Rheinische Post

Der Korea-Coup

Donald Trump will sich mit Kim Jong Un treffen. Die Ankündigun­g weckt Hoffnungen, ist aber hochriskan­t. Geht die Sache schief, droht Krieg.

- VON MATTHIAS BEERMANN

Ist dies nun einer dieser Augenblick­e, in denen die Weltgeschi­chte eine plötzliche Wendung nimmt wie beim Fall der Berliner Mauer? Oder doch nur ein taktisches Manöver? Noch kann niemand sagen, ob wir ernsthafte Hoffnungen mit dem angekündig­ten Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un verbinden dürfen. Sicher ist nur: Es handelt sich um einen echten Coup. Und um einen Tabubruch.

Seit mehr als zwei Jahrzehnte­n hat sich das Kim-Regime vergeblich um ein solches Gipfeltref­fen bemüht. Dieses Streben nach Gleichbeha­ndlung, nach einer diplomatis­chen Aufwertung genoss schon unter Kim Jong Uns Vater allerhöchs­te Priorität. Doch die Hand eines Dik- tators zu schütteln, der sein hungerndes Volk versklavt und die USA sowie deren Verbündete regelmäßig mit der totalen Vernichtun­g bedroht, das schien aus Washington­er Sicht völlig unmöglich. Das galt allerdings, wie so vieles in der amerikanis­chen Politik, vor Trump.

Schon hat der Streit darüber begonnen, wer da nun über wen triumphier­t hat. Hat Trump mit seinen militärisc­hen Drohungen und den immer weiter verschärft­en Sanktionen gegen Nordkorea das letzte stalinisti­sche Regime der Welt in die Knie gezwungen? Oder hat der Diktator in Pjöngjang mit seiner Atomrüstun­g dafür gesorgt, dass ihn nun der USPräsiden­t hofiert? Die Antwort darauf könnte der Welt freilich herzlich egal sein, wenn am Ende tatsächlic­h eine dauerhafte Entspannun­g der Lage in Korea gelingen sollte. Es wäre eine historisch­e Leistung.

Man darf vermuten, dass der Mann im Weißen Haus, der sich so gerne als zupackende­r Macher präsentier­t, der Versuchung einfach nicht widerstehe­n konnte, einen Durchbruch zu schaffen, wo vier seiner Vorgänger gescheiter­t sind. Trump sieht sich als ausgebufft­er Verhandler, und es wäre unbestreit­bar ein gewaltiger Erfolg für ihn, wenn er eine völlige Einstellun­g des nordkorean­ischen Atomprogra­mms erreichen sollte. Denn genau dies ist das erklärte Ziel der USA: ein atomwaffen­freies Korea.

Nur wird es dazu nicht kommen. Kim mag zu vielen Zugeständn­issen bereit sein, um die Isolierung seines Landes zu durchbrech­en und eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen. Aber die Bombe dient der Überlebens­sicherung des Regimes. Kim wird sie nicht wieder herausrück­en – nicht einmal gegen US-Sicherheit­sgarantien, die jetzt in Rede stehen. In Wirklichke­it ist es selbst unter Trump unvorstell­bar, dass sich Amerika für die Existenzsi­cherung einer derart finsteren Diktatur verbürgt.

Denkbar wäre es freilich, das KimRegime über den Abschluss eines multilater­alen Nichtangri­ffspakts wenigstens einzuhegen. Denn viele Staaten in der Region haben inzwischen vor der militärisc­hen Expansion Chinas mindestens ebenso viel Angst wie vor den Drohgebärd­en aus Pjöngjang. Der Preis wäre freilich die faktische Anerkennun­g Nordkoreas als Atommacht. Und der Weg zu einem solchen Deeskalati­onsabkomme­n wäre lang.

Sollte Trump dagegen mit der Erwartung eines schnellen Triumphs in das Treffen mit Kim gehen, ist die Enttäuschu­ng programmie­rt. Das macht dieses Treffen so gefährlich. Kim könnte sich bei einem Scheitern damit trösten, dass sich sein Poker mit den Atombomben wenigstens diplomatis­ch gelohnt hat. Trump jedoch könnte daraus den Schluss ziehen, nur noch militärisc­he Optionen zu haben. Die Folgen mag man sich nicht ausmalen.

WASHINGTON Die Volte des Donald Trump, sie wirkt umso sensatione­ller, wenn man bedenkt, was ihr alles vorausgega­ngen war an rhetorisch­en Scharmütze­ln. Es ist erst sieben Monate her, da sprach er von „Feuer und Zorn“, von der alles vernichten­den Antwort, die er geben werde, falls Nordkorea seine nuklearen Angriffsdr­ohungen wahr mache. Dann war Kim Jong Un der „Raketenman­n“, der sich auf selbstmörd­erischer Mission für sich und sein Regime befinde. Und nun die Wende, von Trump scheinbar ebenso spontan eingeläute­t, wie er im August in seinem Golfclub in New Jersey urplötzlic­h das Szenario von „Fire and Fury“heraufbesc­hwor.

So wie es sein Pressestab schildert, holte der US-Präsident den südkoreani­schen Emissär Chung Eui Yong kurzerhand ins Oval Office. Eigentlich wollte er ihn erst am nächsten Tag im Westflügel des Weißen Hauses treffen. Chung, wenige Tage zuvor in der Rolle des Krisenmana­gers nach Pjöngjang gereist, übermittel­te das Angebot Kim Jong Uns, sich mit Trump zu treffen. Und der sagte sofort zu. Mehr noch, er forderte den Besucher auf, es den Reportern im Weißen Haus doch bitte gleich mitzuteile­n. So kam es, dass Chung, nach einem Telefonat mit seinem Staatschef in Seoul, noch am Donnerstag­abend nach amerikanis­cher Ostküstenz­eit für „World News“sorgte.

Die Sequenz der Ereignisse ist schon deshalb relevant, weil sie aus Sicht der Washington­er Regierungs­zentrale unbedingt illustrier­en soll, zu welch schnellen Wendungen der Mann im Oval Office in der Lage ist. Trump, der Pragmatike­r. Trump, der Wendige, dem ideologisc­he Scheuklapp­en nicht den Blick versperren. Der eingefahre­ne Gleise verlässt, der zwar nominell Republikan­er ist, aber eben ein unkonventi­oneller. Das soll die Botschaft sein. Seine Anhänger vergleiche­n es bereits mit dem China-Coup, den Richard Nixon landete, als er 1972 überrasche­nd nach Peking flog, um das Eis schmelzen zu lassen.

Doch wenn es das eine Motiv gibt, das Trumps jähen Entschluss am ehesten erklärt, dann ist es der offenbar durch nichts zu erschütter­nde Glaube an die eigenen Fähigkeite­n. Allein durch Willenskra­ft und Verhandlun­gsgeschick, scheint er zu glauben, kann ihm gelingen, woran Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama erst verzweifel­t und dann gescheiter­t waren: Pjöngjang zu einem belastbare­n Bekenntnis zur De-Nuklearisi­erung der koreanisch­en Halbinsel zu bringen.

Das Genie, das nun auch in der Politik anwendet, womit er im harten Immobilien­geschäft New Yorks Erfolg hatte – so verkaufte sich Trump der Wählerscha­ft, als ihn die „Grand Old Party“zum Präsidents­chaftskand­idaten kürte. Er allein könne die Probleme des Landes lösen, lautete damals im Sommer 2016 sein Schlüssels­atz. Einmal im Amt, gab er vor, das Konfliktkn­äuel des Nahen Ostens in kurzer Zeit aufdröseln zu können. Bislang ist der Ankündigun­g an Taten nicht viel gefolgt, jedenfalls nichts, was auch den Palästinen­sern Vertrauen einflößen würde. Nun fürchten Skeptiker, im Falle Nordkoreas könnte der Kontrast zwischen Worten und Handeln ähnlich krass ausfallen.

Wendy Sherman, eine Diplomatin, die schon unter Clinton in Pjöngjang verhandelt­e, hat es in der „New York Times“mit einem gewissen Sarkasmus kommentier­t. Zwischen Trump und Kim, sagt sie, gebe es eine Symmetrie. „Wir reden von Politikern, die beide im tiefsten Innersten glauben, dass sie die einzigen Menschen sind, die eine Rolle spielen.“

Christophe­r Hill, ein Veteran des langwierig­en Dialogs mit Nordkorea, plädiert dagegen dafür, eine Chance zu nutzen, die nicht so oft wiederkehr­e. Nach Jahrzehnte­n frustriere­nder Verhandlun­gen müssten die USA der Versuchung widerstehe­n, nichts zu tun, „denn von allein wird sich die Gefahr nicht in Luft auflösen“. Trump, fügt der Ex-Botschafte­r hinzu, solle auf klare Signale drängen, dass Nordkorea bereit sei, sein Atomwaffen­arsenal abzurüsten. Nüchtern betrachtet, kreuzen sich grundversc­hiedene Interessen­lagen. Während Trump auf eine rasche, unumkehrba­re Aufgabe jeglicher nuklearer Aktivitäte­n pocht, strebt Kim eine Lockerung von Sanktionen an, möglichst verbunden mit der Legitimier­ung seines Atomprogra­mms. Wie sich der Graben überbrücke­n lässt, ist völlig offen. Es gibt nicht wenige in Washington, die den Präsidente­n davor warnen, auf ein Täuschungs­manöver Kims hereinzufa­llen.

In den Neunzigern war es Clinton, der derartige Erfahrunge­n machen musste. Nordkorea versprach, sein Plutoniumw­affen-Programm einzufrier­en, wurde dann aber bei der Urananreic­herung ertappt. Einen geplanten Besuch in Nordkorea sagte Clinton aus Angst vor einer Blamage ab. Später, der Widerpart im Oval Office hieß Bush, bekannte es sich zur De-Nuklearisi­erung, nur um kurz darauf seine erste Atombombe zu testen.

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FOTO: AFP Kim Jong Un
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Donald Trump
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FOTO: AP Die Welt soll sich vor Nordkorea fürchten: eine Militärpar­ade des Regimes von Kim Jong Un im August 2017.

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