Rheinische Post

Wie das Jugendamt Eltern hilft

Im Fall des Paars, das sich nicht um seine acht Kinder gekümmert hat, taucht immer wieder die Frage auf, warum das Jugendamt nicht eingeschri­tten ist. Der Abteilungs­leiter Soziale Dienste liefert Antworten.

-

Der aktuelle Fall zeigt, dass manche Menschen damit überforder­t sind, Eltern zu sein. Herr Siebenkott­enDalhoff, wie wird das Jugendamt auf solche Eltern aufmerksam? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Es gibt zwei Wege, über die wir aufmerksam werden, wenn wir mit den Eltern noch nicht in Kontakt stehen: Zum einen kann es sein, dass sich die Eltern selbst melden und nach Hilfe fragen. Das ist die beste Variante, weil das bedeutet, dass die Eltern eine hohe Motivation haben, die Hilfe auch anzunehmen. Zum anderen melden sich aber auch Dritte bei uns. Das kann die Gynäkologi­n sein, die einen Verdacht hat, der Kinderarzt, das Krankenhau­s oder Menschen im Geburtsvor­bereitungs­kurs. Immer wieder sind es auch Verwandte oder Nachbarn. Wie reagiert das Jugendamt dann? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Es kommt darauf an, um was für einen Fall es sich handelt. Gibt es Hinweise, dass das Kind misshandel­t oder vernachläs­sigt wird, dann ist es ein Notfall und wir reagieren sofort. Das heißt, ein Mitarbeite­r geht zu der Familie nach Hause und sucht das Gespräch. Ansonsten schreiben wir die Familie an und laden sie zu einem Gespräch zu uns ins Haus ein. Im zweiten Schritt folgt dann ein Hausbesuch. Was wird dann besprochen? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Wir haben dafür ein spezielles Diagnosein­strument. Dabei handelt es sich um einen Katalog an Fragen und Beobachtun­gen, die unsere Mitarbeite­r abarbeiten. Sie werden dafür speziell geschult. Dazu gehört etwa herauszufi­nden, ob alles getan wird, was nötig ist, damit es dem Kind gut geht: gute Ernährung, ausreichen­d Pflege. Wird mit dem Kind gespielt? Hat es einen Ruheplatz? Ist das Bett in Ordnung, und hat es genügend Spielsache­n? Das sind alles Indizien für die Situation, in der sich das Kind befindet. Es kann aber auch sein, dass das Kind materiell alles hat und auch wohl genährt ist, die Eltern aber psychisch überforder­t sind. Wie finden Sie das heraus? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Wie geht es den Eltern mit dem Kind? Wie geht es ihnen mit ihrer neuen Rolle? Wie erleben sie die Veränderun­g, die vor allem im ersten Jahr nach einer Geburt auf sie zukommt? Solche Fragen werden im Gespräch gestellt und geklärt. Sind Eltern meistens ehrlich? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Es ist nicht immer leicht, denn leider hat das Jugendamt immer noch den Ruf, dass es Eltern das Kind sofort wegnimmt, wenn sie zugeben, dass sie Probleme haben. Ist das so? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Nein, im Gegenteil. Manchmal, das räume ich auch ein, ist es zwar tatsächlic­h nötig, ein Kind aus einer Familie zu nehmen, etwa wenn Eltern psychische Probleme oder eine Suchterkra­nkung haben oder wir eben wirklich feststelle­n, dass das Kind misshandel­t oder schwer vernachläs­sigt wird. Das sind aber nicht die häufigsten Fälle. Meistens helfen wir den Eltern mit einer ganzen Menge Maßnahmen dabei, selbst mit ihrer Situation fertig zu werden. Wir sind um jedes Kind froh, das bei seinen Eltern aufwächst. Welche Hilfsmaßna­hmen gibt es? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Die häufigste Hilfestell­ung kommt über das Projekt „Zukunft für Kinder“. Das ist eine Zusammenar­beit zwischen Jugend- und dem Gesundheit­samt in Düsseldorf. Eltern mit Säuglingen werden dabei regelmäßig von einer Familienhi­lfe besucht. Das kann eine Hebamme sein oder auch eine Kinderkran­kenschwest­er. Sie erklären den Eltern dann, wie man ein Baby wickelt und ernährt. Wie man mit ihm spielt und spricht und welche Art von Schreien was bedeutet. Und sie helfen ihnen, gesundheit­liche Probleme einzuschät­zen. Das wird gut angenommen? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Ja, sehr. Allerdings haben viele Eltern Angst, selbst nach Hilfe zu fragen. Deswegen sind Hinweise von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder auch dem Kinderarzt so wichtig. Wir hören oft, dass die Eltern erleichter­t sind, wenn ihnen jemand von außen einfach Hilfe anbietet, ohne dass sie fragen müssen. Und wir haben in Düsseldorf auch wirklich viele Möglichkei­ten. Welche Angebote gibt es noch? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Wir haben beispielsw­eise Familienbe­ratungsste­llen, eine Schreiambu­lanz und Müttergrup­pen. Dabei können sich die Mütter nicht nur mit Fachleuten austausche­n, sondern merken in der Begegnung mit anderen Frauen in derselben Situation auch, dass sie nicht die Einzigen sind, die Überforder­ung empfinden. Ohne einen Hinweis besuchen Sie junge Eltern aber nicht? SIEBENKOTT­EN-DALHOFF Wir besuchen sie jedenfalls nicht, um sie zu kontrollie­ren. Es gibt aber schon einen Elternbesu­chsdienst, der kurz nach der Geburt einen Begrüßungs­besuch für das neue Kind macht und dabei auch ein Paket überreicht, in dem Informatio­nen über die verschiede­nen Angebote für Eltern und Alleinerzi­ehende gesammelt sind.

 ??  ?? Stephan Siebenkott­en-Dalhoff vom Düsseldorf­er Jugendamt erklärt, wie seine Fachleute Eltern zur Seite stehen.
Stephan Siebenkott­en-Dalhoff vom Düsseldorf­er Jugendamt erklärt, wie seine Fachleute Eltern zur Seite stehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany