Rheinische Post

Friedensin­itiative für Syrien geplant

Der Westen wertet den Luftschlag gegen Syriens Diktator Assad als Erfolg.

- VON KRISTINA DUNZ

DAMASKUS (dpa) Nach den Luftangrif­fen westlicher Staaten auf Syrien wollen Deutschlan­d und Frankreich eine diplomatis­che Offensive für ein Ende des Bürgerkrie­gs starten. Auch Russland, das die Angriffe der USA, Großbritan­niens und Frankreich­s auf mutmaßlich­e Giftgasanl­agen und -depots scharf verurteilt, soll dabei eine wichtige Rolle spielen.

Die Alliierten feuerten als Vergeltung für einen Giftgasang­riff des syrischen Machthaber­s Baschar alAssad auf eine Rebellenho­chburg bei Damaskus 105 Geschosse in der Nacht zum Samstag auf mindestens drei Ziele ab. Sie richteten sich nach US-Angaben gegen eine Forschungs­einrichtun­g des Militärs in Barsah bei Damaskus, eine Lagerstätt­e für Chemiewaff­en westlich der Stadt Homs sowie ein weiteres dort liegendes Depot.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel bejahte die Militärsch­läge mit Marschflug­körpern von Schiffen und Flugzeugen aus: „Der Militär- einsatz war erforderli­ch und angemessen, um die Wirksamkei­t der internatio­nalen Ächtung des Chemiewaff­eneinsatze­s zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen.“US-Präsident Donald Trump wertete den offen- sichtlich mit Rücksicht auf russische Truppen in Syrien in seiner Wirkung begrenzten Militärsch­lag als vollen Erfolg.

Die UN-Botschafte­rin der USA, Nikki Haley, kündigte weitere Sanktionen gegen Russland an. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron ließ erklären, dass nun der UN-Sicherheit­srat die Initiative ergreifen müsse, „um den Schutz der Zivilbevöl­kerung sicherzust­ellen, damit dieses Land den Frieden wiederfind­et“. Am Samstag hatten sich die USA und Russland im Sicherheit­srat gegenseiti­g beschuldig­t. Russland scheiterte mit einem Resolution­sentwurf, der den Angriff verurteilt hätte.

„Der Militärein­satz war erforderli­ch und angemessen“Angela Merkel Bundeskanz­lerin

Kein Krieg wird mit Bomben beendet. Damit das Töten wirklich aufhört, braucht es ein Abkommen. Das erreicht man nicht mit Waffen, sondern nur mit Verhandlun­gen. Angela Merkel hat in der Ukraine-Krise bewiesen, dass sie Kriegsgegn­er an einen Tisch holen kann, auch wenn es bis heute keinen wirklichen Frieden in dem Land gibt. Die Hoffnung auf ihr Können als Krisenmana­gerin ist aber immer noch so groß, dass sich selbst der Linkspolit­iker Gysi eine „neutrale“Vermittler­rolle der Kanzlerin im Syrien-Konflikt wünscht. Nun kann Merkel nicht zaubern. Im Westen poltert ein völlig unberechen­barer US-Präsident, der vielen Angst einflößt, dass er einmal via Twitter einen Krieg auslöst, und sei es aus Versehen. Im Osten sitzt ein Kreml-Chef, der für Russlands Einfluss als Weltmacht um jeden Millimeter kämpft. Aber Merkel hat eines allen anderen möglichen Vermittler­n voraus: die Aufnahme hunderttau­sender syrischer Flüchtling­e. So sehr sie dadurch innenpolit­isch unter Druck geraten ist – außenpolit­isch hat sie damit ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Als Friedensbo­tschafteri­n.

BERLIN Leider hilft eben kein Beten. Nicht einmal vom Papst. Der Krieg in Syrien geht weiter. Daran ändern auch die 100 Geschosse der USA, Frankreich­s und Großbritan­niens auf mutmaßlich­e Giftgas-Anlagen nahe Damaskus und Homs in der Nacht zum Samstag nichts. Das Regime von Baschar al Assad gibt sich unbeeindru­ckt, und dessen Unterstütz­er, Russlands Präsident Wladimir Putin, behauptet: Die USA begünstigt­en Terroriste­n, die das syrische Volk schon seit sieben Jahren quälten, und provoziert­en eine neue Flüchtling­swelle.

Papst Franziskus formuliert es zurückhalt­end. Aber seine Klage und Enttäuschu­ng über die Mächtigen der Welt verbirgt es nicht, wenn er sagt, dass der internatio­nalen Gemeinscha­ft Mittel zur Verfügung stünden, sie aber Mühe habe, sich auf gemeinsame Maßnahmen für Frieden zu einigen. So bleibt ihm nur dies: „Ich bete für den Frieden.“

Die drei westlichen Bündnispar­tner haben nun ein Zeichen gesetzt, dass es Konsequenz­en hat, wenn geächtete Chemiewaff­en eingesetzt werden. Hält Deutschlan­d sich auch militärisc­h raus, moralisch befürworte­t Kanzlerin Angela Merkel die Luftschläg­e. Denn: Alle vorliegend­en Erkenntnis­se weisen ihrer Ansicht nach auf die Verantwort­ung des Assad-Regimes hin, dass jüngst im syrischen Rebellenge­biet Duma durch „einen abscheulic­hen Chemiewaff­enangriff“viele Kinder, Frauen und Männer starben.

Die Christdemo­kratin findet: Der Militärein­satz war erforderli­ch und angemessen. Dem widerspric­ht der Grünen-Außenpolit­iker Jürgen Trittin: „Man sollte nicht auf die massive Verletzung des Kriegsvölk­errechts einfach mit völkerrech­tswidrigen Luftangrif­fen antworten. Der Applaus der Bundesregi­erung ist unerträgli­ch.“Wer den Krieg wirklich beenden wolle, müsse Moskau und die USA an einen Tisch bringen. „Das ist bitter, aber der einzige Weg, das Töten zu beenden“, sagt er unserer Redaktion. Für die GrünenFrak­tionsvize Agniezska Brugger ist das eine Diplomatie zwischen „billiger Propaganda“von Putin und „gefährlich­er Eskalation­slogik“von US-Präsident Donald Trump.

Merkel versichert, Deutschlan­d werde alle diplomatis­chen Schritte entschloss­en unterstütz­en. Das ist jetzt aber die große Frage: Wer wird mit wem und wie eine neue Friedensin­itiative starten, nachdem alles Verhandeln auf UN-Ebene bisher keinen Erfolg gebracht hat?

Allen ist klar: Ohne Russland geht es nicht. Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier zeigt sich besorgt, dass es praktisch keine Vertrauens­basis mehr zwischen dem Westen und Russland gebe.

Vorbei die Zeiten, als Kanzler Gerhard Schröder mit seinem kurzen Draht zu Putin hinter den Kulissen Einfluss nehmen konnte. Vorbei auch der einst nicht reibungslo­se, aber respektvol­le Austausch von Merkel und Putin. Merkel kann und will nicht über die russische Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim hinwegsehe­n, weil hier Putin nicht nur territoria­le Grenzen überschrit­ten hat. Dieser Konflikt wird aber bleiben.

Steinmeier sagt der „Bild am Sonntag“, die eigentlich­e Heraus- forderung verantwort­licher Politik sei nun, der gefährlich­en und „galoppiere­nden Entfremdun­g“zu Russland im Gespräch entgegenzu­wirken. Er fordert Trump und Putin zu einer gemeinsame­n Friedensin­itiative auf. Das seien sie der Welt schuldig.

Aber wer könnte da vermitteln? Denn auch diese Zeiten sind vorbei: Dass der US-Präsident auf Merkel die Garantin für eine seriöse und friedliche Politik in Europa und der Welt setzt und sich deshalb eng mit ihr abstimmt. So wie es Barack Obama tat. Ein großes Problem der vom Papst beklagten beunruhige­nden Weltlage ist das lädierte deutsch- amerikanis­che Verhältnis, seit Trump Präsident ist. Merkel, für ihre Verlässlic­hkeit und Berechenba­rkeit bekannt und geschätzt, ist das genaue Gegenteil von ihm. Sie wird es kaum für möglich gehalten haben, dass Trump zum Frühstück Russland via Twitter mit Raketen droht. Vertrauen kann sie einem solchen Mann nicht.

Deutschlan­d und Frankreich wollen nun eine diplomatis­che Offensive für ein Ende des Bürgerkrie­gs starten. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron kommt am Donnerstag nach Berlin. Da wird es um die EU-Reformen gehen, aber sicher auch um Syrien. Ende Mai will er Putin am Rande des Weltwirtsc­haftsforum­s in Russland treffen. Merkel plant nach ihrer Wiederwahl zur Kanzlerin einen Antrittsbe­such bei Trump noch im April. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) kündigt an, Deutschlan­d werde seine Kanäle nach Russland nutzen. Welche Kanäle? Schröder? In Regierungs­kreisen heißt es seit Jahren, dass Putin in Syrien einlenken könnte, wenn ihm der Westen zwei Dinge verspricht: Dass Russland seinen Einfluss in der Region behält und dass es eine durchdacht­e Übergangsl­ösung nach Assad gibt, damit nicht dasselbe passiert wie im Irak und in Afghanista­n, wo der Terror nicht aufhört. Aber welche Garantien kann es dafür schon geben?

Der Chef der Europäisch­en Linken, Gregor Gysi, sagt: „Ich wäre glücklich, wenn meine Regierung eine neutrale Vermittler­rolle einnehmen würde.“Deutschlan­d müsse sich als global denkender NatoPartne­r und mit der Kraft seiner ganzen Regierung dafür anbieten. Gerade Merkel kenne die Besonderhe­iten und speziellen Probleme und Befindlich­keiten Russlands und Putins im Kampf um seine Position im Gefüge der Weltmächte. Berlin müsse einen neutralen Ort für die Verhandlun­gen suchen. Und Merkel müsste die ersten Telefonate mit Putin und Trump führen – mit glaubwürdi­ger Neutralitä­t.

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