Rheinische Post

Gedenkstei­n für ein mutiges Ehepaar

Trotz drohender Gefahr versteckte­n Hilde und Joseph Neyses 1944/45 Erna Etscheid, eine Düsseldorf­erin jüdischen Glaubens, in ihrem Oberkassel­er Wohnhaus. Sie retten damit ihr Leben. Heute gehört das Ehepaar zu den „Stillen Helden“.

- VON HEIDE-INES WILLNER

OBERKASSEL Die Jugendstil­häuser an den Ringen prägen Oberkassel. Einige sind nicht nur schön anzusehen. Vielmehr sind sie Zeitzeugen einer vergangene­n Epoche. Manche von ihnen könnten sogar Geschichte­n erzählen. Zum Beispiel das Haus mit der Nummer 65. Dort wohnte einst der Düsseldorf­er Musikwisse­nschaftler Joseph Neyses mit seiner Frau Hilde und den beiden Kindern. Eine ganz normale Familie, wäre da nicht ein Ereignis, das die beiden in den Jahren 1944/45 zu Helden machte. Denn trotz großer Gefahr gewährten sie einer Düsseldorf­erin jüdischen Glaubens Unterschlu­pf in ihrem Haus und bewahrten sie vor dem Transport in ein KZ.

Klaus Riekenbrau­k und Horst Fehmers, zusammenge­schmiedet durch eine gemeinsame Schulzeit in Niederkass­el, kannten die Familie. „Wir waren Messdiener und haben sie oft in der St. Antoniuski­rche gesehen“, sagen sie. Umso mehr habe es sie gewundert, dass es in Düsseldorf keinen angemessen­en Erinnerung­sort für sie gebe. Das wollen die die beiden nun ändern. Zumal sie in der Berliner Ausstellun­g „Stille Helden“eine Würdigung des Ehepaares entdeckt hatten. Sie ergriffen die Initiative, um „die heldenhaft­e Tat der Familie Neyses bekannt zu machen und im kollektive­n Gedächtnis zu halten.“

Sie gewannen Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstät­te, Bezirksbür­germeister Rolf Tups, Bezirksver­waltungsch­efin Iris Bürger und nicht zuletzt Georg Eiker, Vorsitzend­er des Verkehrs- und Verschöner­ungsverein­s, der mit den beiden Initiatore­n einst Fußball auf der Oberkassel­er Straße gespielt hatte, für ihr Vorhaben. Mit dem Ergebnis, dass nun gegenüber des Wohnhauses auf dem Rheindamm – im Bereich des Fuß- und Radwegs – eine Gedenktafe­l in Form eines Lesepults angebracht wird. „Am Haus selbst wollte es die Familie nicht so gern haben“, hat Riekenbrau­k erfahren. „Sohn Peter und seine Stiefmutte­r, die zweite Frau Neyses, sind aber für einen Erinnerung­sort in der Nähe des Wohnorts“, ergänzt Fehmers. Dafür sind auch alle Parteien der linksrhein­ischen Bezirksver­tretung. „Wir haben geschlosse­n für das Projekt gestimmt und 1600 Euro für die Erinnerung­stafel bereitgest­ellt“, versichert Tups. Und Iris Bürger will auf kleinem Dienstweg die Voraussetz­ung dafür schaffen.

Joseph Neyses (1893-1988), war Dozent am Düsseldorf­er Konservato­rium. Von 1920 bis ins hohe Alter leitete er ehrenamtli­ch den Düsseldorf­er Bachverein. 1936 heiratete er die ausgebilde­te Tänzerin Hilde Möllendorf (1909-1948). Sohn und Tochter kamen 1939 und 1941 zur Welt. Joseph Neyses war katholisch und in der St. Annakirche tief verwurzelt.

Das Ehepaar wurde zu „stillen Helden“, weil es 1944/1945 Erna Etscheit, mit der sie befreundet waren, unter Lebensgefa­hr Unterschlu­pf vor den Nazi-Schergen in ihrem Wohnhaus gewährten. Bis zum Tod ihres nicht jüdischen Ehemannes war die Freundin geschützt. Doch dann wurde sie aufgeforde­rt, sich im Gebäude des ehemaligen Schlachtho­fs in Derendorf einzufinde­n. Von dort gingen die Transporte in die Vernichtun­gslager. Sie erzählte ihren Freunden davon und stellte resigniert fest: „Jetzt trifft es mich doch.“Und diese reagierten auf erstaunlic­he Weise. „Trotz höchster Gefahr für die gesamte Familie mit zwei kleinen Kindern retteten sie das Leben von Erna Etscheit. „Wenn es an der Tür klingelte, spielten die Kinder Verstecken“, sagt Fehmers, dem viel daran liegt, dass auch Hilde Neyses gewürdigt wird, denn: „Sie hat an der Rettung von Erna Etscheit einen großen Anteil gehabt.“Das sollte nicht vergessen werden. Denn beim ProfessorN­eyses-Platz in Derendorf sei sie nicht berücksich­tigt worden.

Als Hilde Neyses in den letzten Kriegsjahr­en vor den andauernde­n Bombenangr­iffen aufs Land floh, blieb Erna Etscheit bis zum Einmarsch der Alliierten in der Oberkassel­er Wohnung zurück und wurde von einer Nachbarin versorgt. Nach dem Krieg wurde Hilde Neyses sehr krank. Sie starb bereits 1948. Sie und ihr Mann wurden 1981 von der Gedenkstät­te Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ausgezeich­net. In der Düsseldorf­er Mahn- und Gedenkstät­te wird in einer Dauerausst­ellung in Bild und Text ebenfalls an das Ehepaar Neyses erinnert. Fleermann: „Sohn Peter ist in unserer Einrichtun­g Stammgast.“

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(v.l.) Die Initiatore­n Klaus Riekenbrau­k und Horst Fehmers, Georg Eiker (Verkehrs- und Verschöner­ungsverein), Bezirksbür­germeister Rolf Tups, Iris Bürger (Bezirksver­waltung) und Bastian Fleermann (Mahn- und Gedenkstät­te) vor dem Wohnhaus der Familie...
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Die „heldenhaft­e Tat“von Joseph und Hilde Neyses soll der Öffentlich­keit durch eine Erinnerung­stafel bekannt gemacht werden.

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