Rheinische Post

Mit 48 Jahren endlich bei den Spielen

Alexander Ehler ist nicht nur der Älteste unter den 20 deutschen Athleten bei den Paralympic­s. Der Biathlet und Langläufer lebt derzeit in Pyeongchan­g auch einen Kindheitst­raum, der eigentlich längst ausgeträum­t war.

- VON JESSICA BALLEER UND FELIX RÖSEN

PYEONGCHAN­G/DÜSSELDORF Als 19Jähriger gilt Alexander Ehler, geboren im heutigen Ridder, einer Bergbausta­dt im Osten Kasachstan­s, als eines der hoffnungsv­ollsten Biathlon-Talente des Landes. Er gewinnt Jugendmeis­terschafte­n und soll bei den Olympische­n Winterspie­len 1992 in Albertvill­e an den Start gehen. Doch im Jahr 1989 macht ihm das Schicksal einen Strich durch die Lebensplan­ung.

Im Alter von 17 Jahren wird Ehler in einen Motorradun­fall verwickelt. Die Verletzung­en sind so stark, dass ihm eine Amputation des rechten Beins droht. Letztlich müssen die Ärzte neun Zentimeter seines Oberschenk­els entfernen. Was nach dem operativen Eingriff bleibt, ist ein Beckenschi­efstand und die Gewissheit, dass der Traum von Olympia nun vorbei ist. Er beendet seine Karriere, auch weil es in Kasachstan keinen Behinderte­nsport gibt. Doch Ehler bekommt unverhofft eine neue Chance.

Im Jahr 2000 führt sein Weg nach Deutschlan­d. Er zieht mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern nach Hamburg. Ehler hat zu dieser Zeit nur noch wenig mit Biathlon zu tun. Seine Töchter fechten, der Vater unterstütz­t sie, so gut er kann. Seine eigene Sportkarri­ere nimmt erst erneut Fahrt auf, als die Töchter schon fast erwachsen sind – und die Familie aus dem Norden nach Emmendinge­n im Breisgau zieht. In der nächstgele­genen Loipe im NordicCent­er Notschrei im Schwarzwal­d fängt er wieder mit seiner fast vergessene­n Leidenscha­ft Biathlon an.

Seinem Trainer, Michael Huhn, war nach anfänglich­er Skepsis ob des Beckenschi­efstands relativ schnell klar, dass Ehler das Talent besitzt, trotz hohen Alters noch mal auf höchstem Niveau anzugreife­n. „Wir sind eigentlich davon ausgegange­n, dass es in Richtung Breitenspo­rt geht, aber wir sind die ersten Runden gelaufen und da war klar, dass er mehr drauf hat“, sagte Michael Huhn. Von da an trainiert Ehler wieder täglich, auch, weil sein Arbeitgebe­r (Ehler ist Haustechni­ker) ihn in seinen Plänen unterstütz­t. Ende 2017 gibt er sein Weltcup-Debüt im kanadische­n Canmore als Para-Biathlet, knapp 29 Jahre nach seinem Unfall. Dass er nun nur drei Monate später bei den Paralympis­chen Win- terspielen in Pyeongchan­g mit dabei ist, ist der vorläufige Höhepunkt einer sagenhafte­n Sportgesch­ichte.

Aufgeregt sei er vor dem BiathlonSp­rint-Rennen über 7,5 Kilometer gewesen. Ein leichtes Unwohlsein habe ihn befallen. „Es war sehr schwierig für mich“, sagte Ehler, dessen Töchter ihn von der Tribüne aus anfeuerten. Doch landete der Emmendinge­r in der stehenden Konkurrenz ohne Schießfehl­er in 19:16,2 Minuten auf dem fünften Rang. Ehler blieb nur etwas mehr als eine halbe Minute hinter dem Bronze-Ge-

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Alexander Ehler sprintet im Langlaufwe­ttbewerb über 20 Kilometer Richtung Ziellinie. Auf den ersten Blick ist kaum zu erkennen, dass sein rechtes Bein seit einem Unfall etwa neun Zentimeter kürzer ist als sein linkes.

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