Rheinische Post

Denkmäler sollen genutzt werden können

Die neue Leiterin der Unteren Denkmalsch­utzbehörde spricht über das Schauspiel­haus, die Gaslaterne­n und über die Abwägung verschiede­nster Interessen in einer wachsenden Stadt.

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Von Schauspiel­haus bis Gaslaterne­n reichen ihre Themen: Svenja Schrickel ist die neue Leiterin der Unteren Denkmalsch­utzbehörde. Kollegiale Starthilfe gibt’s auch: Weil ihr Büro noch nicht komplett eingeräumt ist, stellt Ulrike Lappessen, Leiterin des Bauaufsich­tsamtes, für das Gespräch kurzerhand ihres zur Verfügung – und bleibt gleich da. Sie hat zeitweise einige Aufgaben der Denkmalpfl­ege übernommen und hilft ihrer Kollegin jetzt beim Einarbeite­n. Was muss ein guter Denkmalpfl­eger mitbringen? SCHRICKEL Ich bin froh, dass ich viel Berufserfa­hrung habe – denn das erforderli­che Handwerksz­eug besteht nicht nur aus Fachwissen, das man im Hochschuls­tudium gelernt hat. Denkmalpfl­eger müssen auch kurzfristi­g bautechnis­che und rechtliche Fragen beurteilen können. Man sollte teamfähig sein. Denkmalpfl­eger brauchen ein interdiszi­plinäres Netzwerk mit kompetente­n Partnern, denn ihre Aufgaben sind vielfältig. Wichtig finde ich auch, die Belange der Denkmaleig­entümer und Bauherren ernstzuneh­men und das Ziel im Blick zu haben, gemeinsam eine denkmalger­echte Lösung zu finden. Das geht nicht immer. In diesen Situatione­n muss ein Denkmalpfl­eger ganz besonders Entscheidu­ngen transparen­t machen und die Grenzen und den Wert eines Denkmals vermitteln können. Ein spannender Beruf! Welche speziellen Herausford­erungen bietet Düsseldorf? SCHRICKEL Es gibt natürlich viele Herausford­erungen, die sich besonders in den ersten Arbeitsmon­aten stellen. Aber die Vielfalt macht für mich gerade den Reiz aus. Düsseldorf hat so viele Stadtteile, die eine eigene Geschichte haben, und dadurch Gebäude unterschie­dlicher Prägung. Düsseldorf ist mehr als die großen Bauvorhabe­n und bekannten Gebäude, die jeder kennt. Stadtteile wie Kaiserswer­th, Benrath oder Gerresheim mit ihrem individuel­len Charakter sind für mich als Denkmalpfl­egerin ebenso interessan­t. Eine Herausford­erung ist sicherlich, dass eine wachsende Stadt nicht still steht und auch Nutzungsdr­uck auf Baudenkmäl­er entstehen kann. Auf der anderen Seite gibt es hier vergleichs­weise wenig leerstehen­de, ungenutzte Denkmäler; das ist wiederum ein Vorteil. Welchen Einfluss hat die Tatsache, dass es in Düsseldorf mehr Menschen mit etwas mehr Geld gibt? SCHRICKEL In den letzten Jahren standen in Nordrhein-Westfalen wenig Fördermitt­el zur Erhaltung von Denkmälern zur Verfügung. Da ist es natürlich positiv, wenn Eigentümer die Besonderhe­iten ihres Denkmals auch ohne Unterstütz­ung erhalten und pflegen können. Gerade Gründerzei­thäuser sind in Düsseldorf ja sehr beliebt, ihr Schmuck und ihre historisch­e Ausstattun­g werden geschätzt. Sie sind als Investitio­nsobjekte gefragt. Bei Denkmälern, die weniger Wertschätz­ung genießen, zum Beispiel Bauten der Nachkriegs­moderne, spielt das Geld aus meiner Sicht zunächst keine maßgeblich­e Rolle. Hier steht im Vordergrun­d, zunächst bauliche Qualitäten zu vermitteln und die Menschen für das Denkmal zu gewinnen. In der Gerresheim­er Siedlung Neustadt sind zahlreiche Gebäude denkmalges­chützt. Die Bewohner dort klagen oftmals über die Einschrän- kungen. Kennen Sie die Siedlung schon? SCHRICKEL Alte Arbeitersi­edlungen sind in der Tat ein Thema, das in meinem Beruf immer wieder eine wichtige Rolle spielt. Ich habe vorher im Ruhrgebiet gearbeitet, da ist das Thema an der Tagesordnu­ng. Die Probleme entstehen, wenn die Siedlung optisch aus einem Guss ist und die einzelnen Häuser privatisie­rt werden. Natürlich haben die Eigentümer individuel­le Vorstellun­gen, wie ihr Zuhause aussehen soll. Und sie haben auch zu unterschie­dlichen Zeitpunkte­n Geld, um in ihr Haus zu investiere­n. Wenn so eine Siedlung weiter einheitlic­h aussehen soll, gilt es, viele Interessen zu bündeln und zusammenzu­bringen. Das trifft auch auf die städtebaul­ich und sozialgesc­hichtlich interessan­te Siedlung in Gerresheim zu. Ich habe die Siedlung bereits besucht. Wir sind da dran. Vor einigen Jahren sprach und stritt ganz Düsseldorf über den Abriss der Hochstraße Tausendfüß­ler. Haben Sie das mitbekomme­n? SCHRICKEL Das habe ich natürlich verfolgt. Ich wohne ja auch schon ein paar Jahre in Düsseldorf und kenne noch die Zeit, in der er die Stadt geprägt hat. Ich würde sagen: Weil er so rau und besonders im Zusammensp­iel mit dem Schauspiel­haus und dem Dreischeib­enhochhaus war, wirkte er auf mich identitäts­stiftend. Dass er es den Stadtplane­rn schwer gemacht hat, die Fläche zu entwickeln, kann ich nachempfin­den. Als Denkmalpfl­egerin bedauere ich das sicherlich, aber es mussten viele Belange berücksich­tigt werden. Das klingt sehr diplomatis­ch... SCHRICKEL Abwägung gehört zu meinem Beruf entscheide­nd hinzu. Oft kursiert in der Öffentlich­keit ein Bild von einem Denkmalsch­utz, der keine Veränderun­g zulässt. Aber das ist ja nicht der Kern unserer Aufgabe. Es geht immer darum, ein Denkmal in die Zukunft zu begleiten und das zu erhalten, was es besonders und wertvoll macht. Denkmäler sollen sinnvoll genutzt werden, das besagt sogar das Denkmalsch­utzgesetz, die Grundlage unserer Arbeit. Es geht nicht um eine museale Erhaltung unter einer Käseglocke. Nicht zum Denkmal wurde das Haus mit dem Pferdekopf in Bilk. Wie so? SCHRICKEL Das hat auch damit zu tun, dass die Ansprüche an Denkmäler gewachsen sind. Es gibt inzwischen einen guten Überblick über die Bestände dieser Zeit, die bei Denkmalwer­tprüfungen zum Vergleich hinzugezog­en werden und in diesem Fall wurden. Ich schätze es und habe Respekt, wenn sich Leute für ein Objekt so von Herzen in ihrer Freizeit engagieren. In diesen Prozessen spürt man als Denkmalpfl­egerin, dass alte Gebäude Identität stiften und man eine große Verantwort­ung trägt. Aber in diesem Fall hat es nicht zum Denkmal gereicht. Der Verein Denkmal Düsseldorf kümmert sich um viele Facetten des Themas. Sind private Engagement­s hilfreich, oder strengen sie eher an? SCHRICKEL Ich freue mich, wenn sich Menschen ehrenamtli­ch für „ihr Denkmal“stark machen oder die Geschichte ihres Ortsteils wach halten, auch wenn sie manchmal andere Ansätze verfolgen. In meinen letzten Berufsjahr­en habe ich häufig mit Fördervere­inen und Geschichts­vereinen zusammenge­arbeitet und das sehr geschätzt. Beeindruck­t haben mich Zeitzeugen, die Informatio­nen über Denkmäler beisteuern konnten, die man in Büchern vergeblich sucht. Leider bleibt neben den vielen Aufgaben einer Denkmalbeh­örde oft zu wenig Zeit, um eine intensive Zusammenar­beit zu pflegen. Ich arbeite mich gerade in vieles ein, aber auch das wird sicher seinen Platz finden. Die Gaslaterne­n haben ebenfalls viele private Beschützer. Ist das ein spezielles Düsseldorf­er Thema? SCHRICKEL Die Diskussion war auch in Berlin vergleichb­ar intensiv. Düsseldorf ist aber definitiv etwas besonderes, zumal es hier noch sehr viele gasbetrieb­ene Leuchten gibt. Im Augenblick ziehen wir gemeinsam mit Experten für Industried­enkmalpfle­ge des Landschaft­sverbandes Rheinland durchs Stadtgebie­t und begutachte­n die Bestände unter technikges­chichtlich­en, städtebaul­ichen und stadtgesch­ichtlichen Gesichtspu­nkten. Ziel ist es, die Leuchten-Ensembles auszuwähle­n, die aus denkmalpfl­egerischer Sicht besonders wertvoll sind.

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Svenja Schrickel will die Interessen der Denkmaleig­entümer ernstnehme­n und den Wert von Denkmälern vermitteln.

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