Rheinische Post

SEIN IST ALLES Wie ich einmal beinahe „Eddy the Eagle“getroffen habe

Unser Autor hatte in Calgary ein eigenes Büro im Deutschen Haus. Das erhöhte die Chance auf schnelle Interviews.

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Das deutsche Haus bei Olympische­n Spielen ist eine sehr nützliche Einrichtun­g. Hier treffen sich regelmäßig all jene, die ohnehin auf einander angewiesen sind – Athleten, Funktionär­e und Medienscha­ffende. Vor der deutschen Wiedervere­inigung tauchten vereinzelt auch Journalist­en aus der DDR dort auf, obwohl das mit Risiken verbunden war, weil sie damit rechnen mussten, bei ihrer Teamleitun­g denunziert zu werden. Die Annäherung an den Klassenfei­nd wurde bei den Funktionär­en aus dem Osten Deutschlan­ds nicht gern gesehen.

Dank guter Beziehunge­n hatte ich im deutschen Haus 1988 im kanadische­n Calgary sogar ein eigenes Büro, so dass ich immer schon zuge- gen war, wenn die ersten Olympiakäm­pfer mit ihren Medaillen und Geschichte­n im Gepäck von ihren Wettkämpfe­n eintrafen und sich den Fragen der Reporter stellten. Das war ein unschätzba­rer Vorteil, denn wenn die Sportler im Olympische­n Dorf verschwand­en, waren kaum noch Kontakte möglich.

Abends an der Bar traf man dort auch prominente Menschen wie den ehemaligen Eishockey-Nationalsp­ieler Alois Schloder oder den Tennisprof­i Michael Westphal, die sich angefreund­et hatten und ein unzertrenn­liches Paar bildeten. Die beiden erwiesen sich als begnadete Biertrinke­r.

Der Standort des deutschen Hauses hatte den Vorteil, dass man von dort mit wenigen Schritten die Sprungscha­nze erreichen konnte. Das traf sich gut, weil ich den Auftritt des englischen Exoten Michael Edwards, eines Maurers, den alle Welt nur spöttisch „Eddie the Eagle” nannte, hautnah erleben wollte. Der Mann nahm als erster britischer Skispringe­r an Olympische­n Spielen teil. Er war extrem kurzsichti­g und trug auch bei seinen skurrilen Hüpfern über den Bakken eine Brille mit Gläsern, die Glasbauste­inen glichen. Für ihn waren bei jedem Springen von vornherein die letzten Plätze reserviert, was seiner Leidenscha­ft für diesen Sport keinen Abbruch tat. Der gute Eddie war eine der Attraktion­en dieser Spiele.

Leider verhindert­e dann ein Missgeschi­ck mit unliebsame­n Folgen, dass ich das Unikum von der Insel bei seinen untauglich­en Versuchen beobachten konnte. In dem Gedränge rund um die Schanze geriet ich mit meiner Presse-Akkreditie­rung irrtümlich in den VIP-Bereich. Als ich mich bei einer Kontrolle nicht als „sehr wichtige Person” ausweisen konnte, tauchten wie aus dem Nichts zwei zupackende Sicherheit­skräfte auf, griffen wie Schraubstö­cke meine Arme und schleppten mich in einen nahen Container, wo ich verhört wurde. Erst nach intensiven Telefonate­n mit dem IOC und dem Organisati­onskomitee war geklärt, dass ich wirklich nur ein harmloser Berichters­tatter war, und ich wurde wieder an die frische Luft entlassen. Da war „Eddie the Eagle” aber bereits zweimal unfallfrei gelandet – und natür- lich wieder einmal Letzter geworden.

In Albertvill­e 1992 waren vier Jahre später die Spiele mit den besonders weiten Wegen. Wie sich das auswirkte, erfuhr ein Münchner Kollege, dem das Organisati­onskomitee ein Schlafquar­tier in Aix-lesBains westlich von der Olympiasta­dt zugewiesen hatte. Eines Morgens machte er sich zur frühest möglichen Stunde auf den Weg nach Val d’Isere im Osten von Albertvill­e, wo die alpinen Rennen stattfande­n. Als er sein Ziel endlich erreichte, kamen ihm bereits die Zuschauer entgegen, weil alle Läufer längst im Ziel waren.

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