NRW will Schutz für Juden prüfen
Innenminister Herbert Reul (CDU) erwägt die Berufung eines Antisemitismus-Beauftragten auf Landesebene. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf berichtet von vermehrten Übergriffen an Schulen.
DÜSSELDORF Nach dem antisemitischen Angriff auf zwei junge Männer in Berlin nimmt auch Nordrhein-Westfalen den Schutz jüdischer Bürger in den Fokus. So will Innenminister Herbert Reul (CDU) den Schutz jüdischer Einrichtungen überprüfen. Dieser sei zwar schon auf hohem Niveau, „trotzdem werden wir vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse nochmals prüfen, ob wir etwas verbessern können“, sagte Reul unserer Redaktion. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will zudem die Schulleiter in einem Rundschreiben für das Thema Antisemitismus sensibilisieren.
Auf die Forderung der SPD-Fraktion im Landtag, einen Antisemitismus-Beauftragten für NRW zu berufen, antwortete Reul, er schließe einen entsprechenden Bedarf nicht aus. Er wolle aber zunächst abwarten, wie die Erfahrungen mit dem neuen Beauftragten auf Bundesebene seien. Der neue Antisemitismusbeauftragte Felix Klein, dessen Stelle Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag neu geschaffen hatten, wird im Mai seine Arbeit aufnehmen. Klein will sich für eine realistische Abbildung von muslimischem Antisemitismus in der Kriminalstatistik einsetzen. Der muslimische Antisemitismus sei stärker, als es in der Statistik bisher zum Ausdruck komme, sagte Klein der „Welt“.
Auch der Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, Michael Szentei-Heise, hat diesen Eindruck: „Nach Angaben der Polizei gehen 90 Prozent der antisemiti- schen Straftaten auf einen rechtsradikalen Hintergrund zurück. Der Hass kommt aus unserer Sicht aber zunehmend aus dem muslimischen Teil der Bevölkerung.“Die Judenfeindlichkeit in Deutschland habe ein Ausmaß erreicht, wie er sich es vor einigen Jahren nicht hätte vorstellen können.
Viele Gemeindemitglieder, so Szentei-Heise, seien verunsichert oder verängstigt. Jüdische Schüler berichteten ihm von antisemitischen Anfeindungen wie: „Ich wünschte, Hitler hätte euch alle getötet“oder „Wieso gibt es keine Gaskammern mehr?“. Beleidigungen wie „Scheißjude“seien an der Tagesordnung; Lehrkräfte zeigten sich oft hilflos und reagierten nicht, betonte Szentei-Heise.
Von den 3764 rechtsradikal motivierten Straftaten, die 2017 in NRW registriert wurden, hatten 324 einen antisemitischen Hintergrund. Das geht aus Zahlen des NRW-Innenministeriums hervor, die die GrünenPolitikerin Verena Schäffer vor wenigen Wochen abgefragt hatte. An Schulen ereigneten sich 61 solcher Vorfälle zwischen Anfang 2014 und Ende 2017, teilte das Schulministe- rium kürzlich mit. 47 davon seien rechtsradikal motiviert gewesen, zehn weitere dem „Phänomenbereich Ausländer“zuzuordnen, hieß es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag.
„An unseren Schulen gibt es keinen Platz für Antisemitismus, ganz gleich ob politisch oder religiös motiviert“, sagte Schulministerin Gebauer. Pläne für verpflichtende Lehrerfortbildungen zum Thema Antisemitismus gebe es aber nicht. Den SPD-Vorschlag, Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten einzuführen, sieht das Schulministerium kritisch. Freiwilligkeit sei besser für den Lerneffekt und die Vermittlung demokratischer Grundwerte nicht allein die Aufgabe von Schulen. „Auch die Gesellschaft und das Elternhaus sind hier gefordert“, sagte Gebauer.
Gegen den mutmaßlichen Täter von Berlin wurde unterdessen Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen. Das teilte die Staatsanwaltschaft gestern Abend mit. Der 19-jährige Beschuldigte hatte sich zuvor der Polizei gestellt. Es handelt sich um einen Syrer, der seit 2015 in Deutschland ist.