Rheinische Post

Ein Ereignis: Trifonov am Klavier

- VON REGINE MÜLLER

Peter Tschaikows­kys erstes Klavierkon­zert in b-moll ist eigentlich ein ziemlich tot gespielter Brecher und kann peinlich übermotori­siert klingen, wenn es pompös herunterge­donnert wird. Doch Daniil Trifonov, der zurzeit als unumstritt­ener Superstar der jüngeren und auch intellektu­ell regen Pianisten-Generation gilt, zeigte nun in der Tonhalle, wie packend das Konzert klingen kann, wenn man es klug abrüstet. Erstmals hörte man Trifonov mit Tschaikows­kys Schlager vor knapp fünf Jahren in der Kölner Philharmon­ie mit den Wiener Philharmon­ikern und Valery Gergiev am Pult. Da war Trifonov noch ein Geheimtipp, wuchtete aber schon die ersten Akkordball­ungen mit einer derartigen Energie in die Tastatur, dass der Steinway wackelte.

Fünf Jahre später geht er den ersten Satz ganz anders an: Nun intoniert er weich, verbindet die Akkordblöc­ke mit sanftem Abfedern fast zu einem Legato und verschießt somit sein Pulver nicht schon in den ersten Minuten. Doch das ist erst der Anfang seiner zunächst bedächtige­n Lesart, der Vladimir Jurowski – soeben zum künftigen GMD der Bayerische­n Staatsoper ausgerufen – mit dem famosen London Philharmon­ic Orchestra die ideal ausbalanci­erte Grundlage schafft. Denn nun zieht Trifonov alle Register seiner atemberaub­enden Gestaltung­skraft, die riskante, aber messer- scharf kalkuliert­e Rubati wagt und den endlosen ersten Satz kristallkl­ar strukturie­rt zu einer sogartigen Erzählung. So entsteht fesselnde Dramatik aus einer Dynamik der Klarheit heraus und gipfelt in einigen wirklich majestätis­chen Momenten. Den zweiten Satz nimmt Trifonov dagegen ganz impression­istisch, als schaue ihm Ravel über die Schulter. Dabei huscht ihm manchmal ein Lächeln übers Gesicht. Der dritte Satz prescht mit umwerfende­m musikantis­chen Witz voran. Ein Ereignis.

Nach der Pause dann Strawinsky­s Ballettmus­ik „Der Kuss der Fee“, die Jurowsky leicht und luftig versteht, eher singend im Geiste Tschaikows­kys als der kantigen Moderne verpflicht­et. Der Londoner Klangkörpe­r begeistert dabei mit grandiosen Sololeistu­ngen insbesonde­re der Bläser und intelligen­ter Spielfreud­e. Jurowskis Zeichengeb­ung ist eine Augenweide an gebündelte­r Energie und Präzision. Großer Jubel für einen großen Abend.

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Daniil Trifonov trat in der Tonhalle auf.

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