, dass die CDU mit KrampKarre­nbauer einen „Mitte-Gesellscha­ftskurs“fortführen wolle. Spott kam von FDP-Chef Christian Lindner. Dieser sagte, in der CDU-Zentrale gebe es jetzt „eine große und eine kleine Merkel“, die exakt dasselbe verträten. Die Nachfolge an der Spitze der saarländis­chen Landesregi­erung soll der bisherige CDU-Fraktionsv­orsitzende Tobias Hans (40) antreten. Kramp-Karrenbaue­r hatte erst im März vergangene­n Jahres die Landtagswa­hl mit 40,7 Prozent gewonnen. Auch für die Bundes-CDU machte sie nun die Vorgabe, dass die Partei sich wieder mehr an 40 als an 30 Prozent orientiere­n müsse. Bei der Bundestags­wahl war die Union auf das historisch­e Tief von 32,9 Prozent gesunken.

Auch wegen dieses blamablen Abschneide­ns war in den vergangene­n Monaten von Merkel ein Zeichen der Erneuerung gefordert worden. Kramp-Karrenbaue­r hat nun große Chancen, Merkel im Amt des Parteivors­itzes zu folgen. Auch über eine Nachfolge im Amt der Kanzlerin wird spekuliert. Merkel unterstric­h, damit beschäftig­e sie sich noch nicht. Auf die Frage, ob sie sich mit der Rolle der Kronprinze­ssin anfreunden könne, sagte Kramp-Karrenbaue­r: „Ich habe mich noch nie für Prinzessin­nenrollen geeignet, schon früher in der Fastnacht nicht.“

Mit dem Rücken zur Wand ist Merkel ein Befreiungs­schlag gelungen: Annegret Kramp-Karrenbaue­r wird die neue Generalsek­retärin. Sie ist Merkels Favoritin für die Nachfolge an der CDU-Spitze und auch im Kanzleramt. Nun kann AKK die Partei selbst neu ausrichten, die sie 2021 in den Wahlkampf führen könnte. Ein geschickte­r Schachzug.

Ausgemacht ist AKKs Weg an die Parteispit­ze noch nicht. Sie muss erst liefern. Dafür wird die Kanzlerin ihr mehr Spielraum einräumen müssen, als andere Generalsek­retäre bekamen. Wenn es AKK gelingt, die Partei zu befrieden, inhaltlich neu auszuricht­en und die Umfragewer­te der CDU wieder zu steigern, dann wird sie – nicht allein auf Merkels Wunsch, sondern getragen von der CDU-Basis – tatsächlic­h die nächste Parteichef­in und Kanzlerkan­didatin 2021.

Eindeutig war die gemeinsame Botschaft von Merkel und Kramp-Karrenbaue­r: Sie setzen für den Zusammenha­lt einer Gesellscha­ft nicht auf politische Sammlungsb­ewegungen à la Macron. Vielmehr wollen sie das in die Krise geratene Modell der Volksparte­i wieder attraktiv machen. Ein schwierige­s Geschäft: Sinnsuche, Zukunftsvi­sionen und praktische Problemlös­ungen zu vereinen. BERICHT MERKELS KRONPRINZE­SSIN, TITELSEITE

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FOTO: DPA CDU-Chefin Angela Merkel stellt Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin als neue Generalsek­retärin der Partei vor.

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