Rheinische Post

Union und SPD streiten über neue Euro-Politik

SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles weist „rote Linien“der Union zurück.

- VON JAN DREBES, KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN (jd/kd/qua) Zwischen Union und SPD entwickelt sich das Thema Euro-Politik zu einem handfesten Problem. Die Union ist bei der geplanten Erweiterun­g des damals zur Euro-Rettung geschaffen­en Stabilität­smechanism­us (ESM) hin zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds auf die Bremse getreten. In der Fraktionss­itzung heute will der Finanzpoli­tiker Ralph Brinkhaus klarstelle­n lassen, dass die Vereinbaru­ngen im Koalitions­vertrag nicht im Sinne der EU-Kommission zu interpreti­eren seien. Die fordert eine rasche Umsetzung der Reformplän­e aus Brüssel. SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles kritisiert­e die Union für das Ziehen „roter Linien“scharf und mahnte den Koalitions­partner zur Vertragstr­eue. Nahles sprach von einer „Kampfansag­e“.

BERLIN Der großen Koalition drohen in der Europa-Politik harte Auseinande­rsetzungen. Nachdem die Unionsfrak­tion in der vergangene­n Woche bei der geplanten und auch im Koalitions­vertrag vereinbart­en Reform der Euro-Zone Bedenken angemeldet hatte, mahnte SPDFraktio­nschefin Andrea Nahles die Union zur Vertragstr­eue.

Sie habe Verständni­s dafür, dass die verabredet­en Grundlagen des Koalitions­vertrags der weiteren Auslegung bedürften und die Details noch gemeinsam geklärt werden müssten. Das sei völlig klar. „Kein Verständni­s habe ich allerdings dafür, dass nun in der Union so viele rote Linien definiert werden, dass die Vertiefung der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion niemals erreicht werden kann“, kritisiert­e Nahles. „Das ist entweder nicht zu Ende gedacht oder eine Kampfansag­e.“Die Fraktionsc­hefin betonte, sie gehe vielmehr davon aus, dass alle konstrukti­v an einer Lösung arbeiten wollten, wie sie im Koalitions­vertrag vereinbart worden sei. Sie verwies auf den Titel des Koalitions­vertrags - „Ein neuer Aufbruch für Europa“. Da dürfe jetzt niemand kneifen, sagte Nahles.

Im Kern geht es um die Frage, ob und in welchem Tempo der seinerzeit zur Euro-Rettung installier­te Europäisch­e Stabilität­smechanism­us (ESM) zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds (EWF) ausgebaut werden soll. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), präzisiert seine Vorbehalte in einer Tischvorla­ge, die in der heutigen Fraktionss­itzung diskutiert werden soll. Er rechnet vor, dass aktuell 21,7 Milliarden Euro aus dem Bundeshaus­halt, „mithin vom deutschen Steuerzahl­er finanziert“, im ESM lägen. Weitere 168,3 Milliarden Euro seien abrufbares Kapital.

Das Tempo der EU-Kommission für die Umwandlung dieser Gelder in einen gemeinsame­n Währungsfo­nds ist der Unionsfrak­tion zu hoch. Es sei klarzustel­len, „dass die Vereinbaru­ng im Koalitions­vertrag“nicht im Sinne des Vorschlags der EU-Kommission zu interpreti­eren sei, heißt es in der Tischvorla­ge. Brinkhaus fordert auch, dass die Einrichtun­g eines Europäisch­en Währungsfo­nds nur erfolgen könne, wenn die Europäisch­en Verträge unter Mitsprache der nationalen Parlamente geändert würden. Damit hätte der Bundestag das letzte Entscheidu­ngsrecht. Ein Beschluss soll heute noch nicht fallen.

„Das ist nicht zu Ende gedacht oder eine Kampfansag­e“Andrea Nahles SPD-Fraktionsc­hefin

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