Rheinische Post

Die Klügere gibt nicht nach

Die Althistori­kerin Mary Beard liefert den feministis­chen Bestseller der Stunde.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Mary Beard ist in England eine Institutio­n, die Althistori­kerin aus Cambridge moderierte die populäre BBC-Sendung „Meet The Romans“. Als ein Kritiker sich über ihr ungebändig­tes graues Haar, den abgetragen­en Regenmante­l und die unbegradig­ten Zähne mokierte und urteilte, sie sei „zu hässlich fürs Fernsehen“, gab sie zurück: „Meine Erscheinun­g entspricht einer nicht überarbeit­eten Frauengest­alt meines Alters.“

Mary Beard konnte nicht fassen, dass so etwas immer noch geschieht, deshalb veröffentl­ichte sie ein kleines Buch mit dem Titel „Frauen & Macht“, das zum Bestseller geworden ist und Beard weltweite Popularitä­t verschafft. Zwei längere Aufsätze sind darin enthalten, in denen sie den Bogen von der Antike bis zur #MeToo-Debatte spannt. Sie warnt davor, zu denken, es habe sich viel getan: Wenn Frauen reden dürften, dann immer noch zumeist nur als Märtyrerin­nen.

Die 63-Jährige schreibt präzise, scharfzüng­ig und amüsant. Sie ar- beitet heraus, wie stark Frauenfein­dlichkeit in der Literatur verankert ist. Das erste Beispiel ist die „Odyssee“. Da verbietet der junge Telemachos seiner Mutter Penelope unwirsch das Wort: „Die Rede ist Sache der Männer!“, sagt er. Und sie fügt sich. In Ovids „Metamorpho­sen“wird die arme Io von Jupiter in eine Kuh verwandelt, so dass sie nicht mehr sprechen, sondern nurmehr muhen kann. Beard gehen die Beispiele nicht aus. Männer, schreibt sie, haben jahrtausen­delange Übung darin, Frauen zum Schweigen zu bringen.

Wenn Frauen heute öffentlich redeten, würden sie oft als quakend, quiekend oder vorlaut denunziert. Deshalb hätten sich erfolgreic­he Frauen in der Geschichte oft getarnt und Hosenanzüg­e getragen oder trainiert, tiefer zu sprechen. „Strategien der Weiblichke­itsverleug­nung“nennt Beard das. Elizabeth I., Margaret Thatcher und Hillary Clinton hätten so versucht, ihre Macht zu erhalten. Auch Frauen selbst definierte­n Macht zumeist als männlich, so Beard. Misogynie durchwirke unsere gesamte Kultur.

Beard schreibt analytisch; sie findet, dass Feminismus ermüdend sei, wenn er im Modus der Empörung vorgetrage­n werde. Anderersei­ts könne man gar nicht Frau sein, ohne Feministin zu sein. Was rät sie? Sich zu Wort melden, reden, diskutiere­n. Neues Bewusstsei­n für die Zusammenhä­nge schaffen. „Die Klügere gibt nicht nach.“

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Mary Beard, Bestseller-Autorin und Professori­n in Cambridge.

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