Mit der Straßenbahn in die Kaiserzeit
In einer alten Straßenbahn können Kölner und Touristen ins Köln vor 100 Jahren fahren. Virtual-Reality macht die Zeitreise möglich.
KÖLN Eine Zeitreise ohne Doc Browns Fluxkompensator ist eigentlich schier undenkbar. Der verrückte Wissenschaftler leitete mithilfe seiner Erfindung einen Zeitsprung ein und raste mit seinem umgebauten Sportwagen DeLorean DMC-12 im Film „Zurück in die Zukunft“.
In Köln ist nun eine Zeitreise auch ohne Hollywood möglich. Nicht im Sportwagen – aber in der Straßenbahn. Die Unternehmer von Timeride haben im Straßenbahnmuseum Maß genommen und einen Waggon Welt flanieren schicke Fräulein mit Schirmchen und Hüten über die Promenade, alles wirkt sommerlich-leicht.
Der Fluxkompensator unserer Zeit ist eine Virtual-Reality-Brille: Die brauchen die Fahrgäste für die Rundfahrt durch das Köln zu Kaisers Zeiten. Die Datenbrille ermöglicht einen 360-Grad-Blick: Wer sich in der Bahn umblickt, kann so etwa dem Zeitungsjungen nachschauen.
„Die Dokulage aus dieser Zeit ist sehr gut“, sagt Matthias Flierl von „Timeride“. „Es gibt sehr viele Fotos und Filme, wir konnten das damalige Köln also sehr authentisch rekon- struieren.“Mit zwei Partnern hat er eine ehemalige Schlecker-Filiale am Alter Markt umgebaut – dort steht jetzt die historische Bahn, außerdem gibt es einen Kinosaal und ein kleines „Kaiserpanorama“. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war das ein populäres Massenmedium – durch Gucklöcher sah man sich damals stereoskopische Bilderserien an, meist wurden exotische Reiseziele gezeigt, deren Besuch sich die meisten nicht leisten konnten. Bei „Timeride“ist etwa der Kölner Hauptbahnhof zu sehen, wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts aussah.
Die Fahrt mit der Tram ist nicht nur wegen der Virtual-Reality-Brille eine kleine Zeitreise – wer drin sitzt, spürt das Holpern und Ruckeln der Bahn und den Fahrtwind. Fenster waren damals nicht in den Bahnen. Vom alten Hafen geht es durch die Altstadt, wo rechts der Dom im Sonnenlicht erstrahlt. Er ist eines der wenigen Gebäude, die auf der Zeitreise heute noch so aussehen wie damals – bevor zwei Weltkriege 90 Prozent der Altstadt zerstörten. Am Alter Markt stehen Verkaufsstände, die Marktleute wuseln umher.
Dann ist ein Arbeiter zu sehen, der an einer elektrischen Leitung herumfummelt – der Kurzschluss beendet die Zeitreise. Und wer die Brille abnimmt, blickt auf den Janvon-Werth-Brunnen auf dem Alter Markt. Den gibt es schon seit 1884. Aber der Zeitungsjunge ist nicht mehr da.