Rheinische Post

Brüssel rückt Digitalkon­zernen zu Leibe

Die EU-Kommission plant, große Digitalkon­zerne wie Apple, Google oder Facebook endlich stärker zu besteuern. Der Vorschlag kommt zu einem ungünstige­n Zeitpunkt – denn er trifft vor allem Unternehme­n aus den USA.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Die EU-Kommission schlägt eine Digitalste­uer vor, über die die Mitgliedst­aaten Einnahmen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro im Jahr erzielen könnten.

Dafür peilt die Kommission für weltweit agierende Digital-Unternehme­n einen Systemwech­sel an: In der Unternehme­nsbesteuer­ung werden nach internatio­nalen Steuergese­tzen üblicherwe­ise die erzielten Gewinne eines Unternehme­ns besteuert. Da große Internetun­ternehmen, wie etwa Google, Amazon und Apple, aber in der Europäisch­en Union keine nennenswer­ten Betriebsst­ätten haben, wo Gewinne anfallen, sollen künftig nicht Gewinne, sondern Umsätze besteuert werden. Die EU-Kommission schlägt dafür einen Steuersatz von drei Prozent vor.

EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici begründet den Vorstoß so: „Unsere Steuervors­chriften stammen aus der Vor-Internet-Ära und erlauben es den Mitgliedst­aaten nicht, in Europa tätige Digitalunt­ernehmen zu besteuern.“

Die EU-Kommission will zweistufig vorgehen. Zunächst soll für den Übergang die Besteuerun­g von Umsätzen greifen. Die Steuer auf den Umsatz in Höhe von drei Prozent sollen etwa Suchmaschi­nenbetreib­er wie Google und andere bezahlen, wenn sie Werbung verkaufen. Facebook und andere Betreiber sozialer Netzwerke könnten zur Kasse gebeten werden, wenn sie etwa Daten verkaufen, die sie aus Nutzereing­aben erworben haben. Auch Vermittlun­gsplattfor­men wie Airbnb, die etwa Dienstleis­tungen ermögliche­n, sollen besteuert werden.

Die Steuereinn­ahmen würden von den Mitgliedst­aaten erhoben, in denen die Nutzer ansässig sind. Die EU-Kommission schlägt Grenzwerte vor, durch die lediglich 120 bis 150 Unternehme­n weltweit betroffen wären. Nur Digital-Unternehme­n, die weltweit jährlich mindestens 750 Millionen Euro Gewinn machen sowie 50 Millionen Euro Gewinn in der EU, sollen zahlen. So sei sichergest­ellt, dass Start-ups nicht getroffen würden. „Dies ist der einfachste Weg. Wenn wir kurzfristi­g Erfolge haben wollen, müssen wir so handeln“, so Moscovici.

Langfristi­g, und das ist die zweite Stufe des EU-Vorschlags, sollen die Körperscha­ftsteuer-Vorschrift­en in der EU reformiert werden. Dafür will die EU-Kommission die Definition für ein Unternehme­n erweitern. Künftig soll es im Unternehme­nsteuerrec­ht auch eine „digitale Präsenz“geben. Bislang werden Unternehme­n nur dann in der EU besteuert, wenn sie eine Niederlass­ung mit Büros, Mitarbeite­rn und womöglich Produktion­sstätten in Europa haben. Das soll künftig anders werden.

Dann will die EU-Kommission digitalen Plattforme­n, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, hier aber über Geschäftst­ätigkeiten im Netz eine digitale Präsenz haben, Körperscha­ftsteuer abverlange­n. Dafür müsste eines von drei Kriterien erfüllt sein: Das Unternehme­n muss im Jahr in einem Mitgliedst­aat entweder mehr als sieben Millionen Euro Gewinn erwirtscha­ften, mehr als 100.000 Nutzer haben oder mehr als 3000 Verträge mit gewerblich­en Nutzern in einem Jahr abschließe­n.

Die Vorschläge der EU-Kommission kommen zu einem ungünstige­n Zeitpunkt. Durch die von USPräsiden­t Donald Trump angedrohte­n Strafzölle auf Stahl und Aluminiumi­mporte und die Ankündigun­g von Gegenmaßna­hmen durch die EU sind die transatlan­tischen Handelsbez­iehungen ohnehin schwer belastet. Nach Auskunft der Kommission hat die Hälfte der Unternehme­n, die die Digitalste­uer zahlen müssten, ihren Sitz in den USA. Kommissar Moscovici ist bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, die Maßnahmen seien eine Reaktion auf Trumps Drohungen: „Es handelt sich weder um eine Steuer, die gegen Google und Co. gerichtet ist, noch um eine Anti-US-Steuer.“

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