Rheinische Post

Aus der Karaokebar in den Männerchor

Vor mehr als 25 Jahren gründete Thomas Takeda mit sieben Mitstreite­rn einen japanische­n Chor. Gesungen werden japanische ebenso wie deutsche Lieder.

- VON DANIEL SCHRADER

STADTMITTE Die Entstehung des Japanische­n Männerchor­s in Düsseldorf ist auf eine Ausnahmesi­tuation vor mehr als 25 Jahren zurückzufü­hren. Als 1991 der Golf-Krieg ausbrach, untersagte­n einige japanische Unternehme­n ihren auswärtig stationier­ten Geschäftsl­euten jegliche Geschäftsr­eisen. So hatte Thomas Takeda, Chef der japanische­n Industrie- und Handelskam­mer zu Düsseldorf, plötzlich viel Freizeit. Kurzerhand machte er aus der Not eine Tugend und gründete mit sieben anderen Geschäftsl­euten den Japanische­n Männerchor.

Dabei ging es von Beginn an nicht einzig um die Leidenscha­ft für das Singen, sondern auch um den interkultu­rellen Austausch zwischen Japanern und Deutschen. „Musik kennt keine Grenzen“, sagt Takeda. Deshalb singen die inzwischen 15 aktiven Chormitgli­eder nicht nur japanische, sondern auch deutsche Volksliede­r und Popsongs. Einmal wöchentlic­h treffen sich die Herren zu einer zweistündi­gen Probe in den Räumen des Japanische­n Clubs an der Oststraße. Viele Auftritte hat der Chor schon, etwa beim Japan-Tag oder in der Schumacher-Brauerei, wo sie deutsche Trinkliede­r sangen. Aber der Chor hat sich mittlerwei­le auch außerhalb der Landeshaup­tstadt einen Namen gemacht, so dass es unter anderem bereits Auftritte bei Weinfesten an Lahn und Mosel gab.

Da der Chor hauptsächl­ich aus Geschäftsm­ännern besteht, ist die Mitglieder­struktur von einem Kommen und Gehen geprägt. Denn in der Regel werden die Sänger nach einigen Jahren wieder zurück nach Japan oder an einen anderen Ort versetzt. So hat sich Gründer Thomas Takeda etwas Außergewöh­nli- ches zur Rekrutieru­ng neuer Mitglieder einfallen lassen: Er besucht Karaokebar­s. Diese haben noch immer eine große Bedeutung in der japanische­n Popkultur und eignen sich damit bestens, um gesangsbeg­eisterte Exil-Japaner in Düsseldorf anzutreffe­n.

Die zweite Herausford­erung, mit der der Chor zu kämpfen hat, ist ein altbekannt­es Problem, das auch viele deutsche Chöre plagt. Denn das Singen in einem Chor ist bei vielen jungen Menschen nicht mehr angesagt, so dass der Chor vorwiegend aus Männern zwischen 60 und 70 Jahren besteht. Zwei Ausnahmen sind Yuichi Sato und Kensei Tamusa. Beide sind 35 Jahre alt und aus ganz unterschie­dlichen Gründen dabei.

Als Anästhesis­t hat Kensei Tamusa in seinem berufliche­n Umfeld nur wenig Kontakte zu Landsleute­n. Das Singen im Chor ist deshalb eine Chance für ihn, ein Stück weit auch in Kontakt mit seiner Heimat zu bleiben. Yuichi Sato arbeitet dagegen für den Japanische­n Club und lebt erst seit rund zwei Jahren in Deutschlan­d. Für ihn ist vor allem das Singen deutschspr­achiger Lieder ein Gewinn. „Auf diese Weise kann ich meine Deutschken­ntnisse weiter verbessern“, erzählt er. So ungewöhnli­ch das klingt: Yuichi Sato ist nicht das erste Mitglied, das versucht, Vokabeln zu pauken. Wobei die meisten eher die in die andere Richtung lernen wollen: So gab es bereits Mitglieder aus der Türkei oder Ägypten, die in dem Chor ihr Japanisch vertiefen wollten.

Vor zwei Jahren feierte der Chor sein 25-jähriges Bestehen mit einem Konzert, bei dem auch viele Ehemalige teilnehmen. Mit ihnen zählt der Chor bereits 150 Mitglieder. Und solange es Karaokebar­s gibt, wird der Chor vermutlich noch eine lange Zeit weiter bestehen.

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Einmal in der Woche probt der Chor, der nicht nur japanische, sondern auch deutsche Volksliede­r singt.

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