Ministerin sucht digitalen Anschluss
Die neue Bundesbildungsministerin Anja Karliczek will alle Schulen mit schnellem Internet versorgen. Für die Investitionen des Bundes soll das Grundgesetz vor der Sommerpause geändert werden.
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) drückt bei der Digitalisierung der Schulen aufs Tempo. Die geplante Grundgesetzänderung, die für Investitionen des Bundes in die Schulen notwendig ist, will Karliczek in den kommenden Monaten auf den Weg bringen. „Das ist das drängendste Thema. Das muss jetzt ganz schnell geschehen. Wir sollten es noch vor der Sommerpause angehen“, sagte Karliczek unserer Redaktion.
Union und SPD wollen bis 2021 alle Schulen in Deutschland mit schnellem Internet versorgen. Die Bundesregierung will die Länder finanziell kräftig unterstützen. „Der Bund stellt für den Digitalpakt Schule fünf Milliarden Euro zur Verfügung, in dieser Wahlperiode 3,5 Milliarden, die von Bund und Ländern mit weiteren Investitionen ergänzt werden, zum Beispiel dem Breitbandförderprogramm der Bundesregierung“, sagte Karliczek. Das Geld werde auch ausreichen, die Infrastruktur der Schulen digital aufzurüsten.
Bislang gilt ein grundgesetzlich festgelegtes Kooperationsverbot in der Bildungspolitik, also eine grundsätzliche Trennung von Bund- und Länderkompetenzen. Mit der Grundgesetzänderung soll der Weg für Investitionen des Bundes freigemacht werden. Der Bund will in dieser Wahlperiode die Schulen nicht nur digital ausstatten. Geplant ist dem Koalitionsvertrag von Union und SPD zufolge auch eine „Investitionsoffensive“, durch die die laufenden Schulsanierungsprogramme sowie der Ausbau von Ganztagsschul- und Betreuungsangeboten finanziert werden sollen.
Noch hat der Bund das Geld für den Digitalpakt Schule nicht zur Verfügung. Dafür fehlt noch der Erlös aus der Auktion der Lizenzen für den 5 G-Mobilfunkstandard. „Die sollen noch in diesem Jahr versteigert werden“, betonte Karliczek.
Auch inhaltlich will der Bund die digitale Schule voranbringen. Bis 2021 sollen alle Schulen eine Bildungscloud nutzen können, also eine Lernplattform im Internet. „Es geht darum, dass wir ein großes Reservoir an digitalen Bildungsmöglichkeiten schaffen wollen“, sagte Karliczek. In der Schule sollten „Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrer auf Bildungsangebote aus der Cloud zugreifen können“.
Auch die Landesregierung misst der Digitalisierung der Schulen hohe Priorität bei. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will dem Koalitionsvertrag zufolge insbesondere auf Bundesmittel zugreifen: „Wir werden für eine bessere Mittelausstattung für moderne und digitale Schulen sorgen. Dazu nutzen wir insbesondere auch die Mittel des Bundesprogramms ,Digitalpakt D’, das wir bestmöglich umsetzen wollen“, heißt es dort.
CDU und FDP in NRW versprechen auch, die Voraussetzungen zu schaffen, um mobile digitale Endgeräte im Unterricht zu nutzen: „Wir beschleunigen die Nutzung von Tablets und eBooks und werden sicherstellen, dass Endgeräte im notwendigen Umfang zur Verfügung stehen.“Zuletzt hatte Gebauer als Übergangslösung angeregt, dass die Schüler eigene Smartphones und Tablets mitbringen sollen.
Während Politiker in Bund und Land die Schulen ans schnelle Internet anschließen möchten, sieht der Deutsche Lehrerverband als größtes Hindernis für den Einsatz digitaler Medien die mangelnde Betreuung von Netzwerken und Endgeräten in den Schulen. Üblicherweise verfügen Schulen anders als Unternehmen und Behörden über keinen eigenen IT-Service. Ein Erklärvideo aus dem Internet könne niemals die Lehrkraft ersetzen, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger.
BERLIN Wir treffen Anja Karliczek (CDU) in ihrem Ministerium – schlichtes Büro, Blick auf die Spree, nur ein Strauß frischer Blumen schmückt den Raum. Sie lacht viel und betrachtet die Bildungspolitik aus dem Blickwinkel ihrer Lebenserfahrung.
Werden Sie auch als Bildungsministerin zum Elternabend in der Schule gehen und dort Ihre Meinung sagen?
KARLICZEK Ich hoffe, dass ich das weiterhin tun kann. Das Thema Schule ist für mich privat aber bald abgeschlossen. Mein drittes Kind hat nur noch ein Schuljahr vor sich. Der Schulleiter hat jedenfalls den Wunsch, dass ich das letzte Jahr noch Schulpflegschaftsvorsitzende bleibe. Ob ich das zeitlich mit dem Ministeramt vereinbaren kann, da bin ich mir noch nicht sicher.
Das Handwerk klagt über AzubiMangel. Wie kann die Ausbildung attraktiver werden?
KARLICZEK Die engere Vernetzung von Theorie und Praxis muss einen höheren Stellenwert bekommen. Je schneller sich die Arbeitswelt wandelt, umso mehr müssen wir darauf achten, dass junge Menschen nicht nur theoretisch ausgebildet werden. Dies bietet die duale Ausbildung sehr gut. Dies bietet auch ein duales Studium. Die Spezialisierung der Arbeitswelt nimmt in allen Bereichen zu. Die Automatisierung und die Digitalisierung nehmen im Handwerk ebenso zu wie in akademischen Berufen.
Wir haben 15 Jahre Akademisierung hinter uns. Nehmen zu viele junge Leute eines Jahrgangs ein Studium auf?
KARLICZEK Die Anforderungen in der Arbeitswelt werden anspruchsvoller. Dafür brauchen wir auch eine spezialisierte und gleichzeitig umfassende Bildung. Beides können die Hochschulen sehr gut. Aber wir müssen auch die Durchlässigkeit im System erhöhen und die berufliche Ausbildung wieder stärker in den Blick nehmen.
Wie das?
KARLICZEK Die beruflichen Fortbildungen wie der Meister sind bereits im deutschen Qualifikationsrahmen gleichwertig zum BachelorStudium. Es sollte künftig auch praktisch einfacher sein, dass man nach einer beruflichen Fortbildung in einen Studiengang wechseln kann. Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen in einer dualen Ausbildung ihre Chance sehen, in einen Beruf einzusteigen und in einer nächsten Stufe theoretisches Wissen ergänzen. Mir persönlich hat das sehr geholfen. Ohne BankAusbildung hätte ich mit vielen Inhalten des BWL-Studiums nicht so viel anfangen können.
Wann wollen Sie damit starten, den Digitalpakt Schule umzusetzen?
KARLICZEK Es gibt ja schon eine erste Verständigung, wie der Digitalpakt Schule mit den Ländern organisiert werden kann. Wir brauchen nach dem Koalitionsvertrag nun erst eine Grundgesetzänderung für mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik, bevor wir die Vereinbarung abschließen können. Das ist das drängendste Thema. Das muss jetzt ganz schnell geschehen. Wir sollten es noch vor der Sommerpause angehen. In die reale Umsetzung können wir erst gehen, wenn der Fonds aus der Versteigerung der 5G-Lizenzen da ist. Die sollen noch in diesem Jahr versteigert werden.
Es wird nur noch mit einem Erlös von 3,5 Milliarden Euro gerechnet. Reicht das?
KARLICZEK Ja. Der Bund stellt für den Digitalpakt Schule fünf Milliarden Euro zur Verfügung, in dieser Wahlperiode 3,5 Milliarden, die von Bund und Ländern mit weiteren Investitionen ergänzt werden, zum Beispiel dem Breitbandförderprogramm der Bundesregierung. Das Geld wird auch ausreichen, die Infrastruktur der Schulen digital aufzurüsten. Die Digitalisierung ist ja nicht nur eine Frage des Geldes, sondern die Frage, was Bau- und ITUnternehmen leisten können.
Was macht digitale Schule aus?
KARLICZEK Dass Lehrer mit digitalen Mitteln die Begeisterung von Schülern für einzelne Fächer wecken. Mit digitalen Lernangeboten können Kinder und Jugendliche viel individueller gefördert werden und sich Wissen spielerischer aneignen. Ich lege aber weiterhin großen Wert darauf, dass Kinder ihre Handschrift lernen und trainieren und auch Rechtschreibung und Grammatik nicht dem Computer überlassen.
Geplant ist eine Bildungscloud, um Lerninhalte bundesweit zu bündeln. Wie soll das genau aussehen?
KARLICZEK Es geht darum, dass wir ein großes Reservoir an digitalen Bildungsmöglichkeiten schaffen wollen. Angefangen bei der Schule, wo Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrer auf Bildungsangebote aus der Cloud zugreifen können sollen. Die Vision ist, dass es künftig auch Angebote für die berufliche Weiterbildung gibt.
Wann soll die Bildungscloud an den Start gehen?
KARLICZEK Die Bundesländer haben teilweise schon eigene Plattformen entwickelt oder konzipiert. Es muss uns gelingen, all diese Plattformen zusammenzuführen, nur dann ergibt ein Cloud-Projekt Sinn. Dieser Prozess ist sehr aufwendig. Die Cloud ist aktuell ein Pilotprojekt, welches in einigen Schulen schon erprobt wird, und soll spätestens ab 2021 im Regelbetrieb der Schulen nutzbar sein.
Ist mit der Bildungscloud die Vereinheitlichung von Inhalten geplant?
KARLICZEK Nein, das wäre auch mit der Länderhoheit über Bildung nicht vereinbar. Trotzdem werde ich dafür kämpfen, dass wir bei der Vergleichbarkeit von Unterrichtsinhalten zwischen den Bundesländern vorankommen. Wir können unseren Kindern nicht weiter zumuten, bei einem Umzug mit den Eltern in der Schule zurückgeworfen zu werden.
Ihnen wurde vorgeworfen, Sie hätten keine Ahnung vom Hochschulbetrieb. Wie begegnen Sie dem?
KARLICZEK Das nehme ich gelassen. Es stimmt ja, ich bin keine Forscherin, und das will ich auch nicht sein. Dennoch werde ich mich für die Forschung in Deutschland und im internationalen Kontext einsetzen. Ich will Wissenschaft die nötige Freiheit geben und dabei die Finanzierung und unnötige rechtliche Hürden in den Blick nehmen. Wenn wir ein interessanter Forschungsstandort bleiben wollen, müssen wir da etwas tun.