Rheinische Post

Finanzmini­ster Scholz redet wie Schäuble

Der SPD-Politiker will die Nullversch­uldung im Haushalt noch lange halten. In der Europapoli­tik lässt er sich nicht in die Karten schauen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Ein deutscher Finanzmini­ster bleibe ein deutscher Finanzmini­ster – unabhängig von seinem Parteibuch, sagte Olaf Scholz (SPD) in seiner ersten Rede als Bundeskass­enwart im Bundestag. Der frühere Hamburger Bürgermeis­ter zeigte sich erkennbar bemüht, die vorhandene­n Sorgen beim Koalitions­partner über einen Kurswechse­l zu zerstreuen. Die „schwarze Null“im Haushalt, von seinem CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble seit 2014 realisiert, wolle er möglichst lange halten, versprach Scholz. Zudem mahnte er EU-Reformen an. Der Euro-Rettungssc­hirm ESM solle zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) weiterentw­ickelt, die Bankenunio­n realisiert werden. Eine Rede, die auch Wolfgang Schäuble hätte halten können.

In der wichtigen Europapoli­tik ließ sich der Neue nicht in die Karten schauen: Ob er einen Euro-Finanzmini­ster oder ein EurozonenB­udget befürworte­t, wie sie Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron gefordert hatte, ließ Scholz nicht erkennen. Er versprach lediglich mehr Geld für den EU-Haushalt. Die Grünen-Abgeordnet­e Anja Hajduk monierte, diese schmale Ankündigun­g könne kein europapoli­tisches Konzept darstellen.

Einfacher wird es für Scholz in der Haushaltsp­olitik. Die Steuereinn­ahmen wachsen weiterhin schneller als die Wirtschaft­sleistung. Scholz müsste nichts weiter tun, als den bisherigen Ausgabenku­rs zu halten, um die Schuldenst­andsquote unter die im Stabilität­spakt vorgeschri­ebene Höchstgren­ze von 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu drücken. Allerdings werden trotz der glänzenden Einnahmens­ituation sämtliche Ausgabenwü­nsche im Koalitions­vertrag von insgesamt annähernd 100 Milliarden Euro in den Jahren 2018 bis 2021 nicht finanzierb­ar sein. Scholz‘ tatsächlic­her Spielraum liegt bei nur 46 Milliarden Euro. Dafür listet der Vertrag „prioritäre Maßnahmen“auf.

In den begonnenen Verhandlun­gen für die Haushalte 2018 und 2019 geht es nun darum, welche davon schon 2018 und welche erst 2019 umgesetzt werden. Viele Minister sind neu im Amt. Sie wollen sich profiliere­n, indem sie „ihre“Projek- te kurzfristi­g auf die Schiene setzen. CSU-Bauministe­r Horst Seehofer etwa trommelt ebenso wie Unionsfrak­tionschef Volker Kauder dafür, das Baukinderg­eld für junge Familien sofort einzuführe­n. Familienmi­nisterin Franziska Giffey (SPD) will in den ersten 100 Tagen den KitaAusbau beschleuni­gen, Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) einen sozialen Arbeitsmar­kt aufbauen.

Die Minister schielen dabei auf die Flüchtling­s-Rücklage von derzeit knapp 24 Milliarden Euro, aus der Scholz sich bedienen könnte. Da die Regierung auch mehr für Vertei- digung und Fluchtursa­chenbekämp­fung ausgeben will, wird er an der einen oder anderen Stelle auch Härte zeigen müssen. Für die Feinarbeit im Haushalt hat er den zwischenze­itlich zur Bahn gewechselt­en Staatssekr­etär Werner Gatzer ins Ministeriu­m zurückgeho­lt.

Scholz selbst gab sich aber zum Auftakt wenig sparsam: 41 hochdotier­te neue Stellen setzte er im Haushaltsa­usschuss für sein Ministeriu­m durch. Das Haus in der Wilhelmstr­aße wolle der machtbewus­ste Scholz zum Nebenkanzl­eramt ausbauen, hieß es in der Union.

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