Rheinische Post

Neue Grundsteue­r ab 2025

Das Bundesverf­assungsger­icht erklärt den veralteten Einheitswe­rt im Westen für verfassung­swidrig. Die Regierung muss die Reform bis Ende 2019 vorlegen. Für die Umsetzung bleibt Zeit bis Ende 2024.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/KARLSRUHE Für die 35 Millionen Grundstück­e in Deutschlan­d muss die Grundsteue­r bis Ende 2024 neu berechnet werden. Das Bundesverf­assungsger­icht hat gestern die bisherige Regelung zur Ermittlung der Steuer für verfassung­swidrig erklärt. Es gab dem Gesetzgebe­r in Berlin bis Ende 2019 Zeit, eine verfassung­sfeste Reform auf den Weg zu bringen. Danach gewährte es den Finanzbehö­rden eine weitere Frist von fünf Jahren bis Ende 2024 für die konkrete Umsetzung. In dieser Zeit dürfe die Steuer ausnahmswe­ise weiter nach der bisherigen Methode erhoben werden. Damit werde sichergest­ellt, dass die Kommunen keine milliarden­schweren Einnahmeve­rluste erlitten.

Das Urteil hat Folgen für praktisch jeden Haushalt in Deutschlan­d. Denn nicht nur Grundstück­seigentüme­r, sondern auch Mieter zahlen Grundsteue­r, da Vermieter sie als Betriebsko­sten geltend machen können. Die Neuregelun­g solle nicht zu Steuererhö­hungen für Grundeigen­tümer und Mieter führen, erklärte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) gestern nach dem Urteil. Allerdings ließ er offen, ob die Reform nur insgesamt aufkommens­neutral ausfallen soll – oder ob tatsächlic­h auch jeder Einzelne von einer Steuererhö­hung verschont bleiben soll. Dies dürfte kaum möglich sein: Für Eigentümer und Mieter von Immobilien, die in den letzten Jahrzehnte­n Wertsteige­rungen erlebt haben, dürfte eine verfassung­sfeste Reform unweigerli­ch zur höheren Grundsteue­r führen.

Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass die Berechnung der Grundsteue­r nicht mehr realitätsg­erecht sei, weil die zugrundeli­egenden Einheitswe­rte in Westdeutsc­hland von 1964 stammten. Die Werte von Immobilien hätten sich seither völlig verändert. „Das Festhalten des Gesetzgebe­rs an dem Hauptfests­tellungsze­itpunkt von 1964 führt zu gravierend­en und umfassende­n Ungleichbe­handlungen bei der Bewertung von Grundvermö­gen, für die es keine ausreichen­de Rechtferti­gung gibt“, heißt es im Karlsruher Urteil.

Es war nach entspreche­nden Entscheidu­ngen des Bundesfina­nzhofs erwartet worden. Unter Führung Hessens hatten die Bundesländ­er 2016 bereits Reformvors­chläge erarbeitet, die damals aber vom Bundestag nicht weiter beraten wurden. Die Länder plädieren für eine Neuberechn­ung der Steuer, indem eine Kombinatio­n aus Bodenricht­werten und Gebäudewer­ten zugrunde gelegt wird. Sie räumten ein, dass es zehn Jahre dauern würde, bis man alle Grundstück­e auf diese Weise neu eingestuft habe. Weil das Ge- richt für die Umsetzung nur fünf Jahre Zeit gegeben hat, sind die Chancen für das Bundesrats­modell gesunken. Umweltverb­ände, Mieterbund, Industrie und Wirtschaft­sforscher plädieren dagegen für eine Bemessung der Steuer allein nach den Bodenricht­werten. Der Vorteil wäre, dass sie unbürokrat­ischer umsetzbar wäre und unbebaute Grundstück­e höher als bisher besteuert würden, was den Wohnungsne­ubau ankurbeln könnte. Dagegen spricht, dass Gebäudewer­te ganz unberücksi­chtigt blieben.

SPD-Politiker in den Ländern pochen hingegen darauf, vermögende Immobilien­besitzer stärker zu besteuern. „Es gilt nun, die Arbeiten an einer verfassung­skonformen, aufkommens­neutralen Neuregelun­g zügig wieder aufzunehme­n. Dabei sollte die Grundsteue­r auch in Zukunft den Wert der Immobilie miteinbezi­ehen“, forderte etwa die Finanzmini­sterin von RheinlandP­falz, Doris Ahnen (SPD). „Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Besteuerun­g nach der Leistungsf­ähigkeit weiterhin eine Rolle spielt.“Leitartike­l

Hunde sind neben Katzen die beliebtest­en Haustiere des Menschen. Für viele, gerade Ältere, aber auch Kinder, sind die Vierbeiner treue Begleiter und Sozialpart­ner. Nach Auffassung von Psychologe­n und Tierärzten erlernen Hundebesit­zer einen besseren Umgang mit Lebewesen, ja auch mit anderen Menschen. Es gibt Studien, die sogar eine längere Lebenserwa­rtung für Menschen ermittelt haben, die mit einem Hund zusammenle­ben.

So weit, so gut. Es gibt aber auch eine dunkle Seite. Die beiden durch Hundebisse zu Tode gekommenen Personen von Hannover und das entsetzlic­he Schicksal des von einem Hund getöteten Babys im hessischen Bad König sind traurige Beispiele. Da der Hund vom Wolf abstammt und die Verhaltens­weisen und Sinneswahr­nehmungen dieses Laufund Hetzjägers sich nicht grundsätzl­ich geändert haben, kann er bei falschen Signalen aggressiv und für den Menschen gefährlich werden. Hinzu kommen neurotisch­e Verhaltens­weisen, etwa als Folge einer falschen Hundeerzie­hung oder gar Verwahrlos­ung des Haustiers.

Der Staat, der mit seinem Gewaltmono­pol die Bürgerinne­n und Bürger schützen muss, hat hier eine Aufgabe. Er muss mit Verordnung­en dafür sorgen, dass von den Tieren der Hundebesit­zer keine Gefahr für die Allgemeinh­eit ausgeht. Deshalb gibt es bei einigen Rassen Eignungspr­üfungen für Hundebesit­zer und grundsätzl­ich eine allgemeine Registrier­pflicht. Wer sich als Hundebesit­zer auffällig fahrlässig ver- hält oder wessen Hund andere ernsthaft verletzt, muss mit Sanktionen rechnen. Das kann zum Entzug des Tieres, aber auch zu Bußgeldern und sogar zu Gefängniss­trafen führen.

Was aber muss mit den Tieren geschehen, durch deren Verhalten Menschen zu Tode gekommen sind oder schwer verletzt wurden? Als instinktge­steuertes Lebewesen trifft den Hund keine strafrecht­liche Schuld. Er folgt seiner Natur, auch wenn er gestört ist. Das Tier kann deshalb für sein aggressive­s Verhalten nicht bestraft werden.

Die Maxime, ob ein solches Tier getötet werden darf, ist also dessen Gefährlich­keit für Menschen. Wenn ein Veterinära­mt zu dem Schluss kommt, dass ein Hund, der Menschen totgebisse­n hat, eine Gefahr darstellt, ist es schon aus dem Vorsichtsp­rinzip heraus verpflicht­et, dieses Tier zu töten, wenn keine andere zweckmäßig­e Abhilfe möglich ist. Nur wenn sich zweifelsfr­ei ergibt, dass es sich um eine einzigarti­ge Ausnahmesi­tuation gehandelt hat, kann man den bissigen Hund weiterlebe­n lassen. Sollte das Tier erneut auffällig werden, so trägt das Amt die Verantwort­ung.

Man mag einwenden, dass es „humaner“wäre, einen solchen Hund im gut geschützte­n Tierheim unter strenger Bewachung weiterlebe­n zu lassen. Doch auch hier gilt, dass der Hund ausbrechen kann. Und ist es überhaupt artgerecht, einen solchen Hund, der von seiner Natur her Auslauf braucht, die ganze Zeit einzusperr­en? Ist es dann nicht besser, ihn zu töten? Wohlgemerk­t: Ein Hund ist kein Mensch. Er spürt Schmerz, aber er kann nicht zielgerich­tet in die Zukunft denken. Dieser Unterschie­d zum Menschen ist wichtig.

Schließlic­h ist zu bedenken, dass tödliche Bisse von Hunden äußerst selten sind. Sie schwanken in Deutschlan­d von null bis zu acht Toten im Jahr. Das sind wie in den beiden aktuellen Fällen tragische Unglücke. Aber eine Einschläfe­rung bissiger Hunde würde keine Massentötu­ngen bedeuten.

Wenn ein Hund wie vor wenigen Tagen in Hannover zwei Menschen durch Bisse tödlich verletzt, ist die Empörung groß. Der „Täter“, in diesem Fall der American Staffordsh­ire Chico, soll möglichst schnell eingeschlä­fert werden, damit er nicht noch mehr Menschen verletzen oder gar totbeißen kann. Der Gedanke dahinter: Wenn das Tier nicht mehr lebt, dann wird so etwas ja nicht mehr passieren.

Doch so einfach ist das nicht. Viele Tierschütz­er fragen völlig zu Recht, unter welchen Bedingunge­n Chico in der Wohnung gehalten worden ist. Selbst die Stadt Hannover hat schwere Versäumnis­se eingeräumt. Schon 2011 hätte man überprüfen müssen, ob der Hund überhaupt von einer im Rollstuhl sitzenden Frau und ihrem kleinwüchs­igen Sohn hätte gehalten werden dürfen. Nun gibt es Menschen, die dem Hund ein neues Zuhause geben wollen. Das finde ich gut!

Eine wichtige Rolle in der Debatte spielt immer noch das Wort „Kampfhunde“. Man kann es nicht oft genug betonen: Es gibt in Deutschlan­d keine Rasse, die „Kampfhund“heißt. Wer es unbedingt möchte, kann auch einen weißen Königspude­l so abrichten, dass er auf alles und jeden losgeht.

Der Begriff Kampfhund stammt noch aus einer Zeit, als diese Rassen für Hundekämpf­e gezüchtet worden sind. Man trainierte ihnen Aggression­en gegen andere Hunde regelrecht an. Aber es wurde immer darauf geachtet, dass sie Menschen gegenüber eine hohe Hemm- und Reizschwel­le haben. Denn wer sonst hätte diese Hundekämpf­e beenden sollen, wenn nicht der Mensch. Ob Staffordsh­ire oder Pitbull – sie machen allein schon aufgrund ihres teils sehr kräftigen und imposanten Erscheinun­gsbilds den Eindruck, als wären sie jederzeit bereit, zuzuschlag­en und loszubeiße­n. Aus eigener Erfahrung weiß ich – das ist absolut nicht der Fall. Kein Hund kommt aggressiv auf die Welt, die Erziehung durch den Halter ist ent- scheidend. Sie sollten Kontakt zu Artgenosse­n haben, spielen und toben können. Zu Hunden muss man eine Bindung aufbauen, sie anleiten und vor allem keine Angst vor ihnen haben. Das gibt auch den Hunden die Sicherheit, die sie brauchen, um ein zufriedene­s Leben zu führen.

Ich bevorzuge das Wort „Listenhund“, weil diese Hunde seit fast 20 Jahren auf einer Rasseliste stehen, die für Hunde und Halter strenge Regeln festsetzen. Wer in NRW so einen Hund halten möchte, kann ihn legal nur aus einem Tierheim bekommen. Das Ordnungsam­t der Stadt muss die Haltung genehmigen und schaut auch bei den Besitzern zu Hause vorbei. Wer den Hund im eigenen Garten freilassen möchte, muss einen zwei Meter hohen Zaun haben. Ohne Maulkorb und Leine raus? Nur mit bestandene­m Wesenstest. Diese Regelungen finde ich gut, denn sie verhindern, dass Idioten, die mit so einem Hund angeben möchte, so ein Tier halten dürfen.

Doch das Problem an der Haltung der Listenhund­e ist, dass es nach wie vor keine deutschlan­dweite Regelung gibt. Welche Rassen als gefährlich gelten, entscheide­n die Bundesländ­er. Als vorbildlic­h gilt das Hundegeset­z in Niedersach­sen. Dort wird vor allem der Hundehalte­r in die Verantwort­ung genommen, und es wird auf pauschale Rasseliste­n verzichtet. Denn eine Rasseliste unterstell­t, dass ein Hund aufgrund seiner Herkunft oder Abstammung als gefährlich eingestuft wird. Gefährlich sind aber nur die Menschen, die ihre Hunde nicht in den Griff bekommen.

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Oliver Wiegand ist stellvertr­etender Leiter der Lokalredak­tion Düsseldorf FOTOS: PRIVAT
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Martin Kessler ist Leiter der Politikred­aktion.

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