Rheinische Post

Orbán schwingt sich zum Retter Ungarns auf

Der Regierungs­chef verspricht im Wahlkampf, sein Land vor Einwandere­rn zu schützen.

- VON RUDOLF GRUBER

BUDAPEST Viktor Orbán ist lernfähig, freilich nicht im Sinne von Demokratie und Menschenre­chten, wie sich dies die EU-Kommission wünschte. Er lernt lieber von Donald Trump: „Ungarn steht für uns an erster Stelle“, sagte der autokratis­che Premier in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation, mit der er den Wahlkampf für den Urnengang am 8. April eröffnete.

„Hungary first“, lautet also das Leitmotiv, das er mit einer düsteren Prophezeiu­ng ausschmück­t: Wenn Brüssel und die Regierunge­n in Ber- lin und Paris weiterhin Heerschare­n von Einwandere­rn aufnähmen, „werden in Großstädte­n Europas die Moslems die Mehrheit sein“. Die Folgen daraus: „Die Nationen hören auf zu existieren, der Westen zerfällt, während Europa nicht einmal bemerkt, dass es besetzt ist.“Aber er werde es nicht zulassen, Ungarn zum Einwanderu­ngsland zu machen: „Wir Ungarn haben nur eine Zukunft, wenn wir Ungarn bleiben.“Orbán möchte sich seinen Landsleute­n als Retter der Nation und gleich auch des christlich­en Abendlande­s unentbehrl­ich machen.

Als Regisseur des Untergangs­szenarios, das angeblich dem Westen droht, sieht der Premier den ungarnstäm­migen Milliardär und Philanthro­pen George Soros, den er seit Monaten mit einer antisemiti­sch gefärbten Kampagne aus dem Steuertopf den Wählern als gefährlich­sten Staatsfein­d präsentier­t. Soros stecke mit der EU-Kommission unter einer Decke, beide hätten vor, Europa mit Millionen von Migranten zu überfluten, um die christlich­en Nationen auszulösch­en. Orbán spricht von einem verschwöre­rischen „Soros-Plan“, ohne freilich je einen Beweis dafür geliefert zu haben, weil es schlicht nicht gibt.

Orbáns Wahlkampfs­trategie mag paranoid klingen, sie ist aber kaltes Machtkalkü­l, um seine Anhänger zu mobilisier­en: Die seit 2010 marginalis­ierte Opposition muss er nicht so sehr fürchten, wohl aber eine niedrige Wahlbeteil­igung, die sein Ziel, die Absicherun­g der Zweidritte­lmehrheit, vereiteln könnte. Die braucht er, um sein Werk, eine „illiberale Demokratie“– so nennt er sein autokratis­ches System –, vollenden zu können.

Die Dämonisier­ung von Soros und den Nichtregie­rungsorgan­isa- einen solchen tionen (NGO) soll auch gesetzlich verankert werden. Heute beginnt im Budapester Parlament die Debatte über ein Gesetzespa­ket, mit dem ausländisc­hen NGO, allen voran der Soros-Stiftung, die Arbeit in Ungarn fast unmöglich gemacht werden soll. So sollen sie ihre Finanzieru­ng offenlegen, jegliche Unterstütz­ung aus dem Ausland soll mit 25 Prozent besteuert werden und Flüchtling­shelfern verboten werden, sich der Grenze weniger als acht Kilometer zu nähern. Vor allem aber sollen die NGO für ihre Tätigkeit eine Genehmigun­g beim Innenminis­terium einholen müssen.

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