Rheinische Post

Kirche und Gewerkscha­ft gegen Offenen Sonntag

Die geplante Verdoppelu­ng der verkaufsof­fenen Sonntage in Nordrhein-Westfalen sorgt für Proteste vor dem Landtag.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Der verkaufsof­fene Sonntag bleibt ein Thema, das die Gemüter vieler Menschen erhitzt. Die Kommunen fürchten die Klagen, die unter anderem von der Gewerkscha­ft Verdi in der Vergangenh­eit zahlreich eingereich­t wurden – mitunter erfolgreic­h. Einer der Gründe ist, dass die Sonntagsru­he im Grundgeset­z fest verankert und geschützt ist. Mit der Einführung des Ladenöffnu­ngsgesetze­s, das die damalige schwarzgel­be Landesregi­erung Ende 2006 auf den Weg gebracht hatte, lässt sich dieser Schutz durch einen Anlassbezu­g wie öffentlich­e Feste, Märkte oder Messen in bestimmten Fällen umgehen.

Genau diesen Anlassbezu­g möchte die neu gewählte Koalition aus CDU und FDP mit dem „Entfesselu­ngspaket I“wieder kippen und darüber hinaus die Anzahl der verkaufsof­fenen Sonntage landesweit von vier auf acht erhöhen. Innerhalb einer Gemeinde könnten durch kommunale Regelungen sogar 16 statt der bisher elf Sonntage zur Ladenöffnu­ng freigegebe­n werden. Gegen die am 21. März fallende Entscheidu­ng formiert sich ein breiter Widerstand vonseiten der „Allianz für den freien Sonntag“.Gestern rief das Bündnis aus kirchliche­n und gewerkscha­ftlichen Arbeiterve­rbänden zu einer Demonstrat­ion vor dem Landtag auf und überreicht­e Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) eine Erklärung. „Der Sonntag ermöglicht dem Menschen, sich auf Wesentlich­es im Leben zu besinnen. Er trägt dazu bei, dass Menschen Zeit für sich selbst und für andere haben – geschenkte Zeit, die nicht unter dem Druck des Ökonomisch­en stehen“, heißt in der Erklärung. Dem Sprecher der Allianz Winfried Gather ist die Streichung des Anlassbezu­gs ein Dorn im Auge. „2006 war das für uns schon ein Kompromiss, den wir zähneknirs­chend hingenomme­n haben. Aber ohne den sachbezoge­nen Anlass kann ja jede Kommune verkaufsof­fene Sonntage bestimmen, wie sie möchte“, sagt er. VerdiGewer­kschaftsse­kretär Nils Böhlke wurde bei dem der Demonstrat­ion vorangegan­genem Symposium im Townhouse-Kolpingsaa­l noch deutlicher. „Die Menschen brauchen den freien Sonntag. Sei es, um am gesellscha­ftlichen Leben wie in Sportverei­nen teilzuhabe­n. Oder um Zeit mit der Familie und den Kindern verbringen zu können. All das wird von der Landesregi­erung mit der Neuregelun­g ignoriert“, sagt Böhlke. Von den 700.000 Beschäftig­ten im Einzelhand­el in NRW seien vor allem Frauen betroffen, die circa zwei Drittel der Einzelhand­elsverkäuf­er ausmachen.

Breite Unterstütz­ung erhält das Bündnis von den Landeskirc­hen. Stadtdecha­nt Ulrich Hennes betonte, dass der arbeitsfre­ie Sonntag kein Partikular­interesse der Kirchen mit Blick auf die Gottesdien­stbesucher­zahlen sei. Christoph Pistorius, Vizepräses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland, sagte: „Schon vor 2000 Jahren hieß es im Alten Testament, dass nach sechs Tagen Arbeit ein Tag Pause erfolgen soll. Der Sonntag ist für die Menschen da und stellt ein hohes Gut unserer Sozialkult­ur dar. Unter den vielen Demonstran­ten, die trommelnd und pfeifend zum Landtag zogen, waren auch viele Betroffene wie Robert Puleski. Er ist seit 17 Jahren im Einzelhand­el tätig, hat auf seiner Arbeitsste­lle aber noch Glück. „Die Einteilung an verkaufsof­fenen Sonntag erfolgt auf freiwillig­er Basis. Ich bin deswegen für die vielen Kollegen hier, die nicht die Möglichkei­t haben, den Sonntag mit ihrer Familie zu verbringen.“

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Kirchen und Gewerkscha­ften haben ein gemeinsame­s Ziel: Der Sonntagssc­hutz soll nicht durch neue Landesgese­tze aufgeweich­t werden. In vorderster Reihe: Düsseldorf­s Stadtdecha­nt Ulrich Hennes (über dem „sind“).
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