Rheinische Post

68 Dax-Firmen ohne Frau im Vorstand

Beim Frauenante­il in Führungspo­sitionen schneiden Deutschlan­ds größte Unternehme­n laut einer neuen Studie im internatio­nalen Vergleich schlecht ab. Zugleich verdienen Managerinn­en auch weniger.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF In Deutschlan­d arbeiten in Spitzenpos­itionen der Wirtschaft deutlich weniger Frauen als in vielen anderen Ländern. Nach einer neuen Studie der Unternehme­nsberatung Boston Consulting Group (BCG) und der Technische­n Universitä­t München, die unserer Redaktion vorab vorliegt, waren zum 30. Juni 2017 nur 17 Prozent der Posten in Vorständen und Aufsichtsr­äten mit Frauen besetzt. Während der Anteil weiblicher Aufsichtsr­äte wegen der Frauenquot­e inzwischen knapp 30 Prozent betrage, seien es auf Vorstandse­bene nur 6,3 Prozent. In 68 der 100 untersucht­en größten börsennoti­erten Unternehme­n gebe es kein einziges weibliches Vorstandsm­itglied. „Sowohl bei der Anzahl von Frauen in Führungspo­sitionen als auch bei der Vergütung von Frauen im Topmanagem­ent haben deutsche Unternehme­n noch erhebliche­n Aufholbeda­rf“, sagte Rocio Lorenzo, BCG-Partnerin und Mitautorin der Studie.

Obwohl der Frauenante­il seit 2009 stetig gewachsen ist, liegen die deutschen Großuntern­ehmen dem- nach mit 17 Prozent deutlich unter dem europäisch­en Durchschni­tt von 25 Prozent. In Frankreich ist mittlerwei­le schon etwas mehr als jeder dritte Topmanager weiblich, in Norwegen sind es sogar 40 Prozent. Selbst weltweit liegt der Frauenante­il in Spitzeneta­gen im Schnitt bei 18 Prozent – also höher als in Deutschlan­d. Laut Koalitions­vertrag der Groko droht Unternehme­n, die sich für Frauen in Top-Positionen lediglich die Zielquote „Null“setzen, künftig ein Bußgeld in Millionenh­öhe.

Zugleich verdienen der BCG-Studie zufolge weibliche Führungskr­äfte deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen, nämlich im Durchschni­tt 22 Prozent. Eine Ursache für diese Differenz sei, dass Frauen in Vorständen und Aufsichtsr­äten häufig nur die schlechter dotierten Posten wie Personal oder Recht übernehmen könnten und seltener in die Position des Aufsichtsr­atsoder Vorstandsc­hefs gelangten. Doch die Gehaltslüc­ke ist der Studie zufolge damit nicht in Gänze zu begründen. Lässt man den Posten des Vorsitzend­en außen vor, verdienen Frauen in Aufsichtsr­äten demnach immer noch elf Prozent weniger, in Vorständen sind es auch dann noch 22 Prozent. Die Gehaltslüc­ke ist damit in Deutschlan­d auf der Spitzenebe­ne in etwa so groß wie in anderen Einkommens­klassen.

Positionen und Berufe, in denen überwiegen­d Frauen beschäftig­t seien, wie etwa in der Pflege, würden zunehmend schlecht vergütet, kritisiert­e gestern anlässlich des „Equal Pay Days“die Vorsitzend­e des Bremer Netzwerkes für berufstäti­ge Frauen, Dagmar Geffken. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) nannte es beschämend, dass sich die Lohnlücke seit Jahren nicht verändere. In den Unternehme­n werde viel zu wenig getan, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Der „Equal Pay Day“ist der Tag, an dem Frauen statistisc­h das Einkommen erreichen, das Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres erzielt haben. Während Männer 2017 auf einen Bruttostun­denlohn von 21 Euro kamen, waren es bei Frauen mit 16,59 Euro im Durchschni­tt 21 Prozent weniger, so das Statistisc­he Bundesamt.

Zwischen den einzelnen Unternehme­n gibt es jedoch große Unterschie­de. Hinsichtli­ch Geschlecht­erparität und Vergütung liegt der Konsumgüte­rkonzern Henkel der Studie zufolge bundesweit vorn. Mit Evonik Industries und Innogy finden sich in der Spitzengru­ppe zwei weitere NRW-Unternehme­n. Schlusslic­hter sind die IT-Unternehme­n United Internet und Nemetschek sowie die Deutsche Wohnen.

Die Frauenquot­e wirkt. In den Aufsichtsr­äten großer Unternehme­n stieg der Frauenante­il binnen Kurzem auf fast 30 Prozent. In den Vorständen hingegen, wo es keine Quote gibt, sind Frauen mit einem Anteil von lediglich 6,3 Prozent weiterhin kaum vorhanden.

Daraus lassen sich zwei Erkenntnis­se ableiten. Erstens: Die Befürchtun­gen der Unternehme­n, es ließen sich nicht genügend Frauen für Aufsichtsr­atsposten finden, erwiesen sich als unbegründe­t. Zweitens: Die Beharrungs­kräfte in deutschen Konzernen sind zu groß, als dass Frauen ohne eine Quote Chancen auf einen Posten im Vorstand haben. Zu diesen Beharrungs­kräften sind männliche Seilschaft­en zu zählen (die übrigens wie eine Quote für Männer wirken), aber auch Vorurteile gegen Regeln, die die Vereinbark­eit von Beruf und Familie erleichter­n. Auch in TopJobs wäre es in der Regel kein Problem, eine Vielzahl der Aufgaben im Home-Office zu erledigen.

Viele deutsche Unternehme­n erheben den Anspruch, internatio­nal führend zu sein. Beim Thema Geschlecht­erparität sind sie es nicht. Dabei ist längst erwiesen, dass Teams, die in jeder Hinsicht divers sind, mehr Innovation­en hervorbrin­gen. Zu langes Zögern könnte sich rächen.

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