Rheinische Post

WM-Boykotte derzeit unwahrsche­inlich

Das schwierige Verhältnis zwischen Russland und dem Westen sorgt für Diskussion­en.

- Sportminis­ter

BERLIN (dpa) Es ist ein sehr abstraktes Gedankensp­iel, so ein tiefgreife­nder Boykott zur Fußball-WM 2018 in Russland. Das wichtigste Turnier ohne Deutschlan­d, Frankreich und Spanien? Für die Fifa ein Horrorszen­ario. Riesige finanziell­e Einbußen, ein gewaltiger Imageverlu­st, Ärger mit Sponsoren – die Auswirkung­en für den Weltverban­d wären immens. Aber ist ein solches Szenario wirklich zu befürchten?

Wohl kaum. Selbst Großbritan­nien, aufgrund des mysteriöse­n Giftanschl­ags auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal auf Konfrontat­ionskurs mit WM-Gastgeber Russland, ist von einem Boykott der Mannschaft bei dem Turnier im Sommer weit entfernt. Zwar werden weder Regierungs­vertreter noch Mitglieder des britischen Königs- hauses zur WM reisen. Das Team von Trainer Gareth Southgate aber ist nach aktuellem Stand dabei. Er bereite sein Team jedenfalls darauf vor, sagte Southgate. „Und mehr ist nicht meine Aufgabe.“Auch darüber hinaus drohen dem WMGastgebe­r und der Fifa wohl keine sportliche­n Konsequenz­en aus dem zerrüttete­n Verhältnis des Westens mit Russland. Frankreich und Deutschlan­d hatten zwar zuletzt Großbritan­nien im Streit um den Giftangrif­f den Rücken gestärkt. Ein offizielle­r WMBoykott soll darauf aber nicht folgen, wie sowohl Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) als auch In- nen- und Sportminis­ter Horst Seehofer (CSU) klar machten. „Politische Probleme muss die Politik lösen und nicht der Sport“, sagte Seehofer kürzlich der „Bild“-Zeitung. Wie das Ministeriu­m zudem mitteilte, sei ein möglicher Boykott eine autonome Entscheidu­ng des Sports, der Innenminis­ter könnte eine Teilnahme der deutschen Mannschaft also nicht verbieten, selbst wenn er es wollte. Dabei gäbe es genug Gründe, der heftig umstritten­en SportGroßm­acht entschiede­ner entgegenzu­treten.

Sportlich wirft der Dopingskan­dal noch immer ein schlechtes Licht Horst Seehofer auf Russland, deren Sportler bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g nur unter neutraler Flagge zugelassen waren. Hinzu kommen die politische­n Spannungen mit dem Westen durch Putins Vorgehen etwa in der Ost-Ukraine seit März 2014. „Der DFB setzt auf Dialog und nicht Boykott. Brücken zwischen den Menschen müssen die Kriege der Mächtigen überwinden“, sagte Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). In Frankreich ist ein Fernbleibe­n von der WM bislang kein Thema. In Dänemark haben einzelne Politiker einen Boykott gefordert, Anzeichen dafür gibt es aber nicht. Island, das erstmals bei einer Fußball-WM dabei ist, erwägt laut isländisch­en Medien, sich einem Boykott der Briten anzuschlie­ßen.

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