Das Problem ist die Gesellschaft
Im Fußball werden vor allem die Krieger gefeiert. Typen, die dafür bewundert werden, dass sie sich trotz klaffender Platzwunde, mit einem Turban um den Kopf, furchtlos in den Luftkampf schmeißen. Es ist wenig Platz für Zwischentöne. Ein Querdenker wie der ehemalige Gladbacher Thomas Broich wurde, ob seiner Affinität für klassische Musik und Bücher, als Mozart verspottet. Man hat sich schon ganz oft versprochen, künftig mehr aufeinander Acht zu geben. Die Vereine, Die Fans. Die Medien. Und was ist seit Robert Enke wirklich passiert? Nicht viel!
In Wahrheit geht es nicht um die Frage, wie hoch der Druck im Fußball ist. Es geht um den Leistungsgedanken im Allgemeinen. Wie wird mit Schwäche umgegangen? Wenn sich jemand einen Fuß gebrochen hat, dann bekommt er einen Gips und viele Unterschriften mit Genesungswünschen darauf. Doch was passiert, wenn die Seele schmerzt?
Wir alle stehen auf unterschiedliche Weise unter Druck. Die alleinerziehende Mutter, die Job und Kinder unter einen Hut bekommen muss, der Top-Manager, der nur an Quartalszahlen gemessen wird, der Busfahrer, den ständige Verspätungen durch dichten Verkehr mürbe machen. Es geht dabei nur bedingt um die Bezahlung. Sicherlich bekommt man als Fußballer ein üppiges Gehalt. Doch die Höhe des Einkommens ist nicht dafür entscheidend, ob und wie man Druck empfindet.
Der Aufschrei, der rund um das Mertesacker-Interview durch die Republik geht, zeigt vor allem, wie dringend es eine Debatte über die sogenannte Leistungsgesellschaft geben müsste. Sie wird es aber nicht geben. Weil es in dieser Frage keinen Konsens geben kann. Weil jeder eben auf sehr unterschiedliche Weise Belastung wahrnimmt. Und Gewinner Gewinner bleiben wollen. Und Verlierer werden ausgepfiffen oder bedroht, wie erst am vergangenen Wochenende in Hamburg. Nicht der Fußball ist das Problem, sondern die Gesellschaft.