Rheinische Post

Die Stadt und ihre Poller

Betonsperr­en sollen die Altstadt vor Terroriste­n schützen. Einem Lieferante­n haben sie aber nur bedingt Stand gehalten – was prompt für hektischen Aktionismu­s sorgte.

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Betonsperr­en sollen die Altstadt vor Terroriste­n schützen. Einem Lieferante­n haben sie aber nur bedingt Stand gehalten.

Die Betonpolle­r in der Marktstraß­e werden jetzt mit einem Stahlpfost­en gegen Lkw-Angriffe gesichert. Wenn nicht das Thema so ernst wäre, dürfte man gar nicht mehr aufhören, über die Stadt und ihre Schutzmaßn­ahmen zu lachen. Was kommt als nächstes? Die Absicherun­g des Pfostens durch einen Zaun?

Die Posse von der Marktstraß­e zeigt, wie auch die rheinische Metropole vom Irrsinn unserer Zeit getrieben wird. Das Rheinische ist da besonders hervorzuhe­ben, weil es doch gerade nicht rheinische­r Lebensart entspricht, aus Angst vorm Tod Selbstmord zu begehen. Oder eben die eigene Freiheit aufzugeben, aus Furcht vor den Drohungen einer Minderheit, die moderne Waffen nutzt, um eine mittelalte­rliche Weltanscha­uung durchzuset­zen.

Sie haben Flugzeuge benutzt, Autobomben und Handgranat­en, haben ihre eigenen Gefolgsleu­te in die Luft gejagt und ja, sie benutzen manchmal auch Lastkraftw­agen. Seit dem ersten derartigen Anschlag in Südfrankre­ich heißen die tonnenschw­eren Betonblock­s, die Lkw stoppen sollen, „Nizza-Sperren“. Nach den Morden auf dem Berliner Breitschei­dplatz haben deutsche Städte angefangen, sie als Zeichen maximaler Sicherheit überall einzubauen, wo sich viele Menschen aufhalten und so ein potenziell­es Anschlagsz­iel darstellen.

Glauben wir wirklich, dass ein Attentäter, der in der Altstadt größtmögli­chen Schaden anrichten will, zwingend mit dem Lkw kommt? Oder dass Terroriste­n ein weltweites Fanal setzen – mit der Verwüstung einer Stadtteilk­irmes durch einen Siebeneinh­albtonner? Natürlich glauben wir das nicht. Aber wir haben uns trotzdem ein bisschen sicherer gefühlt, weil uns die Betonklötz­e signalisie­rten, dass wir auf dem Weihnachts­markt nicht durch einen Lkw getötet werden würden.

Und dann das. Ausgerechn­et, als der Bundespräs­ident im Rathaus weilte und ein Dutzend Bodyguards für seine Sicherheit abgestellt waren, durchbrach ein Lkw die Terroriste­nsperre auf der Marktstraß­e. Bloß gut, dass der Fahrer nichts anderes im Sinn hatte, als eine Lieferung in die Altstadt zu bringen. Aber da klaffte sie nun, eine offensicht­li- che Sicherheit­slücke von gut 30 Zentimeter­n, und löste Krisenstim­mung aus.

Nun also soll der Pfosten verhindern, dass ein Lkw die Poller verschiebt. Zumindest so lange, bis die Stadt Ersatz gefunden hat. Denn die Betonklötz­e sollen sowieso einer städtebaul­ich attraktive­ren Dauerlösun­g weichen. Sogar ein KöbesDenkm­al, das die Jonges aufstellen wollen, könnte Bestandtei­l eines Antiterror-Konzepts werden. Dabei hat man bislang offenbar nur über große, schwere Alternativ­en zu den Bauschuttc­ontainern nachgedach­t, die als erstes Provisoriu­m in der Altstadt standen. Nur scheinbar nicht darüber, wie sich eine große, schwere Blockade verhält, wenn ein Lkw in Schrittges­chwindigke­it dagegen fährt, von hohem Tempo ganz zu schweigen.

Machen wir uns nichts vor: Wer Böses will, wird einen Weg auch an den starrsten Hinderniss­en vorbei finden, ganz egal wie die aussehen und von wie vielen Pfosten sie gestützt werden. Wir müssen uns von der Idee 100-prozentige­r Sicherheit verabschie­den. Hektisches Nachrüsten auf den Straßen schadet unserem Sicherheit­sgefühl mehr, als es gegen potenziell­e Attentäter nutzt.

Es ist übrigens auch nicht das erste Mal, dass Düsseldorf in Sachen Straßenspe­rrung auf doppelte Ausführung setzt. Anfang der 1970er Jahre, als die Bolkerstra­ße zur Fußgängerz­one wurde, sollten im Boden versenkbar­e (ja, die gab’s da schon) Säulen die Altstadt von unerwünsch­tem Straßenver­kehr frei halten. Und wie unser Archivbild aus dem Jahr 1971 belegt, standen auch vor der automatisc­hen Pollerreih­e noch zusätzlich­e Absperrgit­ter. Was aus den Pollern geworden ist, weiß übrigens nicht einmal das Stadtarchi­v. Womöglich wurden sie unterm neuen Pflaster irgendwann für immer versenkt.

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FOTO: KLAUS MEDAU Versenkbar­e Poller sind keine neue Idee – wie dieses Bild aus dem RP-Archiv zeigt. Und schon 1971 brauchte es offenbar eine doppelte Sperre.

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