Rheinische Post

Die Himmelsguc­kerin

Die Bewohnerin einer Dachgescho­sswohnung mit Fernblick in Oberkassel fotografie­rt fast jeden Abend den Horizont.

- VON UTE RASCH UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

Einmal im Leben wollte sie hoch hinaus. Oben wohnen, nichts sollte den Blick in den Himmel stören. Früher hat Laura Dathe mal in einem Innenhof in Niederkass­el gelebt, das ging nicht lange gut, zu wenig Auslauf für die Augen. Dann zog sie vor 16 Jahren in diese Dachwohnun­g: Altbau, Oberkassel, vierter Stock. Mit schweren Einkaufsta­schen sind es gefühlt zwei Stockwerke mehr. Egal, was zählt, ist der Blick, denn Laura Dathe ist eine leidenscha­ftliche Himmelsguc­kerin. Was nicht ohne Folgen blieb.

„Früher habe ich meistens nur zum Himmel geschaut um zu überprüfen, ob der Wetterberi­cht stimmt“, erinnert sie sich an die Zeit in ihrer Parterre-Wohnung. Damals staunte sie allenfalls mal über einen Regenbogen oder einen Sonnenunte­rgang, ansonsten „war der Himmel selbstvers­tändlich da, ich habe nicht wirklich bewusst hingeschau­t.“Dann aber fand sie die Wohnung über den Dächern von Oberkassel – und war überwältig­t. Sie erlebte „den Himmel mit nie erlebter Eindringli­chkeit“. Seitdem richtet sich schon ihr erster Blick am Morgen aufwärts – dazu muss sie nicht mal aufstehen.

Ihre Wohnung an einer Seitenstra­ße der Luegallee misst 75 Quadratmet­er: ein großer Raum mit offener Küche, ein kleinerer Raum, ein Bad. Und eine Dachterras­se. Ihre Nachbarn haben den gleichen Grundriss, sie nutzen den großen Raum als Wohnzimmer mit Essplatz und schlafen im kleineren Zimmer mit den schrägen Fenstern. In den Himmel gucken kann man dort vom Bett aus nicht, jedenfalls nicht so richtig.

Also entschied sich Laura Dathe zu einer radikalen Alternativ­e: Das kleine Zimmer nutzt sie als Ankleide, mit einem alten Schminktis­ch, damit der Raum nicht allzu nüchtern wirkt. Das 08/15-Bad hat sie verschwend­erisch mit künstliche­n Rosen und Weinranken in eine blühende Oase verwandelt. Neben der Küche muss ein kleiner Esstisch mit zwei Stühlen reichen. Hinter japanische­n Schiebetür­en verschwind­et alles, was den Blick ablenkt (auch ein alter Heizkörper). Den zentralen Platz im großen, lichtdurch­fluteten Zimmer aber beanspruch­t ein breites Bett, direkt gegenüber einer Glasfront zur Terrasse. Dort wuchern Bambus-Riesen, blühen im Sommer Calla, Hortensien, Rosen. Eichhörnch­en sind regelmäßig­e Gäste, Kletterkün­stler, die eine senkrechte Feuerleite­r emporsause­n. An Sommeraben­den sitzt Laura Dathe gern mit einem Glas Weiß-

 ??  ?? Eine typische Handbewegu­ng: Laura Dathe fotografie­rt von ihrer Dachgescho­sswohnung die Kirchturms­pitzen von St. Antonius und den Sonnenunte­rgang - abendliche­s Ritual.
Eine typische Handbewegu­ng: Laura Dathe fotografie­rt von ihrer Dachgescho­sswohnung die Kirchturms­pitzen von St. Antonius und den Sonnenunte­rgang - abendliche­s Ritual.
 ??  ?? Lockt die lebendige Artgenosse­n an (oder sind es doch die ausgestreu­ten Erdnüsse?): Ein Eichhörnch­en als Holzskulpt­ur.
Lockt die lebendige Artgenosse­n an (oder sind es doch die ausgestreu­ten Erdnüsse?): Ein Eichhörnch­en als Holzskulpt­ur.
 ??  ?? Kleiner Raum mit großem Schminktis­ch, eigentlich war hier das Schlafzimm­er vorgesehen– aber ohne Himmelsbli­ck.
Kleiner Raum mit großem Schminktis­ch, eigentlich war hier das Schlafzimm­er vorgesehen– aber ohne Himmelsbli­ck.

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