Korea menschelt
Bei den Spielen nähern sich Nord- und Südkorea auf eine Weise an, die zeigt, wie sehr sich beide entfremdet haben.
PYEONGCHANG Ein seltsamer Moment war das, als diese nordkoreanische Kapelle die Live-Arena von Gangneung bespielte. Die Uniformen erinnerten an einen Spielmannszug, die Musik klang perfekt einstudiert, die Bewegungen haargenau choreographiert. Die etwa 40 Nordkoreaner genossen auch reichlich Publikum. Das ganze Gelände, das zu anderen Zeiten der vergangenen zwei Wochen eher als Abkürzungsweg zwischen den Wettkampfstätten diente, war brechend voll mit Zuhörern. Und dann das: die Musiker schlugen nicht nur Takte an, zu denen diverse Beine mitwippten. Die Nordkoreaner lächelten dazu.
Eigentlich nichts Besonderes, und doch eine kleine Revolution. Bei den Olympischen Spielen von Pyeongchang, an deren sicheren Ablauf von vielen Seiten Zweifel geäußert worden waren, haben sich die sonst verfeindeten Nord- und Südkorea einander vorsichtig angenähert. Und die einzige Kollision war am Ende eine fruchtbare, eine Kollision in den Köpfen der Menschen. Man weiß es eigentlich besser und kann sich spätestens nach kurzem Überlegen vorstellen, dass auch in Nordkorea gelächelt wird. Aber als diese strahlenden Gesichter mit kenntlicher nordkoreanischer Flagge das nun auch wirklich zeigten, war man trotzdem irgendwie erstaunt. „Schau mal, das sind Nordkoreaner!“, packte eine Mutter ihr Kind im Grundschulalter am Schopf, als sie vor der Bühne in Gangneung standen, wo die Kapelle aus Pjöngjang spielte. „Echt? Wow!“, schoss das Kind zurück, reckte sich, um auch was sehen zu können.
Die Musiker in Gangneung waren ein Beispiel von vielen. Ein anderes war der Corps von Cheerleadern, der die gesamtkoreanische Mannschaft im Eishockey der Frauen anfeuerte. Die jungen Frauen hatten sich in kleineren Gruppen auf mehrere Tribünen verteilt, ihre synchronen Kampfrufe umzingelten in der Halle jeden Zuschauer. Aber so kamen diese kommunistischen Ultras nicht nur streng und einschüchternd rüber, sondern zugleich mitfühlend und optimistisch. Auch die Schwester von Kim Jong-un, Kim Yo-jong, bot den Kameras wieder- holt ein mildes Lächeln, als sie zu Besuch kam, um Südkoreas Präsident Moon Jae-in einen Brief ihres Bruders zu übergeben.
„Solche Bilder hab‘ ich noch nie gesehen“, sagte Lee Ji-hye, eine Frau mittleren Alters, in einem Restaurant in der Hauptstadt Seoul vergangene Woche. Verdutzt starrte sie an die Wand, an der ein Flatscreen die News zum Besuch von Kim Jong-uns Schwester übertrug. „Dieses Menschliche an ihr ist befremdlich“, fand die Frau. „Aber auch gut.“Scott Kim, ein nordkoreanischer Flüchtling, der im Süden Se- ouls für ein Handelsunternehmen arbeitet, war begeistert von der medialen Berichterstattung dieser Tage: „Wann hört man hier im Süden mal offizielle Musik aus dem Norden? Wann geht es mal nicht um das Böse aus Pjöngjang? Mir haben die letzten Wochen das Herz erwärmt.“Einige seiner Arbeitskollegen hatten das Konzert live im Fernsehen verfolgt und seien erstaunt gewesen: Nordkorea habe ja Musikkultur!
Wenn zutiefst menschliche Praktiken Verwunderung hervorrufen, sobald sie den Gesichtern von nord- koreanischen Offiziellen entspringen, ist dies auch ein Zeugnis über das Bild, das man sonst von diesem Land hat. In Südkorea und der westlich geprägten Welt ist Nordkorea seit Jahren ein beliebter Satiregegenstand: Nordkorea erfindet die Wahrheit, wie sie nur Nordkorea gefällt. In Nordkorea passiert nichts, was nicht passiert sein darf. Nordkorea beseitigt auch seine Feinde, um ein absurdes Heldenethos um die Kim-Dynastie aufzubauen. Nichts davon ist falsch, aber alles davon zeichnet ein reduziertes Bild eines Landes, in dem Menschen auch Kunst machen, eine kulinarische Kultur haben und Witze reißen.
So wirkt das Menscheln der vergangenen Wochen wie der Anfang einer Annäherung zweier Länder, die sich über sechseinhalb Jahrzehnte so sehr voneinander entfremdet haben, dass sie sich manchmal sogar die Menschlichkeit absprechen. Was kann folgen? Staatsbesuche nach Pjöngjang und Seoul womöglich. Vielleicht auch eine Wiedereröffnung der Industrieanlage im nördlichen Kaesong, wo jahrelang südkoreanische Unternehmen mit nordkoreanischen Arbeitskräften produzierten, bis zuletzt alle Zelte abgebrochen wurden, weil Nordkorea zu viele Raketen durch die Luft jagte. Diese Tage wurde auch schon zaghaft über die Zusammenführung getrennter Familien gesprochen. „Wir haben einen weiten Weg vor uns“, hat Südkoreas Präsident Moon Jae-in während der Olympischen Spiele sinngemäß mehrmals betont. Aber dass man das Gegenüber nicht nur als Barbaren sieht, sondern als Menschen, ist schonmal ein erster Schritt. (sid) Skilangläuferin Marit Björgen
hat im letzten olympischen Wettbewerb von Pyeongchang über die 30 km triumphiert und ihren norwegischen Landsmann Ole Einar Björndalen als erfolgreichsten Sportler in der Geschichte der Winterspiele abgelöst. Björgen (37) steht bei achtmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze, Biathlet Björndalen bei 8-4-1. Skilangläuferin Teresa Stadlober bog rund neun Kilometer vor dem Ziel, auf Rang zwei liegend, falsch ab. Die Österreicherin wurde am Ende nur Neunte. (sid) Der kanadische Skicrosser David Duncan, seine Frau Maja und ein Trainer sind nach einer Alkoholfahrt mit einem gestohlenen Auto in Pyeongchang festgenommen worden. Das bestätigte das kanadische Olympia-Komitee. Duncan (35), bei den Spielen Letzter im kleinen Finale, entschuldigte sich für den unrühmlichen Vorfall. Sein Verhalten habe „nicht den Standards entsprochen, der von den Mitgliedern des kanadischen Teams eingefordert wird“. Auch Techniktrainer William Raine meldete sich zu Wort. „Ich habe meine Teamkollegen, meine Freunde und meine Familie enttäuscht“, teilte der frühere Skirennläufer mit. Laut Medienberichten unter Berufung auf die südkoreanische Polizei hatte das Trio einen offenen Wagen mit laufendem Motor entdeckt, war eingestiegen und losgebraust.