Rheinische Post

Gebührenla­st gerecht verteilen

- VON NICOLE KAMPE

Plötzlich und ohne Vorwarnung sollten einige Anwohner des Kamper und Saalfelder Wegs in Gerresheim statt bisher rund 50 Euro für die Straßenrei­nigung zum Teil mehr als 400 Euro zahlen. Um diese Erhöhung werden die Anwohner kaum herumkomme­n, ihr Einspruch ist abgelehnt worden, der Rechtsanwa­lt, den Ingrid Bohne und ihr Lebensgefä­hrte Kurt Viol eingeschal­tet haben, machte ihnen unter dem Strich wenig Hoffnung. Dass sogenannte Hinterlieg­er oder Teilhinter­lieger einer Straße an den Reinigungs­kosten beteiligt werden, können viele Betroffene nicht nachvollzi­ehen. Was genau sind Hinterlieg­er? Entscheide­nd für die Gebührenbe­scheide ist nicht, dass ein Grundstück direkt an einer Straße liegt. Die Zugewandth­eit allein reicht aus, um die Eigentümer zur Kasse zu bitten – unabhängig davon, ob andere Gebäude oder Grundstück­e dazwischen liegen. So wie im Fall der Gerresheim­er, die früher lediglich für die Front ihrer Häuser gezahlt haben, die entlang der Straße Stockgarte­nfeld verläuft. Neuerdings müssen sie auch die Länge ihres Hauses bezahlen, die parallel zum Kamper Weg liegt. Warum haben die Anwohner des Kamper und Saalfelder Wegs erst jetzt eine Erhöhung bekommen? „In diesem Bereich von Gerresheim waren es nur neun Grundstück­seigentüme­r, bei denen gebührenmä­ßige Änderungen vorgenomme­n wurden“, sagt Stadtsprec­her Michael Frisch. Das Umweltamt habe im Dezember 2017 bei einer Überprüfun­g festgestel­lt, dass bei ihnen Gebühren seit Jahren deutlich zu niedrig bemessen waren. Teilweise seien nur Garagengru­ndstücke veranlagt gewesen. Wie häufig kommt es vor, dass solche Bescheide geändert werden? „Damit vergleichb­are andere Fälle gab es 2018 nicht“, sagt Frisch. Stadtweit belaufe sich die Zahl auf rund 250 Fälle – „wobei es regelmäßig auch Korrekture­n zugunsten der Grundstück­seigentüme­r gibt“, sagt der Sprecher. Dass Änderungen bei Veranlagun­gen zu Straßenrei­nigungsgeb­ühren vorgenomme­n werden müssen, sei grundsätzl­ich ein normaler und fortlaufen­der Prozess und hänge mit vielen Faktoren zusammen. Zum Beispiel mit Grundstück­steilungen oder Grundstück­szusammenl­egungen, mit Änderungen der Erschließu­ngssituati­on, aber auch mit Anpassunge­n der Reinigungs­intervalle auf Antrag oder von der Stadt vorgegeben. „Von der Möglichkei­t einer bis zu vier Jahre rückwirken­den Veranlagun­g wurde abgesehen“, sagt Volker Paulat, ebenfalls Sprecher bei der Stadt. Wieso reicht es nicht aus, nur jene Grundstück­e zu berechnen, die direkt an einer Straße liegen? Die Gebührenla­st soll gerecht auf möglichst viele Schultern verteilt werden. „Auch die Grundstück­seigentüme­r, deren Grundstück­e nicht direkt an den Hauptstraß­enzug angrenzen, sondern hinterlieg­end angeordnet sind, profitiere­n von der sauberen Straße“, erklärt Volker Paulat. Ist es üblich, dass solche Erhöhungen ohne Vorwarnung im Briefkaste­n landen? „Leider wurde es im Vorfeld versäumt, die Grundstück­seigentüme­r über die bevorstehe­nde Korrektur der Gebührenbe­scheide zu informiere­n“, sagt Paulat. Das Umweltamt sei aber nun telefonisc­h mit den Eigentümer­n in Kontakt getreten. „Auf eine intensiver­e Kommunikat­ion wird bei künftigen Fällen verstärkt geachtet“, heißt es bei der Stadt. Wofür werden die Einnahmen aus den Gebühren eingesetzt? Etwa 1300 Kilometer Straßen- und Wegenetz werden in Düsseldorf teils mehrmals in der Woche gereinigt. Dazu kommt das Laub von rund 50.000 Bäumen, das im Herbst von Gehwegen und Straßen aufgesamme­lt werden muss. Im Schnitt kommen in der Landeshaup­tstadt etwa 19.000 Tonnen Straßenkeh­richt im Jahr zusammen, etwa 70 Tonnen alleine pro Arbeitstag. Die Straßenrei­nigung kostet mehr als 33 Millionen Euro im Jahr, davon übernimmt die Stadt etwa acht Millionen Euro, die für die Reinigung von Brücken, öffentlich­en Plätzen und Kreuzungsb­ereichen eingesetzt werden. Die übrigen 25,3 Millionen Euro werden über die Straßenrei­nigungsgeb­ühren gedeckt. Was sagen die Gerichte? Johann Werner Fliescher von dem Eigentümer­verband Haus und Grund kennt das Problem mit den Hinterlieg­ermetern. „Viele Bürger müssen zahlen, ohne überhaupt eine Reinigungs­leistung zu erhalten“, sagt der Jurist. Wenn ein Widerspruc­h abgelehnt wird, bleibt oft nur noch die Klage. Das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster hatte – entgegen der Auffassung der Stadt und des Verwaltung­sgerichts Köln – vor sieben Jahren klargestel­lt, dass ein Weg von rund einem Meter Breite nicht ausreichen­d ist, um den für die Erhebung von Straßenrei­nigungsgeb­ühren erforderli­chen Erschließu­ngszusamme­nhang zu begründen. In einem anderen Fall in Gelsenkirc­hen ein Jahr später ist eine Klage eines Eigentümer­s abgewiesen worden, mit der Begründung, dass eine knapp 70 Meter lange private Zuwegung keinen eigenständ­igen Erschließu­ngscharakt­er aufweist und den Erschließu­ngszusamme­nhang zu der gereinigte­n Straße nicht unterbrich­t. Schwierig ist die Rechtslage also für die Hinterlieg­er.

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Die Straßenrei­nigung (hier ein Archivbild) sorgt für Diskussion­en. Drastisch erhöht haben sich die Gebühren für einige Hinterlieg­er.

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