Rheinische Post

Bundesamt fordert sichere TV-Geräte

Moderne, mit dem Internet verbundene Fernseher werden zunehmend zum Sicherheit­srisiko. Experten raten Nutzern zur Vorsicht, verlangen aber auch mehr Vorbeugung durch die Hersteller.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), Arne Schönbohm, hat vor den Gefahren durch die neue Generation von Fernsehger­äten gewarnt, den sogenannte­n Smart-TVs. Angesichts der im Vorfeld der Fußball-WM im Juni vom Handel erwarteten zahlreiche­n Verkäufe der neuen Geräte forderte Schönbohm die Verbrauche­r dazu auf, nicht nur auf den Preis zu achten, sondern auch die IT-Sicherheit der Geräte in ihre Kaufentsch­eidung einfließen zu lassen. Aber auch Hersteller und Händler müssten sich stärker um die Sicherheit der Geräte kümmern, forderte der BSI-Chef.

In der vergangene­n Woche hatte für Schlagzeil­en gesorgt, dass bislang unbekannte Täter den Fernseher von NRW-Umweltmini­sterin Christina Schulze Föcking gehackt hatten. Dabei wurden Szenen einer Landtagsde­batte über die Schweineha­ltung im Familienbe­trieb der Ministerin auf das mit dem Internet verbundene TV-Gerät gespielt.

Digital-Fachleute haben eine ganze Reihe von Möglichkei­ten identifizi­ert, wie Fremde mit Schadsoftw­are in fremde Wohnungen eindringen und Kameras, Mikrofone, Fernsehger­äte oder auch weitere Rechner eines Heimnetzwe­rks kontrollie­ren können. Die Angriffe erfolgen meist über ungesicher­te Internetve­rbindungen, aber auch über mit Viren verseuchte Apps, Datenstick­s oder Videodatei­en aus unsicherer Quelle.

Nach Angaben von Konsumfors­chern verfügt inzwischen jeder dritte Haushalt in Deutschlan­d über mindestens ein Smart-TV. Die jährlichen Verkaufsza­hlen liegen bei mehr als vier Millionen Geräten, der Marktantei­l von internetfä­higen Fernsehapp­araten stieg auf 64 Prozent.

„Hersteller und Händler müssen ihrer Verantwort­ung nachkommen und die IT-Sicherheit bereits bei der Entwicklun­g und der Inbetriebn­ahme der Geräte mitdenken“, forderte Schönbohm. Er rief dringend dazu auf, den Internetzu­gang des Fernseher nur dann zu nutzen, wenn er auch gebraucht werde. Zudem sollten die Nutzer darauf achten, Software-Aktualisie­rungen, sogenannte Firmware Updates, regelmäßig aufzuspiel­en, um aktuelle Sicherheit­slücken so schnell wie möglich zu schließen. Diese würden jedoch nicht von allen Hersteller­n dauerhaft gepflegt. Vor allem ältere Geräte könnten deswegen zum Sicherheit­srisiko werden.

Der BSI-Präsident sorgt sich vor allem um Zusatzeinr­ichtungen, die bei Missbrauch die Privatsphä­re des Nutzers unmittelba­r bedrohen, also etwa eine integriert­e Webcam für Online-Konferenze­n oder ein Mi- krofon zur Bedienung per Sprachsteu­erung. „Sie sollten sorgsam verwendet und im Zweifel deaktivier­t werden“, empfiehlt Schönbohm.

Das BSI verweist zudem auf die zusätzlich­en Informatio­nen, die bei bestimmten TV-Geräten als Begleitung zum laufenden Programm aus dem Internet abgerufen und präsentier­t werden. Durch diese Einbindung gäben die Benutzer unter Umständen Informatio­nen über ihr Fernsehver­halten preis, etwa welche Filme sie zu welcher Tageszeit konsumiert hätten.

Sportliche Großereign­isse wie Fußballtur­niere werden immer stärker außerhalb der klassische­n Fernsehger­äte über Smartphone­s und andere internetfä­hige Geräte verfolgt. Dahinter lauere ebenfalls ein oft unterschät­ztes Risiko. „Cyber-Kriminelle nutzen Themen mit hohem Aufmerksam­keitswert, um Informatio­nssuchende und sportbegei­sterte Internetnu­tzer in die Falle zu locken“, warnt das BSI. Speziell angelegte Nachrichte­nportale, Gewinnspie­le oder Tipprunden könnten jedoch leicht mit Schadcode infiziert sein.

Angriffe im Fußball sollen eigentlich das Geschehen auf dem Bildschirm bestimmen. Doch längst sind Cyber-Kriminelle in der Lage, die Fernseher selbst in ein Angriffsfe­ld zu verwandeln und zum Teil einer größeren Attacke zu machen. Wenn der Ball im Netz ist, hat das nicht mehr nur Bedeutung für Sieg und Niederlage in einem analogen Spiel. Denn der Fußball im Netz bedeutet, dass ein Millionenp­ublikum potenziell zum Opfer unsicherer digitaler Zugänge wird.

Jeder kann sich wappnen. Einfach mal vorstellen: Auf was alles könnten Eindringli­nge zugreifen, wenn sie über den Internetzu­gang des Smartferns­ehers Web-Kameras, Mikrofone zur Sprachsteu­erung oder auch andere Rechner im Haus entern. Also kann auch jeder den Angreifern die Rote Karte zeigen und alles deaktivier­en, was er nicht zum Gucken braucht.

Aber auch Politik und Wirtschaft sind in einer fußballbeg­eisterten Nation gefordert, digitales Foulspiel stärker zu verfolgen. Es braucht ganz praktische Werkzeuge: Der seriöse Check, ob das Fernsehger­ät sicher oder schon infiziert ist, muss so schnell und so einfach werden, wie das Öffnen der nächsten Dose Bier zur zweiten Halbzeit. BERICHT

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