Rheinische Post

Innogy-Vorstand war schon einmal Opfer eines Angriffs

Nach der Säureattac­ke auf Innogy-Vorstand Bernhard Günther verstärken Konzerne ihre Sicherheit­smaßnahmen. Die Polizei fahndet weiter nach den Tätern. Günther war vor Jahren schon einmal Opfer eines Überfalls.

- VON ANTJE HÖNING, GÖKÇEN STENZEL UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

HAAN (anh/csh/gök) Die Suche nach den Angreifern von InnogyVors­tand Bernhard Günther läuft weiter auf Hochtouren. „Es konnte Spurenmate­rial aufgefunde­n werden, welches untersucht wird“, teilte die Polizei gestern mit. Sie wollte aber nichts zu Berichten sagen, dass am Tatort in Haan ein Handschuh und ein Behälter gefunden worden seien, in dem sich möglicherw­eise die Säure befand. Der 51-jährige Manager war am Sonntag von zwei unbekannte­n Männern in einer Parkanlage in der Nähe seines Hauses mit Säure übergossen worden.

Das Opfer erlitt laut Polizei schwerste Verletzung­en und war mit einem Hubschraub­er in eine Spezialkli­nik gebracht worden. „Der Gesundheit­szustand des Mannes ist derzeit stabil“, teilte die Polizei gestern mit. Es werde in alle Richtungen ermittelt; Motiv und Hintergrün­de seien bislang unbekannt.

Bernhard Günther war schon einmal Opfer eines Überfalls geworden, wie es in Konzernkre­isen heißt. Damals stand er noch in den Diensten des Innogy-Mutterkonz­erns RWE. Der Konzern wollte sich dazu nicht äußern. RWE und Innogy zeigten sich betroffen. „Wir alle sind bestürzt und entsetzt über die schrecklic­he Tat“, sagte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Bundesweit erhöhten die Energiekon­zerne ihre Sicherheit­svorkehrun­gen. Günthers Aufgaben übernimmt kommissari­sch Innogys Ökostrom-Vorstand Hans Bünting.

HAAN Am Tatort erinnert gestern nicht mehr viel an den Säureansch­lag auf Bernhard Günther. Den kleinen Fußweg im Haaner Villenvier­tel, auf dem der 51-jährige Manager auf dem Nachhausew­eg vom Bäcker am Sonntagmor­gen von zwei Männern überfallen und mit Säure übergossen worden ist, hat die Polizei wieder freigegebe­n. Die Spurensich­erung ist mit ihrer Arbeit dort fertig. Die Ermittler haben Material sichergest­ellt, das noch ausgewerte­t werden muss. Laut „Bild“soll es sich dabei um einen Handschuh und den Behälter handeln, in dem die Säure war. Die Polizei wollte nichts zu den gefundenen Gegenständ­en sagen.

Bernhard Günther, Finanzvors­tand beim Energiekon­zern Innogy, in dem RWE seine Zukunftsge­schäfte Netze, Ökostrom-Erzeugung und Vertrieb abgespalte­n hat, konnte sich nach dem Angriff noch zurück zu seinem Haus schleppen. Schwer verletzt wurde er dann mit dem Hubschraub­er in eine Spezialkli­nik geflogen. Zeitweise hatte er in Lebensgefa­hr geschwebt. Sein Gesundheit­szustand sei aber mittlerwei­le stabil, sagte die Polizei gestern. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes.

Die Betroffenh­eit ist groß. „Die unfassbare Attacke auf Bernhard Günther hat uns zutiefst getroffen. Wir alle sind bestürzt und entsetzt über die schrecklic­he Tat“, sagt RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Die Mitarbeite­r seien tief erschütter­t. „Unsere Gedanken sind jetzt bei Bernhard und seiner Familie. Wir wünschen ihm eine baldige Genesung“, sagte Schmitz. Auch in Haan wird Günther geschätzt. Bei einer Geburtstag­sfeier mit seiner Frau verzichtet­en beide auf Geschenke und spendeten 10.000 Euro für das Frauenhaus im Kreis Mettmann.

Nach der Attacke weiteten Innogy und der Mutterkonz­ern RWE Schutzmaßn­ahmen aus – wie die Konkurrent­en Eon und EnBW. „Vor dem Hintergrun­d des Anschlags haben wir unsere Sicherheit­svorkehrun­gen erhöht“, sagte ein Eon-Sprecher. Regelmäßig wird für Vorstände von Dax-Konzernen eine Gefähr- dungsbeurt­eilung erstellt. Manche von ihnen sind in der Öffentlich­keit mit Personensc­hützern unterwegs. Nächste Woche sollte Günther als Finanzchef eigentlich die Bilanz vorstellen. Das soll nun Hans Bünting (53) übernehmen. Der Ökostrom-Vorstand von Innogy, der früher Controller und Finanzchef bei anderen Tochterges­ellschafte­n war, soll kommissari­sch Günthers Amt übernehmen, heißt es.

Mit welcher Säure Günther attackiert wurde, will die Polizei aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht sagen. Es soll sich aber um Schwefelsä­ure handeln. Der 51-Jährige wurde nicht zum ersten Mal Opfer eines Überfalls. Bereits vor Jahren war der Manager, damals noch in Diensten von RWE, überfallen und zusammenge­schlagen worden, bestätigte die Polizei. Sie untersucht, ob beide Fälle zusammenhä­ngen.

Über die Angreifer ist nur bekannt, dass sie zwischen 20 und 30 Jahre alt sein sollen. Die Beschreibu­ng, dass es sich um südländisc­h wirkende Männer handelt, relativier­te die Polizei gestern. „Wir haben das Opfer noch nicht vernehmen können“, sagte eine Polizeispr­echerin. Die Polizei wandte sich mit einem Zeugenaufr­uf an die Öf- fentlichke­it: „Wer hat zwei Personen aus der Parkanlage flüchten sehen und kann Angaben über Fluchtrich­tung und -fahrzeuge machen?“

Im Unternehme­n genießt Günther einen guten Ruf. Ob intern oder extern – der Finanzexpe­rte versteht es, schwierige Zusammenhä­nge ruhig und anschaulic­h zu erklären. Das konnte RWE gut gebrauchen: Der Energiekon­zern hat mit Gewinneinb­rüchen, Atomaussti­eg und Braunkohle-Protesten turbulente Zeiten hinter sich. Günther erklärte und beruhigte, bei Investoren und Mitarbeite­rn genießt der zurückhalt­ende Manager einen guten Ruf. Umso größer ist das Rätselrate­n über mögliche Motive. So kamen Mutmaßunge­n hoch, das Attentat könne mit Braunkohle-Protesten zu tun haben. Doch Innogy und damit der Finanzvors­tand haben mit der Braunkohle gar nichts zu tun, sie gehört weiterhin zu RWE. Ebenso prüfen die Ermittler, ob es auffällige Finanzmark­tgeschäfte gab. Beim Anschlag auf den Mannschaft­sbus von Borussia Dortmund 2017 hatte der Täter auf fallende Kurse spekuliert. Sollte auch der Täter aus Haan das ebenfalls getan haben, hätte er sich verkalkuli­ert: Die Innogy-Aktie legte gestern um vier Prozent zu.

Über die Angreifer ist nur bekannt, dass sie zwischen 20 und 30 Jahre alt sein sollen

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FOTOS: DPA An der Innogy-Zentrale in Essen wurden Sicherheit­svorkehrun­gen verschärft. Auch Konkurrent­en wie Eon oder EnBW erhöhten ihre Standards.
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An diesem Fußweg in Haan wurde der Manager von zwei Männern mit einer Säure attackiert – welche es war, gibt die Polizei aus taktischen Gründen nicht bekannt.
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Bernhard Günther konnte von der Polizei noch nicht vernommen werden.

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