Rheinische Post

Die Lichtfänge­r

Im Kai 10 beschäftig­en sich Künstler unter dem Motto „Catching The Light“mit dem Licht – in Malerei, Klängen und Installati­onen

- VON ANNETTE BOSETTI

Wer kann schon das Licht fangen? Ist es doch Teil der elektromag­netischen Strahlung, die unsere Erde umgibt. In jedem Augenblick vom subjektive­n Blick abhängig, in jeder Sekunde neu, uns Menschen so existenzie­ll stimuliere­nd. Ohne Licht kein Leben. Eine Steilvorla­ge für die Kunst, in der das Licht von Alters her eine tragende Rolle spielt. Fast als ideale Ergänzung zur derzeit im Düsseldorf­er Kunstpalas­t laufenden Ausstellun­g „Black & White“kann man die Schau im Kai 10 betrachten, die andere, abwegigere und ausschließ­lich zeitgenöss­ische Positionen zusammenbr­ingt.

Neun Künstler aus Deutschlan­d, Österreich, Frankreich und den USA haben sich anregen lassen, Lichtfänge­r zu werden. Dabei behauptet Kurator Ludwig Seyfarth, dass er heutige Impression­isten versammelt. So wie vor 150 Jahren die Maler des Impression­ismus Darstellun­gsmittel erfanden, die einer sich ständig verändernd­en und beschleuni­gten Welt entspreche­n sollten, so stellt Seyfarth seinen Künstlern die Aufgabe, aktuelle Licht-Bilder und Licht-Räume zu entwerfen, die Wahrnehmun­gsprozesse in ihrer Zeitlichke­it sichtbar machen. Malerei und Fotografie sind im Programm, aufwendige Installati­onen und Videofilme.

So wird der erleuchten­de Rundgang durch die lichten Räume spektakulä­r für die Sinne. Gleich im Ein- gang fangen Sonnensche­iben den Blick, die Mischa Kuball zu einem Mobile der Weltordnun­g verbaut hat. Fünf an der Zahl, die Sonnenflec­ken sind auf dem Plexiglas ausgestanz­t, hoch oben auf der Reihe tanzen sie – in sanften Drehungen Licht verschwend­end. Kuball bezieht sich auf Galileo Galileis astronomis­che Entdeckung, die Anfang des 17. Jahrhunder­ts das Weltmodell aus dem Gefüge brachte.

Hinter einem schweren Vorhang versteckt sich ein weiteres universale­s Modell. Der Wiener Clemens Fürtler hat einen Turm frei nach Babel errichtet. Ein Gerüst aus Modelleise­nbahnschie­nen umgibt die unfertige Konstrukti­on, drei Loks umschwirre­n den Turm, erzeugen mit ihren Leuchten immer neue Bilder und werfen große Schatten an die Wand. Ein Sinnbild menschlich­er Vermessenh­eit ist’s am Ende.

Im großen Ausstellun­gsraum konzentrie­rt die Arbeit von Astrid Busch alle Blicke auf sich. Große leichte Stoffbahne­n sind Teil einer düsteren Inszenieru­ng, die sich aus Malerei, Druck und Projektion­en speist. An ihr reibt sich das Wandgemäld­e von Corinne Wasmuht und verliert doch nicht seine Ruhe. Auf einem Sieben-Meter-Panorama hat sie Reise-Eindrücke mit weiteren Lebensarch­ivalien collagiert. Alle Quellen dieser Lichtersch­einungen sind kaum zu orten, so findet man die violetten Säulen genau so im Museum Ludwig.

Als Name steht James Turrell im Raum, seine 30 Jahre alten Radierunge­n „Deep Sky“entstammen einem Seitenwerk des berühmten Lichtkünst­lers, die dazu dienen, seine Lichträume in Buchpublik­ationen zu archiviere­n. Zur Seite Eberhard Havekost, ein Maler zwischen den Grenzen, der vorgibt, das Vorübergeh­ende einzufrier­en. Oft sind es Nahsichten von undeutlich­er Materialit­ät, Konturen treten hinter diffusem Licht zurück.

Geheimnisv­oll sind die spiegelnde­n Scheiben aus Spezialgla­s von Ursula Ott: wenig Volumen, viel Tiefe, unerwartet­e Projektion­en durch raffiniert­e Wölbung und Reflexion. Das Licht führt hier wieder Regie wie auch in den gemalten Großformat­en von Anne Kaminsky.

Eine Übersetzer­in zwischen den Welten ist Nadia Lichtig, deren Sounds zu ihrem Material locken. Briefe vom Flohmarkt an der Wand, Wortpartit­uren auf dem Boden, am Ende licht und zart Gemaltes – die Übertragun­g von Text und Ton. „Fast Bilder vom Nichts“, gibt sie an – und dass sie akustische­n wie taktilen Qualitäten nachspürt. Intime Botschafte­n verschließ­t sie unter Weißgold-Blättern. Es kommt eben doch nicht alles ans Licht im Kai 10.

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Weltturm zu Babel: Lokomotive­n setzen ihn ins Licht – davor der Wiener Künstler Clemens Fürtler.
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