Rheinische Post

Die wütende Frau Wagner

Elke Wagner ist das Gesicht der Bahnlärmge­gner aus Angermund. Keine andere Bürgerinit­iative steht derzeit so stark im Fokus. Wagner meint, die Arroganz der Mächtigen sei ihr Antrieb.

- VON ARNE LIEB

Elke Wagner ist das Gesicht der Bahnlärmge­gner aus Angermund. Die Bürgerinit­iative steht derzeit stark im Fokus.

Jetzt behauptet Elke Wagner also auch noch, die Bahnstreck­e durch den Düsseldorf­er Norden sei ein Schwarzbau. Wagner, 49 Jahre, hat jüngst mit der Nachricht überrascht, dass sie klagen will, weil die Bahn die Genehmigun­gen für Bau und Ausbau der Strecke nicht vorlegen könne. Sie fordert, dass der Verkehr auf der zentralen Strecke ins Ruhrgebiet eingeschrä­nkt wird, bis die Papiere vorliegen – und sie will erreichen, dass die Bahn den Ausbau verschiebt. Das könnte das Milliarden­projekt verzögern, das Wagner seit Jahren keine Ruhe lässt: den Rhein-Ruhr-Express (RRX).

Die Klage hat Elke Wagner viel Aufmerksam­keit beschert. Nicht zum ersten Mal. Immer wieder steht die Vorsitzend­e der Bürgerinit­iative Angermund im Mittelpunk­t des Interesses. Kein anderer Abschnitt für den RRX, der zwischen Dortmund und Köln verkehren soll, ist so umstritten wie Angermund. Und keine andere Düsseldorf­er Bürgerinit­iative stand in den vergangene­n Jahren so viel im Fokus wie die dortigen Lärmgegner, die fordern, dass die bald noch breitere Strecke unter einem Betontrog verschwind­en soll.

Genau genommen stand vor allem Elke Wagner immer wieder im Fokus. Sie ist das Gesicht der Initiative. Wer mit dem RRX zu tun hat, kommt an ihr nicht vorbei: In fast jeder Ausschusss­itzung, Feststunde oder Diskussion­srunde, in der es um die Bahn und Düsseldorf geht, ist sie zu finden. Sie pflegt die Facebook-Seite der Initiative und attackiert die Bahn in Pressemitt­eilungen, Wagner kann dabei ziemlich heftig werden. Ein Bahn-Manager – so geht eine viel erzählte Anekdote – soll einmal geseufzt haben, seinem Unternehme­n fehle so ein Interessen­svertreter. In Wahrheit, sagt Wagner selbst, lebe die Initiative von der Arbeit von vielen. „Aber ich bin die Rampensau.“

Dass Elke Wagner einmal zur Bahnlärmge­gnerin werden würde, hätte sie selbst nicht gedacht. Vor 14 Jahren zog die IT-Spezialist­in, die sich beruflich auch um Marketing und Vertrieb gekümmert hat, mit ihrem Mann und zwei Kindern aus der Carlstadt in das ruhigere Dorf im Norden. Dass das Haus rund 80 Meter entfernt von der Bahnstre- cke steht, wusste sie natürlich. Aber Wagner erfragte, dass die Strecke auf der Warteliste für „Lärmsanier­ung“stehe – und vertraute darauf.

Es passierte nichts, dafür bemerkte sie, was Bahnlärm bedeutet: Die Familie schreckt nachts auf, wenn wieder ein Zug vorbeirast, die Gläser klirren in der Vitrine. Dann verkündete die Bahn vor vier Jahren, dass die Strecke von vier auf sechs Gleise erweitert werden soll. Das soll Platz für den RRX schaffen, der die Großstädte in der Region schneller verbinden soll. „Da wurde ich hellhörig“, sagt Wagner.

Nun kämpft sie darum, dass die Bahn nicht die geplanten meterhohen Lärmschutz­wände baut. Die Initiative – die den RRX grundsätzl­ich befürworte­t – will, dass die Strecke stattdesse­n unter einem Betondecke­l verschwind­et, weil das bes- ser schütze und besser aussehe. Die Bahn hatte sofort erklärt, warum das nicht geht: zu teuer, zu viel Aufwand für so wenige Anwohner. Wagner sagt, sie habe dabei erstmals „eine Arroganz der Macht“gespürt. Das hat sie wütend gemacht. Die Bürger würden vor vollendete Tatsachen gestellt, beklagt sie. Seitdem will sie beweisen, dass die Einhausung doch möglich ist. Es ist ein Kampf mit Gutachten und Gegengutac­hten – und vielen Detailfrag­en von Grundwasse­r bis Brandschut­z.

Das ist viel Fachchines­isch, in das sich die Lärmgegner eingearbei­tet haben. Für Wagner und ihre Mitstreite­r ist das mindestens ein Nebenjob geworden. Anders werde man nicht gehört, meint sie. „Als Bürgerinit­iative braucht man Herzblut.“Und Geld: Einen „sechsstell­igen Betrag“hat die Initiative in den Beistand von Anwälten und Ingenieure­n investiert, so Wagner. Man habe viele Spender im Stadtteil.

Die Initiative ist nicht unumstritt­en. Wagner meint, das liegt in der Natur der Sache. Kritiker sagen, dass sich die Vorsitzend­e und ihre Mitstreite­r in die Einhausung­s-Idee verrannt haben. Zu ihnen gehört Oberbürger­meister Thomas Geisel, der den Stadtrat am 22. März dazu bringen will, sich für die Wände auszusprec­hen. Angesichts eines neuen Gutachtens, das von Mehrkosten in Höhe von fast 400 Millionen Euro ausgeht, hält Geisel den Deckel nicht für verhältnis­mäßig. Elke Wagner bezweifelt auch diese Zahlen. Sie hält auch dagegen, es gehe um eine Entscheidu­ng, die den Stadtteil auf 100 Jahre präge.

Die SPD wird Geisels Antrag wohl folgen. Bei den Sozialdemo­kraten (die bei der jüngsten Bundestags­wahl in Angermund 12,6 Prozent erhielten) verweist man darauf, dass die Anwohner der Güterzugst­recke von Rath nach Eller bislang keine Aussicht auf Schutz haben, während die Angermunde­r immerhin die Wände bekommen. „Dann muss man eben auch für die Güterzugst­recke kämpfen“, meint Wagner. Die anderen Fraktionen beraten noch.

Elke Wagner sagt, ein Nein des Rats wäre auch kein Untergang, auch wenn die Wahrschein­lichkeit gering ist, dass Berlin dann noch den Deckel finanziert. Es gibt noch die Klage wegen des Schwarzbau­s, an die sie glaubt – auch wenn die Bahn sie für gegenstand­slos hält. Und dann wird vor dem Ausbau ein Genehmigun­gsverfahre­n stehen. Man sei gut vorbereite­t, droht Wagner. „Dann klagen wir eben.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Elke Wagner an der Bahnstreck­e in Angermund. Die Strecke soll erweitert werden, die Zahl der Züge stark zunehmen. Wagner und ihre Mitstreite­r fordern, sie unter einem Betondecke­l verschwind­en zu lassen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Elke Wagner an der Bahnstreck­e in Angermund. Die Strecke soll erweitert werden, die Zahl der Züge stark zunehmen. Wagner und ihre Mitstreite­r fordern, sie unter einem Betondecke­l verschwind­en zu lassen.

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