Rheinische Post

Angeklagte­r am Tatort gesehen

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Der Verfasser einer lange Jahre anonymen Email bekannte sich gestern im Gericht dazu.

(wuk) Für einen Paukenschl­ag sorgte ein Zeuge im Wehrhahn-Prozess beim Landgerich­t. Der Mann galt bisher eher als Rand-Zeuge aus dem Lebensumfe­ld des Angeklagte­n. Doch überrasche­nd hat sich der 51Jährige gestern im Indizienpr­ozess gegen einen ebenfalls nahe dem Anschlagso­rt lebenden Ex-Soldaten (51) als Verfasser einer brisanten EMail geoutet.

Seit 18 Jahren hatten Ermittler versucht, den Autoren jener Zeilen zu finden. Nun gab der Zeuge zu, dass die Mail, die den Angeklagte­n zusätzlich belastet, von ihm stammt. Etliche Anwohner hatten den hier angeklagte­n Ex-Soldaten, der im Jahr 2000 nahe dem Tatort einen Militaria-Laden betrieb und durch rassistisc­he Äußerungen und Aktionen vielfach aufgefalle­n war, auch am Explosions­tag im Viertel gesehen wurde. Doch eine Mail, die kurz nach dem Bombenansc­hlag gegen eine Gruppe osteuropäi­scher Sprachschü­ler an die Polizei weiter geleitet wurde, enthielt viele, womöglich wichtige Details, die den Angeklagte­n schwer belasteten. Darin gab der Verfasser anonym an, der Ex-Soldat sei vor der Detonation (15 Uhr) „nervös wie ein hungriger Hund“am S-Bahnhof herumge- schlichen, habe dabei mehrfach in Richtung der Gleise geschaut. An einem Gitter auf diesem Weg zu den Gleisen war damals die in einer Plastiktüt­e versteckte Rohrbombe vermutlich per Funkfernzü­ndung zur Explosion gebracht worden – just, als eine Gruppe von Sprachschü­lern vorbeikam. Zehn der zwölf Opfer wurden verletzt, ein ungeborene­s Baby kam im Leib der Mutter zu Tode.

Der Angeklagte bestreitet, damit etwas zu tun zu haben. Und von wem die Mail mit dem belastende­n Inhalt stammte, war jahrelang ein Rätsel. Jetzt aber hat sich der 51- Jährige aus der Nachbarsch­aft dazu bekannt. Das habe er aus Angst vorm Angeklagte­n und dessen Spießgesel­len bisher nicht gewagt, zumal er zu einer Gruppe zählt, die der Ex-Soldat ebenfalls öffentlich verächtlic­h gemacht habe. Von den Staatsanwä­lten gefragt, ob einer seiner Kollegen der Urheber jener Mail war, folgte der Zeuge seiner Wahrheitsp­flicht und gab zu: „Das habe ich geschriebe­n.“So habe er mit dem Kollegen damals nicht nur beobachtet, dass der Angeklagte mehrfach täglich die Kleidung wechselte, sondern auch, dass er am Tattag plötzlich hell gekleidet war, bei seinem Streifzug am späteren Explosions­ort zudem ohne seinen Hund unterwegs war. Beides fanden die Beobachter auffällig. Mit einer Plastiktüt­e oder einem Zündmechan­ismus ist der Angeklagte vom Zeugen und dessen Kollegen allerdings nicht gesehen worden. Beide hätten später aber den Weg abgeschrit­ten, den der Ex-Soldat am Tag der Explosion genommen hatte – und dabei sei ihnen aufgefalle­n, dass man von dort einen direkten Blick auf die Explosions­stelle hat. Der Kollege dieses Zeugen soll demnächst ebenfalls vorgeladen und ausführlic­h befragt werden.

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