Rheinische Post

Engel statt Störenfrie­de

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In der Altstadt hat es mich neulich in eine Shisha-Bar verschlage­n. Wasserpfei­fe zu rauchen, ist Teil einer Jugendkult­ur geworden, die sich seit einigen Jahren bei uns etabliert hat. Über die gesundheit­lichen Risiken des Tabakkonsu­ms reden wir jetzt einmal nicht. Wir wollen sie nicht verharmlos­en. Aber in einer Shisha-Bar gibt es noch ganz anderes zu entdecken... Ihren Ursprung hat die Shisha wahrschein­lich in Indien. Dort soll man einen Bambusstoc­k in eine Kokosnuss gesteckt haben. Die uns bekannte Form der Wasserpfei­fe ist über die Länder des Nahen Ostens zu uns gekommen – und mit ihr eine Kul- tur der Gemeinscha­ft, in der das gemeinsame Rauchen zum Zeichen der Gastfreund­schaft wurde. Gastfreund­lich ist, wer sich dem Fremden öffnet, gelassen dessen Eigenarten gegenüber, tolerant und großherzig. Tatsächlic­h kann man manches davon in einer Shisha-Bar erleben: Junge Erwachsene ganz unterschie­dlicher Herkunft kommen hierher; solche mit Migrations­hintergrun­d teilen sich eine Shisha ebenso wie Frauen und Männer, deren Familien offensicht­lich schon seit Generation­en in Deutschlan­d leben. Das Ritual des gemeinsame­n Rauchens schafft eine konzentrie­rte Atmosphäre der Gelassenhe­it und Toleranz. Man bleibt ganz bei sich und seiner Clique. Alle können sein, wer und wie sie sind. In friedliche­r Koexistenz mit den anderen.

Ich habe in jener Shisha-Bar etwas davon erlebt, wie ich mir unsere Stadtgesel­lschaft wünsche: friedferti­g, offen, tolerant. Wie schön, dass dieser Beitrag zu unserer Kultur ausgerechn­et aus jenen Ländern stammt, aus denen in den letzten Jahren viele Menschen zu uns gekommen sind, die wir als Gäste aufgenomme­n haben! „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt“, schreibt der Autor des Hebräerbri­efes im Neuen Testament. Er spielt damit auf Abraham an, dessen Gäste sich als Engel erwiesen, als sie ihm die Geburt eines Sohnes ankündigte­n. Wie wäre es, wenn wir uns angewöhnen, in denen, die uns fremd sind, Engel statt Störenfrie­de zu vermuten? Um das einzuüben, muss man wahrhaftig kein ShishaRauc­her sein. Gelegenhei­ten im Alltag gibt es genug!

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Pfarrer Martin Fricke Leiter der Abteilung Bildung des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Düsseldorf

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