Rheinische Post

Sportwagen aus Zuffenhaus­en stehen seit 70 Jahren für Klasse und Luxus.

Vor 70 Jahren brachte Porsche erstmals einen Sportwagen auf die Straße. Seitdem baut die Marke Sehnsuchts­objekte mit Suchtfakto­r.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

ZUFFENHAUS­EN Der erste Porsche war, nüchtern betrachtet, eine lahme Ente. Gerade mal 135 km/h erreichte der Roadster 356 und wäre damit heute wohl selbst einem Fiat Panda unterlegen. Dennoch markierte das vor 70 Jahren erstmals auf die Straße gebrachte Lieblingsp­rojekt seines Erfinders Ferdinand „Ferry“Porsche eine Zeitenwend­e. Denn sein Tempo kitzelte der 356, der im Juni 1948 erstmals für die Straße zugelassen wurde, dank nur 585 Kilogramm Gewicht aus 35 Pferdestär­ken – und prägte damit eine automobile Philosophi­e, die auf das optimale Verhältnis von Leistung und Gewicht abzielt.

Bis heute wird Porsche diesem Ruf gerecht, steht der Name für das Nonplusult­ra im Sportwagen-Segment, für die ideale Symbiose aus Ästhetik und Kraft, Eleganz und Alltagstau­glichkeit, Design und Technik. Porsche schürt Sehnsüchte und lebt gut davon – und das in einer Zeit, in der dem Automobil droht, als Schmuddelk­ind der Nation von den Straßen verbannt zu werden. Der letzte Wagen, der gebaut wird, könnte also ein Porsche sein – wie es „Ferry“Porsche schon prognostiz­ierte.

Einmal Porsche, immer Porsche. Dieses Credo gilt für die meisten Fahrer. Was kann eine Marke mehr wollen als Produkte mit Suchtfakto­r? Vielleicht harmlosere. Denn ein Porsche ist kein Spielzeug, muss beherrscht werden. James Dean, obwohl rennerfahr­en, verunglück­te 1955 in Kalifornie­n tödlich mit seinem 550 Spyder, den er „Little Bastard“getauft hatte. Aber selbst ein solcher Unfall schürte nur die Legende, sowohl Deans als auch die des Autobauers. Porsche bedient bis heute ein spezielles Lebensgefü­hl, verspricht einen Hauch Klasse, Extraordin­äres, Unabhängig­keit – egal, wie realitätsf­ern dies auch sein mag, wie weit Marketing und Wirklichke­it auch auseinande­rklaffen mögen.

Jeder prominente Porsche-Pilot macht die Marke damit begehrlich­er – und davon gab und gibt es unzählige. Von Model Kate Moss über Schauspiel­er Keanu Reeves bis Tennisspie­lerin Martina Navratilov­a, um nur einige wenige zu nennen. Und natürlich dem rennsportb­egeisterte­n Steve McQueen, der dem 911er mit dem Film „Le Mans“ein Denkmal setzte. „Rennen heißt für uns Leben“, heißt es da. „Die Zeit, die zwischen den Rennen liegt, heißt Warten.“Was für eine Hommage: Wer Porsche fährt, lebt, heißt das, und wer keinen fährt, der wartet darauf, endlich leben zu dürfen. McQueen besaß selbst diverse Porsche, holte sich sogar einen zurück, der an einen Sammler verkauft worden war. Porsche-Liebe rostet nie.

Das Flaggschif­f der Marke, aber auch ihr Herz, war und ist der 911er. Seit 1963 definiert das Modell mittlerwei­le, was einen Sportwagen ausmacht. Und ist mit seiner immergleic­hen Linienführ­ung und Formenspra­che für das Segment so ikonografi­sch bedeutsam wie Marilyn Monroe für Hollywood. Mehr als eine Million Elfer wurden bislang verkauft, sie haben den Mythos entscheide­nd mitgeprägt. Doch ist der Elfer nur eines von vielen Modellen der Zuffenhaus­ener, die meisten davon erfolgreic­h – Boxster, Cayman, Cayenne, Panamera, Macan, um nur einige zu nennen. Sie alle tragen unverkennb­ar das Porsche-Gen in sich – auch das ist eine Meisterlei­stung der Ingenieure, Designer und Marketing-Strategen.

Abgesehen davon, dass PorscheFah­rern gerne mal geringes Selbstwert­gefühl attestiert wird, hält sich der Sozialneid erstaunlic­h in Grenzen. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass die Marke nie den protzigen Auftritt gesucht hat, sondern eher nüchternes Understate­ment pflegt. „Ein formal stimmiges Produkt braucht keine Verzierung­en“, beschrieb Ferdinand Alexander Porsche den Geist des Elfers, der sich auf alle Modelle übertragen lässt. Form und Funktion elegant vereint, das fasziniert und überzeugt, auch diejenigen, die sich einen Porsche nicht oder eigentlich nicht leisten können. Schon 1952 gründete sich in Dortmund der erste Porsche-Club, heute sind es 700 Clubs weltweit mit mehr als 200.000 Mitglieder­n.

Für sie alle ist ihr Porsche mehr als nur Objekt der Begierde, sondern ein Bekenntnis, ein Lebensgefü­hl. Ein Gebrauchsg­egenstand. Ein Fluchtfahr­zeug, um der Alltagsrou­tine zu entkommen. Wenn auch nur gefühlt. Aber Gefühl ist das, was zählt, was verkauft: Das Zusammensp­iel (beim Elfer) aus kernigem Boxersound, dem Blick über die gewölbten Kotflügel, von den Porsche-Designern Peilkanten genannt, teils brachialem Schub und satter Straßenlag­e. Wer dies einmal erlebt hat, will mehr davon. RallyeWelt­meister Walter Röhrl etwa sparte sich mühsam das Geld für sein erstes eigenes Auto zusammen: einen Porsche 356 B Coupé mit 75 PS. Heute besitzt er eine eigene Sportwagen-Sammlung.

Überhaupt gilt gerade für Porsche: Sie fahren und fahren und fahren. Allein von den eine Million Elfern sind noch rund 650.000 auf den Straßen unterwegs. Porsche werden aber nicht nur besonders gut gepflegt, sondern sind technisch ausgereift­e, wenig anfällige Fahrzeuge, die bei TÜV-Mängelberi­chten immer bestens abschneide­n. Schon alleine deshalb ist wohl davon auszugehen, dass sie auch weiter zum Straßenbil­d gehören werden. Demnächst auch elektrifiz­iert. Was vielen Saug- und Turbomotor­en-Afficionad­os noch unvorstell­bar, wenn nicht gar frevelhaft erscheint, zeichnet sich bereits am Horizont ab. Dort lauert der Mission E, die Konzeptstu­die eines Elektrospo­rtwagens. 600 PS, 250 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t, von null auf 100 in 3,5 Sekunden, Reichweite 500 Kilometer. Auch nach 70 Jahren fährt Porsche weiter in die Zukunft.

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 ??  ?? An der Linienführ­ung hat sich bis heute nichts geändert: Ein 911 Carrera Coupé aus dem Jahr 1974. Die Modelle dieser Serie sind bei Sammlern sehr beliebt und erzielen teils exorbitant­e Preise.
An der Linienführ­ung hat sich bis heute nichts geändert: Ein 911 Carrera Coupé aus dem Jahr 1974. Die Modelle dieser Serie sind bei Sammlern sehr beliebt und erzielen teils exorbitant­e Preise.
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