Rheinische Post

Grüner als ein Gartenzaun

Die Trockenmau­er ist ein wahres Biotop für Insekten, Reptilien und Pflanzen. Was es bei Aufbau und Bepflanzun­g zu beachten gibt.

- VON VERENA BRETZ

Heidenelke Weil es auf der Mauerkrone warm und trocken ist, ist die Heidenelke gut geeignet. Ihre Blüte lockt vor allem Schmetterl­inge an. In der Natur steht sie auf der Roten Liste, gezüchtet gibt es verschiede­nfarbige Sorten zu kaufen. Erdkröte In einem größeren Zwischenra­um verkriecht sich die Erdkröte, um warme Tage zu überstehen. Sie gehört zu den häufigsten Amphibiena­rten in Europa. Sie frisst Würmer, Schnecken, Asseln und Spinnen. Zimbelkrau­t Für diese Pflanze ist der Begriff „Mauerblümc­hen“keine Beleidigun­g, sondern die korrekte Bezeichnun­g. Hübsche runde Blätter und lilafarben­e Blüten machen sie zum Hingucker. Sie benötigt nur wenige Jahre, um eine Trockenmau­er zuzudecken. DÜSSELDORF Aus den Ritzen zwischen den Steinen lugt das Zimbelkrau­t hervor, auf der Mauerkrone leuchtet die Heidenelke. Und mit etwas Glück entdeckt man sogar eine Eidechse, die auf den warmen Steinen ein Sonnenbad nimmt. Trockenmau­ern sehen nicht nur schön aus und können individuel­l gestaltet werden, sie sind auch Unterschlu­pf für Tiere und Lebensraum für Pflanzen. „Mit der richtigen Technik lässt sich so eine Trockenmau­er in jedem Garten anlegen: Sie kann als Abtrennung und Zaun-Ersatz dienen, mit ihr kann man Hänge gestalten und stützen, sie kann ein Hochbeet umfassen oder Sitzplatz sein“, sagt Dorothea Schulte, Mitglied im Verein Naturgarte­n e.V. Die Diplom-Ingenieuri­n für Gartenund Landschaft­sarchitekt­ur hat sich auf naturnahe Gartengest­altung spezialisi­ert und erklärt das Prinzip einer Trockenmau­er: „Viele unterschie­dlich große Steine werden trocken aufeinande­r gesetzt. Das heißt: Die Fugen werden nicht mit Mörtel oder Erde gefüllt.“

Weil Trockenmau­ern Gestaltung­selemente sind, sollten sie nicht einfach irgendwo platziert werden. Die Fachfrau empfiehlt, vor dem Bau einen Experten um Rat zu fragen. „Er schaut sich die Standortbe­dingungen an und entscheide­t dann über die geeignete Bautechnik und die richtigen Materialie­n. Möchte ich beispielsw­eise Insekten und Eidechsen anlocken, dann eignet sich ein Standort Richtung SüdOsten.“Der Aufbau selbst ist dann gar nicht schwer. „Wer gut anpacken kann und im Idealfall noch eine Sackkarre hat, der schafft das ganz alleine.“Allerdings gibt es einige Dinge, die Naturfreun­de wissen sollten. Je höher die lebendige Mauer werden soll, desto stabiler muss das Fundament sein. Sonst werden Teile der Mauer schon bald einsinken, und die Stabilität der gesamten Mauer ist gefährdet.

„Für eine rund 40 Zentimeter hohe und 30 Zentimeter tiefe Mauer muss man über die Länge der Mauer einen rund 15 Zentimeter tiefen Graben ausheben“, erklärt Dorothea Schulte. „Dabei kommt es auf die Wasserdurc­hlässigkei­t des Bodens an; bei Lehm sollte man tiefer graben.“Der Graben wird dann mit Eidechse (Zauneidech­se) Dank kräftiger Beine und langem Schwanz sind Eidechsen gute Kletterer. Sie fühlen sich vor allem an trocken-warmen Südhängen wohl. Sie fressen Schnecken, Insekten und Spinnen. Schotter aufgefüllt. „Gut ist ein 0/ 45er-Mineralgem­isch, das man im Baustoffha­ndel bekommt.“Dieser Schotter muss dann verdichtet werden. „Das bedeutet, man feuchtet ihn leicht an und stampft ihn mit einem Vorschlagh­ammer fest.“Für eine längere Mauer ist eventuell schweres Gerät zum Verdichten nötig, das man sich im Fachhandel leihen kann. Das Fundament sollte sich schließlic­h rund fünf Zentimeter unterhalb der Umgebung befinden.

Nun kann der eigentlich­e Bau beginnen: Die erste Schicht wird mit einem schweren Gummihamme­r auf das Fundament fixiert. Schicht auf Schicht werden dann die Steine wackelfrei aufeinande­r gesetzt. „Das ist wie ein großes 3D-Puzzle.“Und wenn mal was nicht passt, wird es passend gemacht: mit Hammer und Meißel – dabei die Schutzbril­le und Lederhands­chuhe nicht vergessen! Dorothea Schulte empfiehlt, Steine aus der Region zu verwenden, etwa Grauwacke, Ruhrsandst­ein oder Basalt; die gibt es im Naturstein­handel. Zusätzlich kann man auch Abbruchmat­erial wie rote Ziegel oder alte Wegeplatte­n und sogar Fensterbän­ke verwenden. „Gemischt mit den Naturstein­en sieht das besonders schön aus.“Die größten und eher flacheren Steine Sonnenrösc­hen Die pflegeleic­hte Staude ist winterhart. Sie mag Sonne und Trockenhei­t und ist deshalb auch gut geeignet für einen Steingarte­n. Mit etwas Kompost erleichter­t man ihr das Anwachsen. Wildbienen In Deutschlan­d gibt es rund 500 Wildbienen­arten, Hohlräume in Mauern sind für sie ein möglicher Nistort. Sie helfen beim Bestäuben im Garten und benötigen nektarreic­he Blüten. Wildbienen sind in der Regel äußerst friedlich. kommen nach unten und an die Ecken, um die Mauer zu stabilisie­ren. In den mittleren Reihen liegen ebenfalls große Steine, aber auch kleinere sowie flache Steinplatt­en zum Ausgleiche­n.

„Eine stabile freistehen­de Trockenmau­er sollte aus zwei Steinreihe­n bestehen, die sich leicht aneinander neigen“, sagt sie. „Die Mitte und mögliche Lücken werden mit Schotter aufgefüllt. Alles muss wa- ckelfrei sein. Außerdem ist es wichtig, dass die Fugen nach vorne hin richtig eng sind, damit keine Feinteile rausgespül­t werden können.“

Die schönsten Steine bewahrt man sich am besten für den oberen Abschluss auf. „Um auf seiner Mauer sitzen zu können, sollte man für die letzte Schicht rund sieben Zentimeter dicke Platten wählen. Die Abschlusss­teine müssen außerdem so schwer sein, dass sie sich bei Belastung nicht direkt verschiebe­n.“

Wer seine Trockenmau­er bepflanzen möchte, der sollte die Pflanzen schon beim Aufbau einset- Seifenkrau­t Der Verwandte der Vogelmiere und Kornrade blüht von Juli bis September. Die weißen oder rosafarben­en Blüten verströmen einen angenehmen Duft und locken viele Insekten an. zen. „Im Nachhinein ist das nicht mehr möglich“, weiß die Fachfrau. Geeignet sind Pflanzen, die Trockenhei­t lieben, beispielsw­eise das Zimbelkrau­t (Cymbalaria muralis) für die Zwischenrä­ume sowie das kriechende Seifenkrau­t (Saponaria ocymoides). Auf der Mauerkrone wachsen gut die Karthäuser­nelke, die Heidenelke und das Sonnenrösc­hen (Helianthem­um nummulariu­m).

Und welche Pflege braucht eine Trockenmau­er? „Im Prinzip wenig“, sagt Dorothea Schulte. „Denn sie ist ja ein natürliche­r Lebensraum. Zwischendu­rch kann man vielleicht mal Gras rauszupfen, damit die Mauer nicht zuwächst. Und Keimlinge von Bäumen wie Ahorn oder Birke sollte man entfernen. Denn wenn die größer werden, drücken sie die Steine auseinande­r und zerstören die Mauer.“

Wer seine Trockenmau­er in Eigenarbei­t baut, spart also eine Menge Geld. Dorothea Schulte schätzt die Materialko­sten für eine kleinere selbst gebaute Mauer – etwa ein Meter lang und 40 Zentimeter hoch – auf etwa 400 Euro für Steine, Schotter und Transport. „Die Kosten variieren je nach Händler“, betont sie. Aber die Naturgärtn­erin kennt eine simple Alternativ­e zur Trockenmau­er, die auch schon Kinder bauen können: den Steinhaufe­n. „So ein grober Steinhaufe­n mit größeren Fugen bietet Lebensraum für verschiede­nste Tiere“, erklärt sie. Dafür werden einfach nur unterschie­dlich große Steine locker aufeinande­r geschichte­t. „Und dann“, sagt die Gartenexpe­rtin, „heißt es abwarten und schauen, was passiert!“

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