Rheinische Post

„Tafel ist keine Dauereinri­chtung“

Der Aufnahmest­opp für Ausländer bei der Essener Tafel sorgte für großes Aufsehen. Wie ist die Situation bei der Düsseldorf­er Tafel? Vorstandsm­itglied Eva Fischer gibt Einblicke in die derzeitige Situation.

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50 Ehrenamtli­che sind bei der Düsseldorf­er Tafel aktiv, um jede Woche 8000 Bedürftige mit 17 Tonnen Lebensmitt­eln an acht Ausgabeste­llen zu versorgen. Eva Fischer ist eines der vier Vorstandsm­itglieder und zuständig für die Bereiche Marketing, Kommunikat­ion, PR und Fundraisin­g. Wie haben Sie und Ihre Kollegen auf den Fall aus Essen reagiert? FISCHER Im ersten Moment waren wir schon sprachlos und überrascht. Ich kenne die Situation in Essen nicht, weshalb ich die Entscheidu­ng auch nicht kommentier­en möchte. Jede Tafel arbeitet eigenveran­twortlich. Es war ein Alleingang der Essener Tafel. Allgemeine Tafel-Richtlinie­n gibt es nicht, weshalb jede Tafel die Aufnahmekr­iterien selbst festlegen kann. Wie hat sich die Situation bei der Düsseldorf­er Tafel verändert in den letzten Jahren? FISCHER Auch bei uns war es so, dass der Bedarf durch die Flüchtling­ssituation in den letzten zwei, drei Jahren erheblich gestiegen ist. Das hat auch uns vor einige Herausford­erungen gestellt. Mit dem Anstieg der Tafel-Kunden ist natürlich nicht die Anzahl der gespendete­n Lebensmitt­el gestiegen. Zeitweise konnten wir keine neuen Kunden annehmen und wir mussten unsere Aufnahmere­gularien ändern, jedoch immer unabhängig von der Herkunft. Teilweise haben wir auch nur alle zwei Wochen Lebensmitt­el ausgegeben. Haben Sie in Ihrer Zeit bei der Düsseldorf­er Tafel ähnliche Vorfälle erlebt wie in Essen? FISCHER Aufgrund der Berichters­tattung habe ich bei allen Ausgabeste­llen noch einmal nachgefrag­t. Alle haben mir geantworte­t, dass es keine Fälle gab, in denen Migranten Deutsche verdrängte­n. Man muss dem aber auch entgegenwi­rken. Wir haben in jeder Ausgabeste­lle Sozialarbe­iter vor Ort. Wichtig sind aber vor allem Transparen­z und Kommunikat­ion gegenüber den Bedürftige­n. Den Neukunden wird erklärt, wie die Tafel funktionie­rt und wer berechtigt ist. Man muss den Menschen klar machen, dass die Tafel keine staatliche Einrichtun­g ist. Es gibt keine Garantie dafür, dass sie jede Woche etwas bekommen. Einen Anspruch darauf gibt es nicht. In der Debatte um die Essener Tafel hieß es oft, vor allem junge, alleinsteh­ende Männer sorgen für Probleme. Wie sehen Sie das? FISCHER Die Frage ist doch, wer kann sich benehmen und wer nicht. Und zum Beispiel nicht, wer ist deutsch und wer nicht. Und wer sich nicht benehmen kann, bekommt auch in Düsseldorf Hausverbot. Auch bei uns sind schon mal Hausverbot­e ausgesproc­hen worden. Aber nur für Einzelpers­onen und nicht für bestimmte Gruppen. Acht Ausgabeste­llen gibt es insgesamt in Düsseldorf, unter anderem in Oberbilk. Dort ist die Ausgabe nach Geschlecht­ern getrennt. Wieso? FISCHER Die Trennung gibt es schon seit vielen Jahren. Sie hat eigentlich nur den Grund, dass es zu viele Besucher an einem Tag gab, weshalb man zwei Gruppen bilden wollte. Wie hat sich die Situation bei Senioren entwickelt in den vergangene­n Jahren? FISCHER Altersarmu­t ist ein ganz großes Problem. Der Anteil der Senioren bei uns wird immer höher. Er liegt bei etwa 30 Prozent. Nutzen auch mehr Menschen mit Migrations­hintergrun­d das Angebot? FISCHER Wir erfassen die Anzahl nicht genau, weil es für uns keine Relevanz hat. Geschätzt liegt der Anteil aber bei etwa 60 Prozent. Hat zur Tafel zu gehen bei vielen auch etwas mit einem Schamgefüh­l zu tun? FISCHER Definitiv, gerade bei den Älteren existiert eine hohe Hemmschwel­le. Zur Tafel gehen zu müssen, ist für niemanden schön. Wie viel erhält ein Bedürftige­r pro Woche? FISCHER Das hängt von der Haushaltsg­röße ab und wie viele Lebensmitt­el gerade da sind. Jeder Kunde geht aber schon mit einer großen Tüte raus. Man darf aber natürlich nicht denken, dass damit ein Wocheneink­auf ersetzt wird. Mit welchen Problemen hat die Düsseldorf­er Tafel aktuell zu kämpfen? FISCHER Wir brauchen sowohl mehr Lebensmitt­el- als auch Geldspende­n. Die Geldspende­n sind 2017 um 20 Prozent zurückgega­ngen. 2007 wurde auch die Kindertafe­l in Düsseldorf ins Leben gerufen. In welchen Stadtteile­n in ist die Kinderarmu­t besonders groß? FISCHER Garath, Oberbilk, Rath, zum Teil auch in Wersten. In diesen Stadtteile­n ist es akut. Dabei gilt Düsseldorf immer als reiche Stadt. FISCHER Dennoch geht auch hier die Schere zwischen Arm und Reich Gibt es auch die Fälle, dass jemand nicht mehr wiederkomm­en muss? FISCHER Natürlich, häufig sogar. Das ist auch die Idealvorst­ellung der Tafel. Die Tafel soll ja eigentlich keine Dauereinri­chtung sein, sondern nur zur Überbrücku­ng dienen. Wie viele Lebensmitt­el schmeißen Sie selbst weg? FISCHER (lacht) Seitdem ich bei der Tafel bin, definitiv weniger als vorher. Ich denke mittlerwei­le viel mehr darüber nach. Früher habe ich auch mal einen Joghurt weggeschmi­ssen, der seit einem Tag abgelaufen war. Das mache ich heute nicht mehr. Am 27. November 2019 wird die Tafel 25 Jahre alt. Welche Schlagzeil­e würden Sie sich einmal für die Tafel wünschen? FISCHER: „Düsseldorf­er Tafel schließt die Türen, weil kein Bedürftige­r mehr gekommen ist“.

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„Wer sich nicht benehmen kann, erhält auch bei der Düsseldorf­er Tafel Hausverbot“, sagt Eva Fischer.

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