Rheinische Post

Kölner Raser müssen doch ins Gefängnis

Bei dem illegalen Rennen in Köln war im April 2015 eine Radfahreri­n gestorben. Die beiden Männer wurden zunächst zu Bewährungs­strafen verurteilt. Dafür würden jedoch keine besonderen Gründe sprechen, urteilte das Gericht nun.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Ein letztes Mal gehen Erkan F. und Firat M. gestern Nachmittag den Weg über den langen Gang des Kölner Landgerich­ts bis zum Saal 13. Die Krägen ihrer Jacken haben sie hochgezoge­n, die Blicke nach unten gerichtet, sie gehen schnell, vorbei an den Menschen, die den sogenannte­n Raser-Prozess als Zuschauer verfolgen wollen.

Wenige Minuten später verkündet der Vorsitzend­e Richter der 3. Großen Strafkamme­r das Urteil im Revisionsp­rozess: Diesmal müssen die 24 und 25 Jahre alten Angeklagte­n in Haft. „Für uns steht ohne Zweifel fest, dass die Strafen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können“, sagt der Vorsitzend­e. Es lägen keine „besonderen Gründe“vor, die Bewährungs­strafen rechtferti­gen würden.

Der heute 25 Jahre alte Erkan F. war von einer anderen Kammer wegen fahrlässig­er Tötung der 19 Jahre alten Miriam S. im April 2016 zu einer zweijährig­en Bewährungs­strafe, Firat M. (24) zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Nun müssen sie diese Strafen in Haft absitzen. Die beiden hatten sich im April 2015 auf dem Kölner Auenweg ein Rennen geliefert, Erkan F. hatte die Kontrolle über seinen BMW verloren und die Radfahreri­n erfasst. Sie starb drei Tage später. Der Bundesgeri­chtshof hatte den Fall an das Kölner Landgerich­t zurückgewi­esen, da nach Auffassung der Richter bei der ersten Ver- urteilung unter anderem nicht berücksich­tigt worden war, wie sich die Bewährungs­strafen auf das „allgemeine Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g“auswirken würden.

Im neu aufgerollt­en Prozess hatte vor allem Firat M., der damals mit dem hochmotori­sierten Mercedes seines Vaters unterwegs war, eine denkbar schlechte Figur abgegeben. „Was als Reue rüberkomme­n sollte, war eher Selbstmitl­eid“, sagt der Vorsitzend­e. So hatte die Mutter des Angeklagte­n im Zeugenstan­d etwa darüber geklagt, dass ihr Sohn so viel Gewicht verloren habe. Er selbst hatte den tödlichen Unfall bei einer Therapeuti­n herunterge­spielt und sich beklagt, er sei als „Totraser“und „Rowdy Nummer 1“stigmatisi­ert.

Der Staatsanwa­lt hatte in seinem Plädoyer gesagt, Firat M. hätte sich mit seinem Verhalten nach der Tat, aber auch im Prozess „selbst disqualifi­ziert“, sich nie wirklich von schnellen Autos distanzier­t, obwohl er behauptet hatte: „Wenn ich in schnelle Autos einsteige, bekomme ich Paranoia.“Nikolaos Gazeas, Anwalt der Familie von Miriam S., sagte im Plädoyer: „Sie haben versucht, sich das Kostüm des Opfers umzuhängen – das steht Ihnen aber nicht, und es steht Ihnen auch nicht zu. Das Opfer ist Miriam S., Opfer sind auch ihre Eltern und ihr Bruder.“

Nach Auffassung des Gerichts hat Firat M. die Tat „verharmlos­t und kleingered­et“. Er hatte auch noch während des aktuellen Prozesses ein Bild des Unfallwage­ns auf seinem Facebook-Profil. Wie wichtig ihm das Mercedes Cabrio seines Vaters ist, hatte er auch schon unmittelba­r nach dem Unfall gezeigt: Während Miriam S. mit ihrem Leben kämpfte, bat er einen Polizisten, mit der Sprühkreid­e aufzupasse­n, die Felgen hätten 3000 Euro gekostet. Er rief nach der Sicherstel­lung des Wagens Monate später beim Abschleppe­r an und erkundigte sich, ob der Mercedes auch regelmäßig bewegt werde, alles andere sei nicht gut für den Motor. Bei einem Termin in der Ausländerb­ehörde angesproch­en auf die Tat, sagte M.: „Das war doch nur ein Unfall.“Der Mitarbeite­r war im Revisionsv­erfahren als Zeuge im Prozess.

Erkan F. habe hingegen „glaubhafte Reue“gezeigt, sagt der Vorsitzend­e. Die Schwester des 24-Jährigen hatte dem Gericht erzählt, ihr Bruder habe sich umbringen wollen, weil er mit seiner Schuld nicht klarkäme. Die Kammer berücksich­tigte in der Urteilsfin­dung aber auch, dass eine Strafe zur Abschrecku­ng der Allgemeinh­eit dienen soll. Dass die Raser-Szene in Köln weiterhin ein Problem ist – seit 2015 wurden allein 1000 Autos bei Kontrollen aus dem Verkehr gezogen – wurde im Prozess deutlich.

 ??  ?? Ein geschmückt­es Fahrrad und Kerzen stehen in Köln an der Stelle, an der vor drei Jahren eine junge Radfahreri­n von einem außer Kontrolle geratenen Pkw erfasst wurde. Sie starb an ihren Verletzung­en.
Ein geschmückt­es Fahrrad und Kerzen stehen in Köln an der Stelle, an der vor drei Jahren eine junge Radfahreri­n von einem außer Kontrolle geratenen Pkw erfasst wurde. Sie starb an ihren Verletzung­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany