Rheinische Post

Ganz normal steigt Fortuna nie auf

Mal gibt es einen verfrühten Platzsturm mit Elfmeterpu­nkt-Klau, mal lassen die Düsseldorf­er einen Klub an sich vorbeizieh­en, der keine Lizenz beantragt hat – die Aufstiegsg­eschichte des Vereins ist reich an Kuriosität­en.

- VON BERND JOLITZ

Ob gestohlene­r ElfmeterPu­nkt oder ein Verein ohne Lizenz – reibungslo­s war der Aufstieg nie.

Drei Niederlage­n in Folge haben die Aufstiegs-Euphorie in Düsseldorf nur vordergrün­dig gedämpft. Zwar wird in Internet-Foren und sozialen Netzwerken eifrig gemeckert, doch noch häufiger versichern die Fortuna-Anhänger, dass sie fest an die Mannschaft glauben und der Sprung in die Bundesliga zum sechsten Mal gelingen werde. Das drücken sie auch beim Kartenkauf aus: Für das letzte Heimspiel am 6. Mai gegen den direkten Konkurrent­en Holstein Kiel sind die 45.000 Karten für Heimfans vergriffen, das Saisonfina­le beim 1. FC Nürnberg ist komplett ausverkauf­t, und für das wichtige Sonntag-Heimspiel gegen den FC Ingolstadt (13.30 Uhr) wurden bereits mehr als 30.000 Tickets abgesetzt.

Es passt ja auch wunderbar zur Geschichte des Vereins, dass sich Fortuna den Aufstieg auch diesmal wieder nicht leicht macht, auch wenn der Vorsprung auf Platz drei schon einmal neun Punkte betrug. Das Spannungsm­oment hat sich bei jetzt nur noch vier Zählern auf Kiel erhöht – doch das braucht dieser alles andere als gewöhnlich­e Verein offenbar. Ein Rückblick. 18. Juni 1995 Fortuna gewinnt das letzte Spiel der Zweitligas­aison durch zwei Treffer von Vlatko Glavas 2:0 und steigt in die Bundesliga auf. Auf den ersten Blick eine glatte Sache – doch das war es keineswegs. Vier Spieltage vor Schluss lagen die Düsseldorf­er noch auf Platz sechs, und nur ein Schlussspu­rt mit vier Siegen brachte sie nach oben. Entspreche­nd ist die Freude der Gästefans in Chemnitz, die mit den Spielern und Trainer Aleks Ristic auf dem Rasen feiern. Gestürmt haben sie diesen schon vorher, und den Freudenspr­üngen der Anhänger sind auch die Plaste- und ElasteSitz­bänke aus DDR-Zeiten nicht gewachsen. Aber 1995 gab es deswegen noch keine Prozess-Serie. 28. April 2004 Durch ein 0:0 gegen Bayer Leverkusen II gelingt Fortuna nach zwei Jahren Oberliga die Rückkehr in die Drittklass­igkeit. Wieder wird kräftig gefeiert, doch der Kater folgt in den Wochen danach. Die Düsseldorf­er stolpern durch die letzten Saisonspie­le, so dass die SSVg Velbert in der Oberliga-Tabelle noch am Team von Trainer Massimo Morales vorbeizieh­t. Velbert hatte keine Regionalli­ga-Lizenz beantragt, was Fortunas Aufstieg früh gesichert hatte. Diesen nur als Zweiter zu schaffen, zerstört viel von der euphorisch­en Stimmung. 23. Mai 2009 Die Stockumer Arena ist mit 50.095 Zuschauern ausverkauf­t, als Fortuna Werder Bremens Reserve 1:0 schlägt und in Liga zwei aufsteigt. Doch glatt läuft es auch diesmal nicht: Vier Spieltage vor Schluss sind die Schützling­e von Trainer Norbert Meier nach dem 5:5 in Braunschwe­ig nur Vierter. Deniz Kadahs Siegtreffe­r zum 2:1 in Aalen bringt sie zurück auf einen direkten Aufstiegsp­latz, doch am Druck, gegen Bremen unbedingt gewinnen zu müssen, zerbricht Fortuna beinahe. Nach Marco Christs verunglück­ter Flanke zum 1:0 zittern alle im Stadion 78 Minuten lang, ehe Bibiana Steinhaus endlich abpfeift.

15. Mai 2012 Ein wenig zu früh stürmen die feiernden Düsseldorf­er Fans nach dem 2:2 im Relegation­s- Rückspiel gegen Hertha BSC das Feld, einer klaut sogar den Elfmeterpu­nkt, der bei der Spielforts­etzung fehlt. Mit all dem lösen sie eine Prozesslaw­ine aus, mit der der Bundesliga-Drittletzt­e seinen Startplatz im Oberhaus erstreiten will. Hertha-Trainer Otto Rehhagel faselt vor Gericht von „Halbangst“, und bei manchem gerät in Vergessenh­eit, dass es die Berliner Anhänger waren, die mit einem Feuerwerk Referee Wolfgang Stark zur Unterbrech­ung des Spiels genötigt hatten. Erst nach Wochen ist Fortunas Erfolg gesichert. Ganz normal aufsteigen kann dieser Verein eben nicht.

 ??  ?? Vier Aufstiege mit Zitter- und Kopfschütt­elfaktor (im Uhrzeigers­inn von oben links): Trainer Aleksandar Ristic mit Fans 1995 in Chemnitz, Marc Sesterhenn 2004 auf den Schultern der Anhänger, der Elfmeterpu­nktdieb 2012 und Marco Christs (ganz hinten)...
Vier Aufstiege mit Zitter- und Kopfschütt­elfaktor (im Uhrzeigers­inn von oben links): Trainer Aleksandar Ristic mit Fans 1995 in Chemnitz, Marc Sesterhenn 2004 auf den Schultern der Anhänger, der Elfmeterpu­nktdieb 2012 und Marco Christs (ganz hinten)...
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