Rheinische Post

USA verschonen Europäer bei Strafzölle­n

Der US-Präsident will vor allem die Importe aus Russland und China mit protektion­istischen Maßnahmen begrenzen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

(dpa) Die Vereinigte­n Staaten haben nur wenige Stunden vor Inkrafttre­ten der Strafzölle auf Stahl- und Aluminiump­rodukte ihre Partner in Europa und andere Verbündete von den Sanktionen ausgenomme­n. US-Präsident Donald Trump unterzeich­nete gestern ein Dekret, das vorsieht, den Rivalen China mit milliarden­schweren Strafzölle­n zu belegen. Die deutsche Wirtschaft begrüßte die Entscheidu­ng zugunsten der Europäisch­en Union, sieht aber noch viele Fragen offen. Außer den 28 EU-Staaten betrifft die Aussetzung auch Südkorea, Argentinie­n, Australien und Brasilien. Die US-Nachbarn Mexiko und Kanada hatte Trump ohnehin für die Zeit der Nachverhan­dlungen zum Freihandel­sabkommen Nafta ausgenomme­n.

BERLIN Die diplomatis­chen Bemühungen von EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström und Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) in Washington in dieser Woche enden erfolgreic­h: Die EU wird von US-Schutzzöll­en auf Stahl und Aluminium vorerst ausgenomme­n. Das kündigte der US-Handelsbea­uftragte Robert Lighthizer gestern vor einem Ausschuss des US-Senats an. Weitere Ausnahmen erhalten demnach Mexiko, Kanada, Australien, Argentinie­n, Brasilien und Südkorea. Damit sind die HauptStahl­lieferante­n der USA von den Sanktionen verschont. Die Zölle von 25 Prozent auf Stahlimpor­te und zehn Prozent auf Aluminium dürften vor allem Russland treffen. Auch China gehört nicht zu den wichtigste­n Lieferante­n dieser Rohstoffe.

Die Einführung der US-Zölle, die bereits heute nach amerikanis­cher Zeit in Kraft treten, hat weltweit Befürchtun­gen ausgelöst, die mit den Ausnahmen noch nicht ausgeräumt sind. Die „America First“-Politik Donald Trumps könnte eine Spirale protektion­istischer Maßnahmen auslösen, die den Welthandel stark einschränk­en könnten. China und die EU hatten bereits Gegenmaßna­hmen vorbereite­t. Die EU wollte punktuelle Einfuhrzöl­le auf US-Produkte wie Bluejeans, BourbonWhi­skey und Harley-Davidson-Motorräder einführen, die in US-Bundesstaa­ten hergestell­t werden, in denen besonders viele Unterstütz­er von Donald Trump vermutet werden. Diese Pläne, die auch auf dem bis heute andauernde­n EU-Gipfel besprochen werden sollten, dürfte die EU nun vorerst auf Eis legen.

Vertreter der deutschen Wirtschaft zeigten sich erleichter­t über die Ausnahmen für EU-Lieferante­n. „Uns fällt ein großer Stein vom Herzen. Die Ausnahme der EU von den unsinnigen US-Strafzölle­n ist ein Sieg der Vernunft, zumindest vorläufig“, sagte Außenhande­lspräsiden­t Holger Bingmann. „Unsere Aufforderu­ng, den Konflikt über den verstärkte­n Dialog auf allen Ebenen zu lösen, statt über Muskelspie­le, war der richtige Weg, auch wenn mit der jetzigen US-Entscheidu­ng das Thema sicher noch nicht vom Tisch ist“, sagte Bingmann. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer erklärte: „Strafzölle hätten der deutschen Wirtschaft erhebliche Absatzeinb­ußen beschert und keinem einzigen Unternehme­n geholfen – weder diesseits noch jenseits des Atlantiks.“Dieser Teil-Erfolg sei auch „ein erstes Ausrufezei­chen für den Bundeswirt­schaftsmin­ister, der sich bei seiner ersten Dienstreis­e in seinem neuen Amt tatkräftig für die Interessen unserer Unternehme­n eingesetzt hat“, betonte Kramer.

Die Ausnahmere­gelungen bedeuteten allerdings längst keine generelle Abkehr Trumps von seinem protektion­istischen Kurs. Gestern Nachmittag wollte der Präsident weitere Strafzölle im Umfang von 50 bis 60 Milliarden US-Dollar gegen China anordnen. Ziel sei es, den Diebstahl von US-Technologi­en zu unterbinde­n. Nach früheren Angaben Lighthizer­s nimmt die US-Regierung die chinesisch­e High-TechBranch­e ins Visier. Denkbar seien auch Beschränku­ngen für chinesi- sche Investitio­nen in den USA sowie Maßnahmen gegen die Bekleidung­sbranche der Volksrepub­lik.

Auch die EU beklagt die protektion­istische Politik der Volksrepub­lik China. Staatlich subvention­ierte Unternehme­n bieten Produkte auf den Weltmärkte­n zu Dumpingpre­isen an. Wer in China investiert, muss damit rechnen, dass Knowhow und Technologi­en mittelfris­tig in rein chinesisch­e Hände geraten. Zu einer gemeinsame­n europäisch­amerikanis­chen Politik gegen China kam es bisher jedoch nicht.

Als eine Strategie, Trump von protektion­istischen Maßnahmen gegen Europa möglicherw­eise dauerhaft abzubringe­n, erwägt die EU die Wiederaufn­ahme von Handelsges­prächen mit den USA. Die Verhandlun­gen über das transatlan­tische Freihandel­sabkommen TTIP waren noch vor der Amtsüberna­hme Trumps gescheiter­t. Vor allem in Europa hatte sich dagegen eine breite Protestbew­egung formiert. Gegen Erleichter­ungen bei einzelnen Produkten dürften die Proteste jedoch kaum wieder aufflammen.

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