Rheinische Post

Franz Beckenbaue­r macht sich rar. Bei der Düsseldorf­er Weinmesse sagte er kurzfristi­g ab.

Franz Beckenbaue­r sollte gestern bei der „ProWein“aus seinem neuen Leben berichten. Doch er sagte kurzfristi­g ab.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Franz Beckenbaue­r macht neuerdings Wein. Mehr als ein Werbefoto mit der Rebschere in der Hand dokumentie­rt dieses neue Tätigkeits­feld allerdings nicht. Immerhin steht fest, dass der einstige Fußball-Kaiser gemeinsam mit Partnern im südafrikan­ischen Swaartland das Weingut Lammershoe­k betreibt. Deswegen sollte Beckenbaue­r gestern bei einer Talkshow in den Düsseldorf­er Messehalle­n bei der „ProWein“ein wenig aus seinem neuen Leben plaudern. Daraus wurde aber nichts. Nach Mitteilung der Veranstalt­er haben die Ärzte Beckenbaue­r nach einer Hüftoperat­ion verboten, ein Flugzeug zu besteigen.

Vielleicht war es ihm am Ende sogar sehr recht, nicht auf dem Podium zu erscheinen. Denn er hätte in jedem Fall damit rechnen müssen, dass ihm öffentlich ein paar Fragen zu seiner immer noch höchst undurchsic­htigen Rolle bei der Vergabe der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2006 gestellt würden. Mittlerwei­le gibt es bekanntlic­h deutliche Hinweise darauf, dass Deutschlan­d die WM nicht allein deshalb bekommen hat, weil Beckenbaue­r mit seiner bajuwarisc­hen Liebenswür­digkeit die Fifa-Wahlmänner derart beein- druckt hat. Deutschlan­d gewann die Abstimmung ganz knapp gegen Südafrika.

Der ehemalige Weltklasse-Fußballer führte das deutsche Bewerbungs-Komitee ebenso wie das Organisati­onskomitee. Und eine freundlich­e Legende erzählt davon, wie der Franz, dem in seinem Leben alles gelang, der als Spieler und Trainer Weltmeiste­r wurde, der im ZDFSportst­udio den Ball hochelegan­t von einem Weißbiergl­as in die Torwand beförderte, der eine Zeitlang den Ruf beanspruch­en durfte, trockenen Fußes über den Großhessel­oher See in München gehen zu können, das Turnier im Alleingang nach Deutschlan­d holte.

Daran sind ebenso Zweifel erlaubt wie an der Darstellun­g der Deutschen, niemand habe mit kleinen finanziell­en Gaben oder Aufträgen zur Vermarktun­g von TV-Rechten nachgeholf­en. Bis heute ist nicht geklärt, warum im Jahr 2002 von einem Konto, das Beckenbaue­r gemeinsam mit seinem damaligen Manager Robert Schwan betrieb, sechs Millionen Schweizer Franken über eine Anwaltskan­zlei an die katarische Firma Kemco flossen. Deren Inhaber war der Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam, der inzwischen wegen Korruption lebenslang gesperrt ist.

Kurz nach Beckenbaue­rs Zahlung wanderten jene inzwischen ominösen 6,7 Millionen Euro vom ehemaligen Adidas-Chef Robert LouisDreyf­us auf dem Schweizer Anwaltskon­to. Beckenbaue­r sei mit sechs Millionen Franken „ausgelöst“worden, heißt es im Freshfield­s-Bericht, der im Auftrag des DFB die Vorgänge um die Vergabe aufklären sollte.

Die beiden Zeugen Dreyfus und Schwan sind inzwischen verstorben, so hätte also Beckenbaue­r wesentlich zur Aufklärung beitragen können. Aber der Kaiser, der jahrzehnte­lang die Öffentlich­keit mit seiner Auskunftsf­reudigkeit unterhalte­n hatte, berief sich auf Erinnerung­slücken oder schwieg. Um die Geschäfte habe er sich nicht gekümmert, „der Robert Schwan hat mir alles abgenommen, vom Wechseln der Glühbirne bis hin zu wichtigen Verträgen“, beteuerte Beckenbaue­r. Die Ermittler von Freshfield­s notierten zwar, „es ist für uns kaum vorstellba­r, dass er davon nichts gewusst hat“, mehr bekamen sie aber aus dem Erfinder der fußballeri­schen Leichtigke­it nicht heraus.

Für Beckenbaue­r begannen erstaunlic­h schwere Zeiten. Die Schweizer Bundesanwa­ltschaft be- gann ein Verfahren „wegen ungetreuer Geschäftsb­esorgung“und des Verdachts der Geldwäsche. In Deutschlan­d kam ans Licht, dass Beckenbaue­r für seine Rolle im Bewerbungs- und Organisati­onskomitee durch Werbevertr­äge Millionen einnahm, obwohl er beteuert hatte, alles ehrenamtli­ch zu erledigen. Auf dem ersten Höhepunkt der Affäre kündigte sein lebenslang­er Medienpart­ner „Bild“die Zusammenar­beit. Und das einstige Glückskind Beckenbaue­r ereilten private Rückschläg­e. Vor drei Jahren starb sein Sohn Stephan nach langer Krankheit, Beckenbaue­r musste mehrere Herzoperat­ionen und besagte HüftOP über sich ergehen lassen.

Im vergangene­n Dezember erwartete ihn ein ARD-Kamerateam vor dem Restaurant „Orlando“, das Beckenbaue­rs Freund Alfons Schuhbeck in München betreibt. Beckenbaue­r grüßte freundlich und ging Fragen aus dem Weg. Ins Restaurant schlich ein gebeugter Mann mit schweren Schritten, der älter aussah als 72. Im Februar verriet er der „Bild“: „Es geht mir gut.“Viel mehr hat er der Welt nicht mitzuteile­n. Auch gestern in Düsseldorf nicht. Wie das mit der WM gelaufen ist, hat er immer noch nicht erklärt. Der Plauderer ist zum großen Schweiger geworden. Seltsam.

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Franz Beckenbaue­r (72) macht sich seit der WM-Affäre rar.

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