Rheinische Post

Erdogan plant den nächsten Feldzug

Nun rücken der kurdische Korridor in Syrien und der Nordirak in Ankaras Visier.

- VON GERD HÖHLER

ANKARA Nach der Eroberung der nordsyrisc­hen Stadt Afrin hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sich zu weiteren Zielen in Syrien und im Irak geäußert. „Wir werden uns nicht auf diese Operation beschränke­n, es wird Ausweitung­en geben“, kündigte Erdogan in Ankara in einer Rede vor neu ernannten Richtern und Staatsanwä­lten an. Im Rahmen des Syrien-Feldzugs, der offiziell „Operation Olivenzwei­g“heißt, habe man bisher 3622 „Terroriste­n neutralisi­ert“, sagte Erdogan. Mit der Einnahme der kurdischen Enklave Afrin im Norden Syriens nach zweimonati­ger Offensive sei ein wichtiger Teil der Operation abgeschlos­sen, so Erdogan. „Wir werden aber dieses Vorgehen fortsetzen, bis wir den Korridor über Manbidsch, Ain al Arab, Tel Abyad, Ras al Ain und Kamischli vollständi­g beseitigt haben“, kündigte der Präsident an.

Die genannten Orte liegen, bis auf Manbidsch, östlich des Euphrat, Kamischli befindet sich nahe dem Länderdrei­eck Türkei-Syrien-Irak. Ain al Arab ist der arabische Name von Kobane, wo 2014/15 eine heftige Schlacht zwischen den Milizen des IS und kurdischen Truppen tobte. Die Kurden vertrieben die Dschihadis­ten damals aus der Region.

Das von Erdogan als Korridor bezeichnet­e Gebiet, ein etwa 400 Kilometer langer Streifen entlang der türkischen Grenze, wird noch von den Kurdenmili­zen der YPG kontrollie­rt. Die YPG ist der syrische Ableger der als Terrororga­nisation verbotenen kurdischen PKK. Ziel der türkischen Militärope­ration in Syrien ist es, die YPG-Milizen aus der Grenzregio­n zu vertreiben. Damit will Ankara verhindern, dass dort eine kurdische Selbstverw­altungszon­e und später womöglich ein Kurdenstaa­t entsteht, der Autonomieb­estrebunge­n auch der türkischen Kurden anfachen könnte.

Erdogan plant aber nicht nur, die „Terroriste­n“der YPG aus Nordsyrien zu vertreiben. Er will auch militärisc­h gegen die Stützpunkt­e der PKK im Nordirak vorgehen. Die militärisc­he Führung der PKK hat ihr Hauptquart­ier in den nordirakis­chen Kandil-Bergen, einer unwegsamen Gebirgsreg­ion an der Grenze zur Türkei. Ein neuer Schwerpunk­t der PKK-Aktivitäte­n im Nordirak ist die Region Sindschar. „Wir haben der Zentralreg­ierung in Bagdad ge- sagt, dass die PKK dort ein neues Hauptquart­ier aufbaut“, sagte Erdogan. Man habe die irakische Regierung aufgeforde­rt, „die Sache zu lösen“. Wenn sie das nicht tue, werde die Türkei es selbst übernehmen. „Wir könnten plötzlich eines Nachts in Sindschar einmarschi­eren und die Region von Terroriste­n säubern“, warnte Erdogan.

Während der türkische Vizepremie­r und Regierungs­sprecher Bekir Bozdag zu Wochenbegi­nn ankündigte, die Türkei werde ihre Truppen bald aus dem syrischen Afrin zurückzieh­en und die Region „an ihre rechtmäßig­en Besitzer übergeben“, hat die Türkei im Nordirak offenbar andere Pläne. Wenn nötig, werde die Türkei die „Terrorcamp­s“der PKK im Nordirak „dauerhaft unter Kontrolle“bringen, sagte Erdogan. Dem türkischen Staatschef schwebt also offenbar eine Art Annektieru­ng von Teilen des nördlichen Irak vor.

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