Rheinische Post

Peter Reinhold sehnt sich nach Europa

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Brasilien sei ein schrecklic­h-schönes Land, sagt Peter Reinhold über den Ort, an dem er seit 20 Jahren lebt. Ein Ort voller Gegensätze: Als er 1997 seine Koffer packte, um mit seiner brasiliani­schen Ehefrau Tina nach Brasilien auszuwande­rn, war er noch voller Hoffnungen. In Morretes/Paraná kauften die beiden ein Grundstück und bezogen ein altes Holzhaus. Mit großem Tatendrang fingen sie an stabile „Cabanas“(Holzhütten) für Touristen zu bauen. Nach nur wenigen Wochen erlebte das Ehepaar den ersten harten Rückschlag. Einer von vielen im neuen Leben. Der kleine Bach, der die Bauten umgab, verwandelt­e das Grundstück bei starken Regenfälle­n in einen See. „Allerlei Tiere, darunter auch Schlangen, nutzten unser Häuschen als Überlebens­insel“, erinnert sich der 74-Jährige. Das war der Startschus­s für eine Odyssee durch das Land auf der Suche nach einem geeigneten Wohnort. Mongaguá im Staat São Paulo verließen die beiden nach einem Jahr wieder wegen der hohen Kriminalit­ätsrate dort. „Als ich gerade für drei Wochen wegen einiger Werbejobs in Deutschlan­d war, gab es einen Einbruch in unser Haus. Meine Frau und mein Neffe wurden im Bad eingeschlo­ssen und das Haus ausgeräumt“, erzählt der Auswandere­r. „Und das war nur der erste Überfall von vielen.“ In einem kleinen Ford Ka reiste das Paar durch halb Brasilien, um ein neues Domizil zu finden. Diese Art zu reisen würde Reinhold jedem Brasilient­ourist empfehlen. Auf langen Autofahrte­n durch ein ewig grünes Land könne man wundervoll­e Orte entdecken. Ihm habe beispielsw­eise die alte Kolonial-Stadt São Luis in Maranhão oder das Partanal, das mehr Tierreicht­um bietet als Amazonien, besonders gut gefallen. Das unabhängig­e Reisen liegt Reinhold im Blut. Als er noch in Düsseldorf wohnte, arbeitete er als erfolgreic­her Werbetexte­r. Zur Erholung von arbeitsint­ensiven Jobs ging er auf Reisen. Rund 80 Länder besuchte der Globetrott­er in 20 Jahren. Er überquerte den Kilimandsc­haro zu Fuß und den Amazonas mit einem Kanu. Stolz ist der Weltenbumm­ler über seine Teilnahme an der „Camel Trophy“, die durch Papua Neuguinea führt. So sehr Reinhold die Natur Brasiliens auch begeistert, so sehr hadert er mit den großen Städten und den Menschen. Viele Brasiliane­r seien zwar offen, lieb und lebenslust­ig, mit der Kriminalit­ät, der schlechten Bildung und der Schicksale­rgebenheit vieler Menschen komme er aber auch nach so vielen Jahren im Land noch nicht gut zurecht. „Manchmal fahre ich richtig aus der Haut“, sagt er. Gerade die geistvolle Nahrung fehle ihm – dass er die Entscheidu­ng nach Brasilien zu gehen mittlerwei­le als großen Fehler be- trachtet, den er heute nicht mehr machen würde. Heute leben Reinhold und seine Frau in Jacareí, rund 70 Kilometer von São Paulo entfernt. Die 220.000Einwohn­er-Stadt habe in etwa den Charme von Opladen oder Osnabrück. Er liegt weder am Meer noch in den Bergen. „Nur irgendwo dazwischen“, beschreibt der Rentner seinen neuen Wohnort. Dort im Grünen hat das Ehepaar sich ein Haus gebaut und einen kleinen Garten angelegt. Wieder in die Nähe der Metropole ziehen, war eine rein praktische Entscheidu­ng. Dort gibt es einen Flughafen und eventuell auch bessere Ärzte, erklärt der Weltenbumm­ler. „Vorher wohnten wir knapp am Äquator in Parnaíba/ Piauì, wo es wunderschö­n und ursprüngli­ch ist. Allerdings entspricht die medizinisc­he Versorgung der in Somalia oder im Kongo.“Abends schaut er sich europäisch­e TV-Programme an und träumt davon, wieder nach Europa zurückzuke­hren. „Wie gerne würde ich heute einfach über die Pyrenäen, durch die Schweiz und den italienisc­hen Stiefel reisen, abwechslun­gsreiche Kost genießen, Traumlands­chaften durchstrei­fen und in uralten Städtchen und Dörfern verbleiben.“Das wird für Reinhold wohl erst mal ein Traum bleiben, denn wegen des Hausbaus sind seine finanziell­en Möglichkei­ten vollkommen erschöpft. „Ich fühle mich wie auf einer Insel, die ich nicht mehr verlassen kann.“Nicole Esch

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Vor 20 Jahren sind Peter Reinhold und seine Frau Tina nach Brasilien ausgewande­rt. In dem Land haben sie bereits an vielen Orten gelebt.
 ??  ?? Haus mit Fernblick: Die Aussicht reicht über 20 Kilometer bis auf den Gebirgszug Serra da Mantiqueir­a.
Haus mit Fernblick: Die Aussicht reicht über 20 Kilometer bis auf den Gebirgszug Serra da Mantiqueir­a.

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