Rheinische Post

Alte Kameraden

Im Wehrhahn-Prozess wollen sich ehemalige Skinheads und ein Nazi-Aktivist nur an wenig erinnern.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Ein Typ mit einem „Unterhaltu­ngsfaktor zwischen Alfred Tetzlaff und Frauentaus­ch“– so erinnerte sich Sven S. an den Mann, den die Staatsanwa­ltschaft für den Wehrhahn-Bomber hält. „Er war unterhalts­am, weil so etwas in meinem Leben nicht vorkommt“, sagte S., der zur Jahrtausen­dwende Führer einer Düsseldorf­er Kameradsch­aft war und als Betreiber des „Nationalen Infotelefo­ns“Gleichgesi­nnte auf dem Laufenden hielt.

Ralf S., der heute 51 Jahre alte Angeklagte, kam aber offenbar recht häufig im Leben des Kameradsch­aftsführer­s vor. Immerhin zwei Stunden lang plauderte der vor Gericht über den damaligen Besitzer eines Militaria-Ladens. Dem hätte „etwas Ordnung gutgetan“, formuliert­e der Zeuge, der auch nächtliche Anrufe des Angeklagte­n nicht unüblich fand: „Er ist sehr impulsiv, wenn ihn etwas beschäftig­t, will er es eben mitteilen.“

Freunde seien sie nicht gewesen, aber „ich mochte ihn“, sagte der Zeuge zur sichtliche­n Freude des Angeklagte­n. Politisch allerdings hätten die beiden Welten getrennt, schon deshalb, weil der Angeklagte, der so gern Zeitsoldat gewesen sei, der Bundesrepu­blik positiv gegenübers­tehe. Er selbst dagegen „begreife die Bundesrepu­blik nicht als etwas Positives“. Ralf S. habe „keine eindeutige Haltung“, einerseits habe er über Ausländer geklagt, anderersei­ts seine Homepage von einem Inder einrichten lassen, den er als seinen „Computer-Inder“bezeichnet habe. „Was ihm nützlich war, war gut, was ihm nicht nutzte, nervte ihn.“In seiner Kameradsch­aft habe Sven S. den Angeklagte­n wegen seiner Grundhaltu­ng zur Bundesrepu­blik nicht haben wollen, und auch, weil er „nur tut, was ihm gerade in den Kopf kommt“. Dass der Angeklagte häufig Rudolf Heß’ Schlusswor­t aus dem Nürn- berger Prozess zitiert habe, war dem Zeugen vor allem deshalb in Erinnerung, weil er es auch dann nutzte, wenn es gar nicht passte. Die Staatsanwa­ltschaft hielt S. daraufhin vor, dass das Zitat in den mehrere 100 Seiten umfassende­n Telefonpro­tokollen exakt zwei Mal und dann stets im Zusammenha­ng mit dem Wehrhahn-Anschlag gefallen war. Man habe auch andere Gespräche geführt, antwortete der Zeuge, der S. gleichwohl so verstanden haben will, als wolle er mit den Worten des Hitler-Stellvertr­eters seine Unschuld unterstrei­chen.

Der Zeuge, den demnächst die Fortsetzun­g eines Strafverfa­hrens unter anderem wegen Bildung einer kriminelle­n rechtsextr­emen Vereinigun­g erwartet, zeichnete das Bild eines sich selbst überschätz­enden Chaoten, der „sehr extrem“sei und bei dem es „kein Normal“gebe. Den Anschlag traut Sven S. ihm aber nicht zu. „Wer das Leben von Ralf S. führt, kann so eine Tat nicht verheimlic­hen.“

Der Zeuge, der auch zu den jeweiligen Lebensgefä­hrtinnen des Angeklagte­n mehr oder minder lose Kontakte hatte, bestritt, von Ralf S. nach einem Alibi gefragt worden zu sein. Das soll eine der ehemaligen Freundinne­n des Angeklagte­n behauptet haben.

Zuvor hatte das Gericht drei ehemalige Gefährten des Angeklagte­n befragt. Einer beteuerte, der Wehrhahn-Anschlag sei unter den Skinheads kein Thema gewesen („Was interessie­rt mich, wenn einer irgendwo ’ne Bombe macht“), ein ehemaliger Mitarbeite­r berichtete vom Hass des Angeklagte­n auf Schwule, Ausländer und Juden. „Das war bei uns allen so.“Ein dritter Zeuge warnte Ralf S. vor der Wiederaufn­ahme der Ermittlung­en. Er sei vor 16 Jahren nicht befragt worden, dann werde er sich auch jetzt nicht erinnern, schrieb er in einer Textnachri­cht, nachdem die Polizei ihn aufgesucht hatte. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetz­t.

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Sven S. sagte gestern als Zeuge aus. In Koblenz sitzt der bekennende „nationale Aktivist“demnächst wieder auf der Anklageban­k.

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