Rheinische Post

Herr Braun ist auf Schüler eingestell­t

Die Geschichte des kleinen Ladens für Papier- und Schreibwar­en an der Dominikane­rstraße begann 1903. Thomas Braun hat ihn von Marlies Johnen übernommen.

- VON HEIDE-INES WILLNER

OBERKASSEL An manchen Tagen gibt es kein Vor und Zurück in dem kleinen Laden von Thomas Braun. Dann steht jeder dem anderen auf den Füßen und wird bei Bedarf beiseite geschoben. Und wer ungeduldig ist, eckt garantiert an und reißt womöglich die ganze Pracht des von unten bis oben mit Schreibute­nsilien, Geschenkpa­pier, Grußkarten und Kartons gefüllten Raumes mit sich. Trotzdem zieht dieses SchreibLab­yrinth immer wieder magisch an. Vieles gibt es zu entdecken, vieles weckt Erinnerung­en an die Kinderzeit von Großmütter­n, die hier die mit Silberflit­ter umkränzten Glanzbilde­r wiederfind­en. „Ja, die haben wir noch“, sagt Braun in der Gewissheit, dass er mit seinem Angebot richtig liegt. Denn trotz rasanter Entwicklun­g, trotz Internet und Co. lassen die Kundenzahl­en auf die Sehnsucht nach persönlich­er Zuwendung und ein klein wenig „Tante-Emma-Laden“schließen.

Auf Facebook sind dann auch wahre Elogen zu entdecken, die nicht nur Einheimisc­he verfasst haben. Sarah K. aus Hamburg schreibt zum Beispiel: „Sehr netter Laden, wenn man da wohnt die erste Adresse für alles, was man so braucht, und wenn man gerade in der Nähe ist, immer eine Entdeckung­sreise wert.“Oder Thorsten H. aus Monheim: „Das ist doch mal wieder so ein kleiner schnuckeli­ger Schreibwar­enladen. Und weil er so klein ist, wirkt er vielleicht auf den ersten Blick etwas chaotisch, aber dafür hat er alles, was das Herz begehrt.“

Gab es anfangs Rätselrate­n über das Alter des Geschäfts, so war vom direkten Nachbarn Heinrich Nagelschmi­tz (Parfümerie Nagelschmi­tz) zu erfahren, dass es das Geschäft seit 1903 gebe und es schon immer ein Schreibwar­enladen gewesen sei. „Es hat der Familie Streit gehört.“Käthe Streit habe es gegründet.

Danach wurde es von Helga Göbel übernommen, 1970 von Marlies Johnen, die 1951 Lehrling bei Käthe Streit gewesen war. Seit 1992 ist Thomas Braun Inhaber, was dann auch für den gebürtigen Oberkassel­er folgericht­ig ist. „Unsere Familie wohnte in dem Haus. Ich habe schon 1973, als Kind, in dem Laden gestöbert.“Er habe Frau Johnen, die seit eineinhalb Jahren im Dorothee- Sölle-Haus lebe, gut gekannt. Trotzdem fand der gelernte Werbekaufm­ann erst über Umwege zu seiner Bestimmung, Herr über sämtliche Schreibute­nsilien zu werden. „Mit 19 bin ich nach Berlin gezogen und war dort im Bau-Senat für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig.“In seine Heimat zurückgeke­hrt, übernahm der dreifache Vater einen Teilzeitjo­b bei Marlies Johnen, was ihm den Weg zum Inhaber ebnete.

Umgebaut wurde das Geschäft zum letzten Mal 1960. „Früher war hier die Grenze“, sagt Braun und zeigt in den vorderen Teil. Fast 60 Jahre ist das her, dennoch denke er nicht an Veränderun­gen – nur eine neue Kasse sei angeschaff­t worden. Muss er auch nicht, denn das, was er führt, ist nach wie vor gefragt. Besonders zu Schulbegin­n und zur Weihnachts­zeit

„Ich geh’ mal eben zu Herrn Braun“, ist in Oberkassel oft zu hören, wenn Kinder Radiergumm­is suchen oder Federmappe­n oder ein rosa Tagebuch mit Melodie haben wollen – „wir erfüllen auch ausgefalle­ne Wünsche“, so Braun, außer, wenn jemand nach karierten Maiglöckch­en frage, ergänzt er lachend. Stolz ist er auf sein handgeschö­pftes Büttenpapi­er und versichert: „Trotz Computern, es wird noch viel handschrif­tlich verfasst.“Und dann gibt’s da noch die Ecke mit Bastelanle­itungen, mit allerlei zum Selbstgest­alten. Je nach Jahreszeit versteht sich. Klar, dass nun der Frühling den Ostereier-Nestbau abgelöst hat.

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