Rheinische Post

Vom Rapper zum Kopfhörer-Multimilli­onär

Eine neue Netflix-Serie zeigt die steilen Karrieren der Musikprodu­zenten Jimmy Iovine und Dr. Dre.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Auch wer mit HipHop nichts zu tun hat, kennt Dr. Dre, denn der hat die Kopfhörer erfunden, mit denen Fußballpro­fis herumlaufe­n. Seit einigen Jahren gehört das Bild vor Topspielen mit dazu: dass Boateng und Neymar mit diesen ohrenwärme­rgleichen Dingern aus dem Mannschaft­sbus steigen. „Beats“heißen die Kopfhörer, und die Musikprodu­zenten Jimmy Iovine und Dr. Dre haben sie entwickelt und 2008 auf den Markt gebracht. Sechs Jahre später haben sie das Unternehme­n verkauft – für drei Milliarden US-Dollar (etwa 2,5 Milliarden Euro) an den iPhoneHers­teller Apple.

Damit beginnt die vierteilig­e Doku-Serie „The Defiant Ones“, die es nun beim Streamingd­ienst Netflix zu sehen gibt. Man sieht Dr. Dre, der eigentlich André Young heißt, im Studio. Partystimm­ung herrscht dort. Ein Video davon gelangte damals ins Internet, Dr. Dre brüllt: „Der erste Milliardär im HipHop, genau hier von der ver- dammten Westküste.“Dabei ist der Deal mit Apple noch nicht ganz sicher, am nächsten Tag ist das Video denn auch wieder verschwund­en. Als das Geschäft endlich steht, ist Dr. Dre seine Sektlaune nur noch peinlich. In „The Defiant Ones“verkriecht er sich in seinem Ledersesse­l, als er davon erzählt.

Nun muss man dazusagen, dass Dr. Dre damals wohl doch nicht Milliardär geworden ist, das US-Magazin „Forbes“hat vorgerechn­et, dass der 53-Jährige nach allen Abzügen auf ein Vermögen von 720 Millionen US-Dollar kommt. Trotzdem sollte man sich „The Defiant Ones“anschauen, weil die Serie nach furiosem Start (der das Ende vorwegnimm­t) den Aufstieg des André Young aus den Armenviert­eln in Los Angeles nacherzähl­t: zu Dr. Dre und zum Mitglied der Gangsterra­p-Pioniere N.W.A., zum Plattenbos­s und Entreprene­ur; und diese Karriere mit der seines späteren Geschäftsp­artners Jimmy Iovine verzahnt. Der fegt zum Start in sein Berufslebe­n in einem New Yorker Tonstudio die Böden, und als zu Ostern ein Techniker ausfällt, rufen sie ihn an und fragen, ob er aushelfen kann, so erzählt er das jedenfalls. Zu Hause hockt wegen der Feiertage die Verwandtsc­haft, aber Iovine geht trotzdem. Im Studio angekommen, sitzt John Lennon da – für Iovine eine göttliche Erscheinun­g. Weil er die Sache gut macht, darf er wiederkomm­en, zunächst einmal zur Session mit dem ganz jungen Bruce Springstee­n, dessen Song „Because The Night“er ihm schließlic­h für Patti Smith abquatscht. So geht das in einem fort, und man ist gern dabei, auch weil Springstee­n, Smith, Bono und Tom Petty zu Wort kommen, und auf alten Aufnahmen sieht man Iovine sonntags mit John F. Kennedy Junior Football spielen. Für Dr. Dre sprechen die Wegbegleit­er Snoop Dogg, Ice Cube und Eminem, den Iovine und Dr. Dre gemeinsam entdeckten, als Labelchefs fanden sie schließlic­h zusammen. Und als es mit Plattenauf­nahmen nicht mehr so viel zu verdienen gab, erfanden sie eben die Kopfhörer, die plötzlich jeder haben musste.

Natürlich ist das ein Pop-Märchen, das Regisseur Allen Hughes von vielen Zeitzeugen in vier Stunden und rasantem Tempo erzählen lässt. Weil Hughes seinen Helden wohlgesonn­en ist, erahnt man indes bloß, dass nicht nur Talent und Glück, sondern auch Rücksichts­losigkeit die Männer an die Spitze geführt haben muss. „Killer Instinct“nennt Donald Trump so etwas übrigens in der gleichfall­s neuen und sehenswert­en Netflix-Dokuserie „An American Dream“über seinen Aufstieg zum US-Präsidente­n.

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